Interview // Facebook-Initiative gegen Hass-Kommentare "Es ist eine Imagekampagne"
Facebook will Hass-Kommentare in Deutschland künftig spätestens nach 24 Stunden löschen. Klingt gut - aber wie bitte soll das funktionieren? Wir haben mit Markus Beckedahl, Chefredakteur von netzpolitik.org, gesprochen.
Facebook hat eine neue Initiative vorgestellt: Hass-Kommentare sollen in Zukunft spätestens nach 24 Stunden gelöscht sein. Das Ganze soll ein Dienstleister in Deutschland übernehmen, 150 Mitarbeiter sollen das Netzwerk nach den ungewollten Kommentaren durchsuchen. Mehr hat Facebook dazu bisher nicht gesagt. Aber wie entscheiden diese 150 Leute, was weg muss und was bleiben darf? Und hat das dann auch rechtliche Folgen für die Hater? Wir haben darüber mit Markus Beckedahl, Chefredakteur von netzpolitik.org, gesprochen. Er sieht die Sache ziemlich kritisch.
PULS: Wie will Facebook das denn anstellen, durchsuchen die 150 Leute das ganze Netzwerk ab?
Ja, das ist eine gute Frage, auf die wir auch noch keine zufriedenstellende Antwort bekommen haben. Wir wissen seit Freitag durch eine Vorabmeldung des Spiegels, dass Facebook eine kleinere dreistellige Anzahl an Mitarbeitern in Berlin bei einem externen Unternehmen beauftragen will, Kommentare zu löschen. Welche Kommentare das genau sind, wissen wir nicht. Wir wissen auch nicht, ob die gelöschten Kommentare weiter zu Strafverfolgungsbehörden geleitet werden, damit unser Rechtsstaat sich tatsächlich damit beschäftigen kann. Insofern bleiben bei uns viele Fragen offen und wenig Antworten bisher.
Ist es in Ordnung, dass Facebook selbst ein Unternehmen beauftragt hat? Eine unabhängige Instanz ist das ja nicht.
Wir sehen das sehr kritisch und mit vielen Kollateralschäden versehen. Wenn wir uns als Gesellschaft darauf verlassen, dass ein Unternehmen, das zunehmend unsere digitale Öffentlichkeit monopolisiert, quasi rechtsstaatliche Aufgaben wie Richter und Polizei übernimmt, um Meinungen aus unserer Gesellschaft ohne rechtsstaatlichen Weg rauszufiltern und zu löschen. Das ist eher eine Privatisierung der Rechtsdurchsetzung und nicht der Rechtsstaat, den wir kennen und schätzen gelernt haben.
Wer müsste die Aufgabe denn sonst vom Staat übernehmen?
Also wenn bei Facebook oder in anderen sozialen Medien klare rechtswidrige Meinungen wie Volksverhetzung gepostet werden, dann müssten selbstverständlich unsere Strafverfolgungsbehörden und unsere Gerichte tätig werden, gegen diese Straftaten vorzugehen. Da reicht eine Löschung nicht aus, die noch nicht mal von unserer Judikative oder Exekutive vollzogen wird.
Bringt die Initiative nicht trotzdem was? Könnten Hass-Kommentare weniger sichtbar werden?
Wir lösen nicht das Problem, dass diese Meinungen in unserer Gesellschaft existieren, indem Facebook sie löscht. Die Frage ist auch: Wo ist da genau die Grenze, wo Facebook was löscht? Das Problem ist ja, dass die Hetz-Kommentare von heute auf morgen auch schon andere politische Meinungen sein könnten, die aus Sicht von Facebook nicht okay sind, aber aus Sicht unseres Rechtsstaates schon. Also die Frage ist: Wollen wir es generell zulassen, dass ein Unternehmen hier Richter und Henker über Meinungen spielt oder wollen wir das weiterhin grundrechtlich und rechtsstaatlich gelöst wissen.
Also ist diese Initiative eher Augenwischerei und eine Imagekampagne?
