Interview mit dem "The Walking Dead" Zeichner Charlie Adlard "Der TV-Serie haben wir mit dem Ende von The Walking Dead einen Gefallen getan"
Die Comic-Reihe "The Walking Dead" wurde überraschend beendet. Wieso das nicht nur für Comic-Fans, sondern auch Serien-Nerds einiges verändern könnte und was der Comic besser macht als "Game of Thrones", erzählt Zeichner Charlie Adlard im Interview.
"The Walking Dead" hat den Zombie-Hype vor einigen Jahren ordentlich befeuert und gilt als der Blueprint für Comics, die erfolgreich zu Serien werden. Während die Serie noch läuft, ist die Comicreihe völlig überraschend zu Ende gegangen, ohne jede Vorankündigung.
Seit 2003 kamen die die Comic raus, geschrieben von Robert Kirkman (der auch für die Serie "Outcast" die Vorlage lieferte), seit 2004 gezeichnet von Charlie Adlard. Mit ihm haben wir über das Ende einer der populärsten Comicreihen gesprochen.
PULS: Seit wann wusstest du, dass die Serie enden wird?
Charlie Adlard: Robert und ich haben das Ende seit vier Jahren geplant und seitdem geheim gehalten. Es war eine gemeinsame Entscheidung. Ich hatte Robert geschrieben, dass ich einen Endpunkt für die Serie brauche. Bis dahin haben wir immer - halb im Spaß - gesagt: "Haha, diese Serie wird für immer laufen". Ich dachte irgendwann so: für immer ist eine ganz schön lange Zeit. Auch bei einer Serie, die einem so wichtig ist, wie uns "The Walking Dead", merkt man irgendwann: Man braucht immer ein Ende und das muss klar sein, damit man auf diesen Punkt hinarbeiten kann. Wir haben uns also zusammengesetzt und überlegt, wie genau die Geschichte ausgehen kann.
Vier Jahre sind eine sehr lange Zeit.
Es war keine einfache Entscheidung. Eine gute Geschichte muss gut beendet werden – das braucht auch seine Zeit. Ich bin sehr froh, dass wir die hatten.
Ohne Spoiler: Bist du zufrieden mit dem Ende?
Robert hat mir nach unserer Entscheidung, die Serie enden zu lassen, gesagt, wie das Ende sein soll. Bei dem ist es auch geblieben. Wir wollten kein "Game of Thrones"-Szenario, bei dem das Ende unnötig schnell herbeigeführt wird. Ich bin total stolz auf uns, dass das Ende so gut geworden ist. Die Charaktere haben viel durchgemacht – und nur so kann es enden. Ich hätte mir kein besseres Ende wünschen können. Das sage ich nicht nur, weil ich 50 Prozent von "The Walking Dead" bin. Es ist eins der besten Skripte, die Robert je geschrieben hat - und die letzten 16 Jahre haben darauf hingeführt.
Zeichner arbeiten ja nicht immer chronologisch. Erinnerst du dich daran, welches Bild du zuletzt gezeichnet hast?
Ich muss unbedingt chronologisch arbeiten! Sonst habe ich kein Gespür für die Geschichte und ihren Flow. Deswegen war das letzte Bild der Ausgabe auch wirklich das letzte Bild, das ich gezeichnet habe. Das war sehr eindringlich. Ich habe nicht einfach auf Seite 36 geendet (lacht). Aber es war ein seltsamer Tag, wie eine leichte Depression. Es ist schön, dass wir alles zu unseren Bedingungen machen konnten. Aber klar, ein wichtiger Teil fehlt auf einmal. Es ist ein leereres Gefühl, als ich erwartet hatte.
Ihr habt euch echt Mühe gegeben, damit niemand das Ende vorhersehen konnte. Wieso habt ihr das überhaupt gemacht?
Wir hatten schon immer den Plan, dass es drei Fake-Cover für weitere Ausgaben gibt, damit alle denken, da würde echt noch was rauskommen. Natürlich haben wir auch Glück, wir arbeiten mit dem Image Verlag zusammen, der ja eher Indie ist. Wir mussten niemandem sagen, was unsere Pläne sind - bei gigantischen Verlegern wie Marvel oder DC geht das nicht. Die wollen schon wissen, was du machst. Robert Kirkman hat bestimmten Kollegen im Verlag Bescheid gegeben, was wir vorhaben. Ich habe nur sehr engen Freunden davon erzählt. Mit der Warnung: Wenn es bekannt wird, muss ich dich umbringen (lacht).
