Vom Model zur Autorin Das Buch von Cara Delevingne ist irre scheiße - und irre wichtig
Cara Delevingne ist Star-Model, Schauspielerin, macht Musik, ist Aktivistin, in allen Klatschspalten der Welt zu hause und hat ein Buch geschrieben. Letzteres hätte sie bleiben lassen sollen. Oder auch gerade nicht.
Vier krasse Loser gründen eine Band und – Boom – sind erstens geniale Musiker, fühlen sich zweitens miteinander endlich geborgen und lösen drittens auch noch einen Kriminalfall um eins der Bandmitglieder. Äh, ja. Das Storytelling in Cara Delevingnes Debutroman ist eher so TKKG für Brit-Rocker. Schreiben, bei aller Liebe, kann Cara Delevingne nicht. Gefühlt tauchen in diesem Buch nur zehn verschiedene Verben auf. Alle paar Seiten, zum Beispiel wenn jemand etwas ägerlich ausdrücken möchte, wird immer nur "geknurrt".
Außerdem benutzt Delevingne die allerschlimmsten Floskeln und eine Entwicklung gibt es bei keinem einzigen Charakter. Die Figuren sind zwar alle sehr verschieden, bleiben dann aber fein säuberlich im Rahmen ihrer schlecht geschnittenen Schablone. Dafür werden ständig null subtil Blicke zwischen den Charakteren hin und her geworfen, dass man denkt, man wäre in einer Ausgabe der Schwarzwaldklinik gelandet, die aus unerfindlichen Gründen auf einem Schulhof spielt. Gut, wie die Freunde feiern, wie sie chatten, wie sie miteinander umgehen, das wirkt alles sehr authentisch.
Kurz: "Mirror, Mirror" ist kein gutes Buch. Wirklich nicht.
Aber was Cara Delevingne kann - was sie auch in Interviews immer wieder beweist – ist in ihrer Position viel mehr wert, als handwerklich toll zu schreiben: Sie ist ein authentisches Vorbild dafür, dass niemand in eine Schublade passen muss. Und so macht sie, zumindest inhaltlich, dann doch einiges richtig. Cara Delevingne spricht in ihrem Buch nämlich sehr wichtige Themen an.
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Sie selbst labelt ihre Sexualität schon länger nicht mehr öffentlich. Sie war mit der Musikerin St. Vincent zusammen und davor mit Sänger und Schauspieler Harry Styles. Auch die Hauptfigur in ihrem Buch entdeckt eine andere Seite an sich. Wir Leser denken sehr lange, dass Red ein Junge ist. Red vergleicht sich ständig mit anderen Typen und schneidet schlecht ab: Zu schmächtig, zu klein, echt nicht männlich. Und Tatsache: Red ist ein Mädchen. Das wird aber erst klar, als sie ein anderes Mädchen küsst.
Das andere Mädchen ist die Sängerin der Band, die wie das Buch "Mirror, Mirror" heißt. So gut wie jede Figur in diesem Buch hat ein Spiegelbild, eine andere Seite. Red und ihre alkoholsüchtige Mutter, der immer öfter abwesende Vater, auch die anderen Bandmitglieder. Eltern sind in diesem Buch Nebensache oder deutlicher: Vollkommen nutzlos. Die Band ist die Familie.
Überraschung: Mädchen können mehr als hübsch sein
Allein, dass diese Band aus einem Jungen und drei Mädchen besteht, ist schon bahnbrechend. Klar, Delevingne spielt selbst Schlagzeug, so wie Red rein zufällig auch. Trotzdem: Diese Mädchen haben ein Hobby, sie haben Talent und das besteht nicht nur darin möglichst gut auszusehen. Und auch die einzige technik-affine Person im ganzen Buch ist: Ein Mädchen.
Das große Finale des Buchs ist im Detail so unglaubwürdig, dass ich das Buch am liebsten gegen eine Wand geworfen hätte. Aber auch hier: Die Aussage ist wichtig. Ein vermisstes Bandmitglied wird bewusstlos aufgefunden und wurde von einem Sexsklaven-Ring gefangengenommen. Wenn man diese Details ignoriert, dann bleibt aber eine eindeutige Moral: Bleib immer du selbst und vertrau dich Menschen an, denen du verstraust. Dann wird das schon, mit diesem komplizierten Leben.
Und so muss ich Zähne knirschend dann doch sagen: "Ja, is ganz okee. Danke, Cara".
"Mirror, Mirror" von Cara Delevingne ist im Fischer Verlag erschienen.
Sendung: Filter am 24.10.2017, ab 15 Uhr