Es ist vor allen Dingen eher eine Imagekampagne. Aber auch unser Justizministerium zieht sich da ein klein wenig aus der Verantwortung, indem unser Justizminister sagt: "Facebook, macht mal was, da gibt es viele Hetz-Kommentare." Aber gleichzeitig scheint der Justizminister nicht richtig motiviert, das Problem andersartig anzugehen, nämlich mehr Ressourcen für Staatsanwaltschaften und Gerichte zu schaffen, damit gegen diese Straftaten besser auf rechtsstaatlichem Wege vorgegangen werden kann. Im Moment ist es so: Wenn klare volksverhetzende Meinungen im Netz, auf Facebook und so weiter gesehen werden und man dagegen Anzeige erstattet, ist es mit einem Lotterielos gleichzusetzen, ob tatsächlich auch dagegen vorgegangen wird oder nicht.
Aber ist es nicht richtig, wenn die Justiz sozusagen Hand in Hand mit Facebook an diesem Problem arbeitet?
Wenn es klar rechtsstaatlich gelöst ist, dann wäre das ein Ansatzpunkt. Im Moment sehen wir das aber so nicht wirklich.
Jetzt gibt es den Vorschlag der Counterspeech, also dagegen argumentieren. Hilft sowas überhaupt?
Ich bin großer Fan von Zivilcourage, und wir brauchen auch mehr Zivilcourage in unserer Gesellschaft. Nur haben wir bei dieser Counterspeech-Initiative von Facebook die Bedenken, dass es mehr oder weniger ein Marketing-Instrument von Facebook ist, sich als Wohltäter zu inszenieren, aber das eigentliche Problem bei Facebook direkt liegt. Und zwar hat es damit zu tun, wie die Algorithmen von Facebook arbeiten. Wenn man Nazi ist und eine Nazi-Meinung bei sich postet, dann wird diese Nazi-Meinung bei den ganzen Nazi-Freunden bevorzugt von den Algorithmen angezeigt. Wenn jetzt also ein Nazi-Gegner mit einer couragierten Anti-Meinung in den Kommentaren Zivilcourage zeigt, dann arbeiten die Algorithmen im Moment so, dass die Anti-Meinung weggefiltert wird, weil sie nicht relevant genug erscheint, weil sie eine konträre Meinung ist. Insofern sind wir nicht ganz so überzeugt, dass nach dem derzeitigen System dieses Modell erfolgsversprechend funktioniert.
Man darf wohl nicht davon ausgehen, dass Facebook jetzt seinen Algorithmus ändert?
Nein, aber es wirft Licht auf eine zusätzliche Problematik in dieser ganzen Debatte, nämlich, dass wir nicht genau wissen, wie diese Algorithmen arbeiten. Aber anscheinend trägt diese Tätigkeit der Algorithmen dazu bei, dass sich viele Menschen mit grenzwertigen Meinungen oder auch mit Nazi-Meinungen in ihrem Glaubenssystem verfestigt fühlen, weil sie eigentlich nur noch gleichartige Meinungen angezeigt bekommen und das Gefühl haben, deshalb zu einer großen, schweigenden Mehrheit zu gehören. Und das ist natürlich ein Problem: Wenn sie einer kleinen Minderheit mit rassistischen Meinungen angehören und sie sehen nur noch rassistische Meinungen, dann ist Facebook hier mit seiner Infrastruktur und seinen intransparenten Algorithmen einer derjenigen, die das eher noch befeuern, als dagegen vorzugehen.
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Jürg Walter Meyer, Mittwoch, 20.Januar 2016, 18:05 Uhr
1. Facebook löscht Einträge
Justizminister Maas mischt da ganz sicher mit. Ihm passen auch die kritischen Facebook-Einträge zum Merkel-Regime nicht.
Er macht sich da die Aufgabe zu einfach. Die Strafvollzugsbehörden müssen da eingreifen. Herr Zuckerberg beugt sich.