RSS-Reader Wie ihr mit einem 90er-Jahre-Tool die Filterbubble austrickst
Facebook, Instagram, YouTube: Überall ärgern wir uns über die Algorithmen. Dabei könnten wir unsere Timeline ganz einfach selber zusammenbasteln - mit einem Programm aus den 90ern: RSS-Readern.
Manchmal geht es auf YouTube ganz schön schnell: Eben noch das neueste Video von Casey Neistat angeschaut, braucht es nur ein, zwei Ecken (Ronja von Rönne bei Late Night Berlin und Alexander Gerst bei Jan Böhmermann) und schon schaut man ein Video, das mit dem Ausgangspunkt nicht mehr viel gemeinsam hat. Das liegt bei YouTube an den Video-Empfehlungen in der rechten Spalte und der Autoplay-Funktion. YouTube, Facebook, Twitter, Instagram – die Sozialen Medien fressen unsere Zeit, weil uns ihre Algorithmen geschickt immer neue Bröckchen hinwerfen. Gleichzeitig bewegen wir uns wie ein Goldfisch immer kreisrund im eigenen Glas aka unserer Filterbubble.
RSS-Reader als Allzweck-Waffe
Dass wir uns über Soziale Netzwerke aufregen ist natürlich nichts Neues. Gerade ist die Social-Media-Kritik aber so heftig wie nie: Einige von uns löschen sogar unsere Facebook-Accounts. Weil Mark Zuckerberg das machte, was wir schon alle lange ahnten: Er hat unsere Daten an Cambridge Analytica verschleudert, eine Firma, die damit angeblich Wahlkämpfe auf der ganzen Welt beeinflusst hat.
Dabei gibt es eine Lösung, die uns sowohl vor der Datensammelei auf Facebook bewahrt und uns gleichzeitig aus der Filterbubble befreien kann. Der Clou daran, sie ist älter als das Problem: RSS-Reader. RSS steht für Really Simple Syndication, übersetzt etwa "sehr einfache Mehrfachverwendung“. Die Technik existiert seit Ende der Neunziger. RSS-Reader können das Internet für uns kuratieren, zum Beispiel uns alle Nachrichten von New York Times, SZ, Tagesschau und BR an einen Ort liefern – in unseren RSS-Feed in chronologischer Reihenfolge. Irgendwann wurden die Reader von Facebook und Co. verdrängt.
Nicht ganz so bequem wie Social Media
Wir sind mit der Zeit einfach bequem geworden: In den RSS-Readern gibt es keine Algorithmen, die Nachrichten und Beiträge vorfiltern. Wir müssen selbst entscheiden, mit welche Quellen wir unseren Feed befüllen wollen. Der Tech-Journalist Brian Barrett illustriert in seinem Artikel für das Magazin Wired den Unterschied zwischen RSS und Social Media. Er schreibt, der Unterschied sei etwa wie zwischen einem Buffet und der Speisekarte. "In beiden Fällen entscheidest du, was du bekommst. Aber das Buffet gibt einem viel mehr Optionen, die man sonst vielleicht nie entdeckt hätte.“
Barret fordert ein RSS-Revival – völlig zu Recht. Wir beschweren uns zwar immer über die Macht der Algorithmen. Aber um das zu ändern, müssen wir etwas tun, am besten jetzt sofort. Deshalb sind hier ein kurzes How-to und drei RSS-Reader für jeden Geschmack.
How to RSS-Reader
Die meisten RSS-Reader sind kinderleicht zu bedienen und das Prinzip funktioniert immer ähnlich. Zunächst muss man sich natürlich bei dem jeweiligen Dienst mit einem Account registrieren, um ein eigenes Dashboard zur Verfügung gestellt zu bekommen. Dieses muss der Nutzer selbst befüllen. Viele Dienste schlagen beliebte RSS-Feeds und Kategorien vor, zum Beispiel den der New York Times oder die Kategorie "Nachrichtenseiten“ – ein kleines bisschen Hilfe gibt es also schon. Prinzipiell kann jeder Nutzer auch eigene Feeds einspeisen, dazu benötigt er die URL. Die findet man bei vielen Seiten unter dem Stichwort "RSS“. Die meisten Dienste bieten zudem noch ein ausführliches How-to an.
1. Feedly
"Feedly“ ist der aktuell vermutlich beliebteste RSS-Reader. Die Plattform zeigt standardmäßig allerdings die Artikel nicht in streng chronologischer Reihenfolge an, sondern sortiert sie außerdem nach Popularität. Diese Option lässt sich mit einem Klick an- und ausstellen. Feedly hat ein sehr aufgeräumtes Layout.
2. The Old Reader
Wer es eher oldschool mag und Bock auf Web-2.0-Atmosphäre hat, sollte sich für "The Old Reader“ entscheiden. Nutzer können bis zu hundert RSS-Feeds kostenlos nutzen.
3. Inoreader
Der "Inoreader“ ist das genaue Gegenteil dazu: Die Plattform stellt die Feeds in Kacheln dar. Zusätzlich können Nutzer - ähnlich wie bei Google Alerts - bestimmte Stichworte tracken lassen.
Die Filterbubble wird bleiben
Ein Allheilmittel wider die Filterbubble sind RSS-Reader aber nicht. Denn wenn wir damit nur Medien und Blogs abonnieren, die unsere eigene Meinung widerspiegeln, verstärken wir die Filterblase nur. Wir müssen also gezielt auch mal eine Gegenmeinung reinholen, dann funktioniert das. Und: RSS-Reader wollen sorgfältig gepflegt werden, damit wir uns nicht selbst mit Nachrichten überfluten. Aber sie beweisen: Es geht auch mal ohne Algorithmen.
Sendung: Filter, 19. April 2018