Sonic Pi Warum Codezeilen die neuen Noten sind
Ein Informatikprofessor aus Cambridge will, dass jeder Schüler das Programmieren lernt. Dafür hat er ein Programm entwickelt, dass gleichzeitig ein Musikinstrument ist. Noten wären dann Vergangenheit.
Die einen sind blass, kennen sich nur mit Computern aus und gelten als Nerds. Die anderen sind genauso blass, gelten aber als cool, weil sie mit Computern Musik machen. Nervige Klischees über Programmierer und Musiker – zwei unvereinbare Welten. Von wegen! Sam Aaron aus Cambridge bringt diese Welten zusammen. Mit Sonic Pi hat der Informatikprofessor ein Programm entwickelt, dass Schülern zwar in erster Linie das Programmieren beibringen soll - gleichzeitig ist es aber auch ein neues Instrument.
Tastatur statt Saiten
Statt Tasten zu drücken, Saiten zu zupfen oder an Reglern zu drehen, entstehen Töne und Beats bei Sonic Pi per Programmiercode. Sogar Samples und externe Instrumente lassen sich so einbinden. Das Tolle dabei: Während ihr versucht, immer komplexere Beats zu bauen und sich neue Akkorde einfallen zu lassen, lernt ihr nebenbei, wie Programmiersprachen aufgebaut sind. Denn um komplexere Sounds zu bauen, braucht es if-Causes, Loops oder andere Programmierbefehle, die für Informatiker tägliches Business sind.
Sonic Pi läuft auf Windows, Mac und auf den erschwinglichen Raspberry Pis – auf dem Mini-Computer hat Sam auch die Software entwickelt. Vor fünf Jahren ist das Projekt gestartet. Inzwischen gibt es über eine halbe Million Nutzer weltweit und ganz viele Schüler, die so schon das Programmieren gelernt haben. Besonders Schulen in Großbritannien nutzen die Software im Unterricht. In bayerischen Klassenzimmern wird es bisher noch nicht genutzt.
Code ist besser als Noten
Sonic Pi lohnt sich aber nicht nur für den Informatikunterricht – auch Musiker sollten es feiern. Denn durch den speicher-, kopier- und teilbaren Code lässt sich Musik auf ganz neue Art und Weise festhalten und teilen. Nicht nur, dass sich mit Sonic Pi Töne erzeugen lassen, die man im Notensystem gar nicht darstellen kann. Jede kleine Veränderung am Sound, jeder einzelne Effekt ist im Code eindeutig zu sehen. Unser Notensystem kann da schon länger nicht mehr mithalten, besonders wenn es um elektronische Musik geht. Sonic Pi schließt diese Lücke. Eigentlich genial.
Und trotzdem darf Sam sich immer wieder Anfeindungen von beiden Seiten anhören: Von vielen Musikern, dass dieses elektronische Gebimmel doch gar keine wirkliche Musik sei (sagt das mal zu Daft Punk), und von wenig musik-affinen Informatikern, dass sie nicht verstehen, wozu es das Programm braucht. Egal. Sam macht trotzdem weiter.
Sendung: Netzfilter, Samstag 23.09.2017 - ab 12 Uhr