Organisierter Aufstand Warum YouTuber*innen gegen ihre Plattform kämpfen
Viele Filmemacher*innen verstehen YouTubes Richtlinien nicht und fürchten um ihr Einkommen. Deswegen haben sie eine Vereinigung gegründet und YouTube eine Frist gesetzt: Entweder die Plattform verhandelt oder es gibt einen Shitstorm.
In seinen Videos testet Jörg Spraves selbstgebaute Waffen, von Schleudern bis Pfeil und Bogen. Sein Slingshot Channel hat über zwei Millionen Abonnent*innen auf YouTube. Bis vor Kurzem hat er mit dem auch noch gut Geld verdient – sogar seinen eigentlichen Job für die YouTube-Karriere aufgegeben. Sprave schaltete deswegen Werbung vor seinen YouTube-Videos. Das klappt inzwischen aber kaum noch, denn YouTube hat strenge Regeln beim Thema Monetarisierung eingeführt. Immer häufiger sperrt YouTube Videos für Werbeanzeigen, oft ist aber nicht klar wieso. Für die Macher*innen bedeutet das: plötzlich weniger Geld, obwohl sie damit planen.
"Für uns heißt das entweder wir schaffen es die Plattform zu verändern, oder unser Beruf ist hoffnungslos, und wir müssen uns etwas Anderes suchen. Das ist im Prinzip der Kern dieser Notlage."
Jörg Sprave, YouTuber
Gemeinsam für die Rechte von YouTuber*innen
Jörg Sprave hat deswegen die YouTubers Union gegründet, eine Bewegung von YouTuber*innen. 22.000 Mitglieder sind dabei, die inzwischen sogar von der größten Gewerkschaft der Welt unterstützt werden, der IG Metall. Gemeinsam haben sie die Kampagne FairTube gestartet. Ein organisierter Widerstand gegen YouTube.
"Das waren bisher vereinzelte Anstrengungen und jetzt ist es das erste Mal eine breite Massenbewegung. Und das ist quasi auch die ganze Geschichte der Gewerkschaftsbewegung. Ein einzelner kann wenig ausrichten, aber eine Gemeinschaft macht natürlich auch sehr stark."
Robert Fuß, Verantwortlicher für FairTube bei IG Metall
Verhandlungen oder Gericht
Die YouTuber*innen fordern vor allem mehr Transparenz von ihrer Plattform. Und sie wollen mitreden. Im Moment fühlen sich die Creator nämlich ausgeschlossen, unfair behandelt, und übergangen. YouTube sieht das anscheinend anders.
"Die YouTube Creator sind ein wichtiger Bestandteil des YouTube-Ökosystems. Deshalb schüttet YouTube den Großteil der Erlöse an die Creator und Partner*innen aus. Daneben müssen wir sicherstellen, dass unsere Nutzer sowie Werbetreibende auf YouTube ein sicheres Umfeld vorfinden. Um dieses Gleichgewicht herzustellen, stehen wir mit allen Akteuren im ständigen Austausch."
Statement YouTube
Waffen-YouTuber Jörg Sprave findet aber, dass die Zusammenarbeit mit der Plattform in eine krasse Schieflage geraten ist.
"Wenn das wirklich eine Partnerschaft ist, und so bezeichnet es YouTube ja, dann müssen sie das auch wie unter Partner*innen machen. Wenn zwei Partner miteinander arbeiten, dann müssen auch alle Beteiligten eine Entscheidungskompetenz bekommen."
Jörg Sprave, YouTuber
Die Kampagne FairTube hatte YouTube eine Frist gesetzt. Bis zum 23. August sollte YouTube auf die Forderungen von FairTube eingehen. 8 Stunden, 25 Minuten und 53 Sekunden bevor der Countdown endete, wurde die Uhr auf der Seite von FairTube angehalten. YouTube hat sich gemeldet. In einer Reaktion von Google Deutschland heißt es, dass es "ein hohes Interesse am Erfolg der Zufriedenheit der YouTube Creator" gebe. Um über die weitere Zusammenarbeit von YouTube und Youtuber*innen zu sprechen, hat Google die Kampagne FairTube zu einem Treffen ins Berliner Google-Büro eingeladen. FairTube hat das Gesprächsangebot angenommen, ein konkreter Termin steht aktuell noch nicht fest. Sollte bei den Verhandlungen nichts herauskommen, sind Shitstorm-Aktionen geplant und die Kampagne FairTube will vor Gericht ziehen.
Gefährlich für YouTube: Scheinselbstständigkeit
Denn ein großes Streitthema aus Sicht von FairTube ist, ob YouTuber*innen vielleicht Scheinselbstständige sind. Das glaubt zumindest die Kampagne FairTube. Scheinselbstständigkeit heißt, jemand arbeitet wie ein Selbstständiger, schreibt also zum Beispiel Rechnungen. Tatsächlich liegt aber ein ganz normales Arbeitsverhältnis vor. Bei den YouTuber*innen könnte das der Fall sein, weil sie vielleicht zu sehr von ihrem Big Boss YouTube abhängig sind. Sowohl finanziell als auch von dessen Entscheidungen.
Gabriele Leucht ist Expertin für Arbeitsrecht. Sie sieht zumindest im Moment keine Scheinselbstständigkeit bei YouTuber*innen vorliegen. Aber: "Wenn das so weitergeht, dass YouTube immer engere Vorschriften macht, weitere Videos löscht, ohne den YouTuber*innen zu sagen, weshalb, dann könnte es langsam in die Richtung von einem Arbeitsverhältnis gehen." YouTube selbst weist den Vorwurf der Scheinselbstständigkeit zurück.
"Anders als es hier behauptet wird, sind YouTube Creator aus rechtlicher Sicht keine Angestellten von YouTube."
Statement YouTube
YouTube sollte sich damit aber nicht allzu sicher sein. Dafür lohnt sich ein Blick auf den Fahrdienst-Vermittler Uber. Ein britisches Gericht hatte einen Fahrer dort als Scheinselbstständigen und damit als Angestellten von Uber anerkannt. Wenn das bei YouTube auch so durchgehen würde, müssten sie erst einmal richtig viel Geld nachzahlen: Rentenversicherung, Krankenkassenbeiträge, dazu käme das Recht auf Urlaub und Kündigungsschutz.
Letzte Chance für professionelle YouTuber*innen
Vor allem mittelgroße YouTuber*innen, solche mit 50.000 bis eine Million Abonnent*innen, sind von wegfallenden Einnahmen und dünner Kommunikation betroffen. Mit ihren Videos einfach auf eine andere Plattform auszuweichen, das geht für sie aber auch nicht. YouTube hat auf dem Videomarkt eine absolute Monopolstellung. Und so kämpft die YouTubers Union gemeinsam weiter gegen die Plattform, die sie ursprünglich mal so für ihre Freiheiten geliebt hat.
Sendung: PULS am 21.08.2019 - ab 14 Uhr.