Überall sonst ist es aktuell der Trend, dass Produkte auf einmal wie aus dem Nichts auftauchen. In der Musik zum Beispiel, Alben und Singles von Radiohead oder David Bowie. Wir machen das Gegenteil. Wir sind einfach weg. Dafür bekommen wir vielleicht auch Kritik. Und auch finanziell ist das natürlich keine gute Idee. Sicher werden einige Fans enttäuscht sein, dass sie nicht vorgewarnt wurden. Aber die meisten Nachrichten, die ich bekommen habe, waren super. Ich glaube viele verstehen uns. "The Walking Dead" hat immer überrascht. Es ist doch nett, mit einer Kontroverse zu enden und nicht mit so einem "hmm, naja, interessiert sowieso niemanden".
"The Walking Dead" war wichtiger Teil im Zuge des ganzen Zombie-Hypes. Sind Zombies in der Popkultur jetzt endgültig tot?
Wenn eine Geschichte gut ist, funktioniert sie immer. Die Frage ist also nur: Hat jemand eine Geschichte zu erzählen? Zombies selbst sind ja die stumpfesten und uninteressanten Monster. Dracula, Frankenstein - das sind interessante, komplexe Charaktere. Deswegen kommt es bei Zombies auf die Menschen an. Wenn das Konzept gut ist, dann sterben Zombies nicht. Außerdem werden wir in diesem Genre ja jetzt eine Leerstelle hinterlassen, die jemand anderes nutzen könnte – weil wir keine Konkurrenz mehr sind. Vielleicht tun wir damit jemandem einen Gefallen, wer weiß?
Dass aus "The Walking Dead" eine so erfolgreiche TV Serie geworden ist, hat einen Trend ausgelöst: Immer mehr Comics werden zu Serienvorlagen. Kannst du dir vorstellen, dass das Ende der Comics sich auch auf die TV Serie "The Walking Dead" auswirken wird?
Die Comics haben ja einen massiven Einfluss auf die TV Show. Die Sendung nimmt die Handlung, die Charaktere, einfach alles aus unseren Comics. Jetzt kommt es drauf an, wie lang die Serie noch läuft. Sie haben ja noch eine ganze Storyline aus den Comics, bevor sie die Vorlage überschreiten - wie "Game of Thrones" oder "Handmaid's Tale". Dann müssen sie eine eigene Geschichte erzählen. Vielleicht ist es sogar gut für die Serie, zuletzt wurde sie stark kritisiert. Ich kann dazu nix sagen, ich habe die nur bis Staffel 4 gesehen. Das fühlt sich für mich immer zu sehr nach Hausaufgaben an.
Die Serie musste ja unserer Handlung folgen, aber hinter uns bleiben. Und gleichzeitig brauchte die Sendung mehr Handlung, als Robert und ich produzieren konnten. Also zeitlich war die TV Serie den Comics dicht auf den Fersen. Deswegen haben die Macher der TV Serie sich zurückgehalten. Und mussten trotzdem die Folgen irgendwie füllen. Wenn jemals eine Staffel 12 rauskommen sollte, könnte es echt spannend werden, weil die TV Serie sich nicht mehr an uns und unsere Comic halten muss.
Was war der schönste Moment in eurer Zusammenarbeit?
Robert und ich haben mal an einer Story gearbeitet – ich muss da jetzt unspezifisch bleiben, ich weiß nicht, ob Robert will, dass das offiziell wird – aber als er alles geschrieben hatte und es mir zu lesen gab, habe ich Robert geschrieben "Ah ja, okay, aber es wäre auch interessant, wenn in der Geschichte dies und jenes passieren würde." Normalerweise mische ich mich nicht in seine Arbeit ein und er sich nicht in meine. Am nächsten Tag schreibt er zurück: "Ich kann nicht glauben, dass du das gemacht hast. Jetzt muss ich die Hälfte des Skripts ändern." Er hat einfach einen wichtigen Handlungsteil umgeschrieben. Das zeigt, wie flexibel wir zusammengearbeitet haben. Als Künstler musst du bereit sein, Kritik zu akzeptierten und etwas zu ändern, wenn eine andere Idee besser ist. Ich erinnere mich gerne an den Moment und respektiere ihn dafür sehr.
Was kommt jetzt für dich?
Ich entspanne mich erstmal. Ich arbeite gerade an mehreren Sachen, "Vampire State Building" habe ich vor kurzem in Frankreich veröffentlicht. Dann kommt noch etwas im Oktober oder November. Und Robert hat versprochen, ein Buch zu beenden, das wir vor Jahren angekündigt haben: "The Passenger". Jetzt wo es den Film gibt, werden wir es sicher anders nennen. Robert und ich werden also wieder was zusammen machen. Aber eins werde ich nicht mehr machen: Eine fortlaufende Serie, niemals wieder (lacht).
Die letzte Ausgabe von "The Walking Dead" kommt in Deutschland im Band 32 raus und erscheint am 16. Oktober.
Die Comics von "The Walking Dead" gibt es auf Englisch im Image Verlag und erscheinen auf Deutsch bei Cross Cult.
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Sendung: PULS vom 05.07.2019 – ab 15 Uhr.