Film // PressPausePlay Wunderwerker der Technik
Technik ist fantastisch und die digitale Revolution macht jeden zum Künstler. So weit, so platt. Schön, dass die Dokumentation "PressPausePlay" über die erwartbaren Plattitüden zur Kunst in digitalen Zeiten hinausgeht.
Den Auftakt der Dokumentation "PressPausePlay" macht Moby. Gewohnt salbungsvoll und meditativ schwadroniert der Musiker über die fantastischen neuen Technikmöglichkeiten. Und stellt fest, dass heute jeder Mensch besonders sein kann. Auch Robyn, Speech Debelle und die Kollegen von Hot Chip melden sich zu Wort, dazu Napster-Mitbegründer Sean Parker, Branchenvertreter der Musikindustrie und zahlreiche Journalisten. Und irgendwie sind sich fast alle einig: Jeder ist ein Künstler, Technik ist fantastisch, die Industrie ist tot.
Die Dominanz der globalen Kreativ-Masturbation
Natürlich sind die schwedischen Filmemacher David Dworsky und Victor Köhler nicht so naiv, der Technik-Euphorie komplett zu verfallen. Fast zwei Jahre lang sind sie um die Welt gejettet, um auch zahlreiche Kulturpessimisten für ihre Dokumentation zu interviewen. Die dunkelsten Visionen im Film spinnt sich dabei der britisch-amerikanische Internetkritiker Andrew Keen aus. Der ist Autor des Buchs "Die Stunde der Stümper". Von ihm kommen Statusmeldungen zur Lage von Kunst in digitalen Sphären wie folgende: "Verloren in einem Meer aus Müll". Für Keen dominiert im Internet die globale Kreativ-Masturbation, denn jeder kann mit minimalen Softwareanforderungen und minimalem Talent Kunst betreiben.
Damals, heute und morgen
Neben dem Negativ-Propheten Keen, der für die kommenden Jahre ein dunkles Kunstzeitalter verspricht, kommen auch die Nostalgiker zu Wort - die schmeißen im Film dann mit Floskeln der Marke "back in the days" um sich. Schön, dass der britische Popvisionär Bill Drummond nicht zu den Reaktionären zählt, die von den guten alten Zeiten schwärmen. Von ihm stammt die einfachste, aber auch präziseste Analyse: "Der Künstler kommt immer aus der Technik." Damit meint er: Jimi Hendrix hätte die E-Gitarre niemals selbst erfunden, aber er hat ihr revolutionäre Klänge entlockt. Im Zukunftsszenario, das am Ende von "PressPausePlay" entworfen wird, ist dann auch von ungewissen Wegen, spannenden Zeiten und vollkommener Hochspannung in allen Bereichen kreativen Schaffens die Rede.
Kostenlos und animierend
Die Conclusio von "PressPausePlay" ist demnach simpel, aber höchst motivierend: Technik ist fantastisch. Konsequent also, dass David Dworsky und Victor Köhler mit ihrem Film den digitalen Distributionsweg gehen: Nach einer ausgiebigen Tour auf Filmfestivals im Jahr 2011 steht "PressPausePlay" jetzt als Gratisdownload im Netz. Damit schenken sie der Internetgemeinde einen Film, der neben seiner stylischen Machart und einer Vielzahl an renommierten Interviewpartnern auch noch ordentlich Motivationskraft besitzt. Als wollten einem die Filmemacher sagen: Sei digital und werde kreativ – trotz all der Kulturpessimisten.
Das müsst ihr sehen: Dokumentationen zur Technikrevolution
1. "Das Netz" (2004)
Die Dokumentation des Künstlers Lutz Dammbeck fasziniert, denn sie erzählt eine assoziative und düstere Gründungsgeschichte des Internets. Immer wieder benutzt Dammbeck das Manifest des verurteilten Attentäters Theodore Kaczynski als Referenz, was ihm berechtigte Kritik einbrachte.
2. "RIP: A Remix Manifesto" (2008)
Eine Dokumentation über die Kultur von Covern, Remixes und Mashups, über Kreativität, Kultur und Demokratie. Die Hauptrolle hat dabei der kanadische Musiker Gregg Michael Gillis, besser bekannt als Girl Talk.
3. "Plug & Pray" (2010)
Humanoide Roboter, Cyborgs, Androide: Dokumentarfilmer Jens Schanze ist um die Welt gereist, um menschenähnliche Roboter zu suchen - und um herauszufinden, ob der Mensch eines Tages durch die Technik ersetzt wird. Ein preisgekrönter Dokumentarfilm, den man gesehen haben muss.