Serie // "Stadtgeschichten" Modern Family, aber richtig
Armistead Maupins Stadtgeschichten über eine Transfrau in San Francisco und die Bewohner ihres queeren Mehrgenerationenhauses waren Ende der 70er revolutionär. Netflix setzt sie jetzt als nicht ganz jugendfreie Familienserie fort.
Diese Serie gehört auf eure Watchlist, wenn... ihr das Drama und das heimelige Glücksgefühl von "This is Us" liebt, in "Transparent" mit Maura und ihrer Familie mitgelitten habt und gern Teil gewesen seid von der diversen Ballroom-Wahlfamilie in "Pose" .
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Anna Madrigal hat Geburtstag und die komplette LGBTQIA+-Community von San Francisco feiert in ihrem Vorgarten. Sie ist eine Institution in ihrer Stadt: Ihre Geburtstagstorte geht auf Kosten der Bäckerei und eine Filmemacherin dreht eine Doku über sie. In ihrem Haus in der Barbary Lane 28 versammelt die alte Dame Menschen aller Generationen um sich und wer bei ihr wohnt, wird automatisch Teil ihrer großen Familie - so wie Shawna, die Tochter eines ehemaligen Mieters, ein Influencer Zwillingspaar, ein schwuler Langzeitmieter in seinen 50ern und ein queeres Pärchen.
Wir lernen die Community um Anna Madrigal mit Mary Ann Singleton kennen, die extra zu diesem Anlass in der Stadt ist. Vor 23 Jahren war sie auch eine von ihnen. Zwischen ihr und der Barbary Lane liegen jetzt zwei Jahrzehnte, eine steile Karriere und eine Beziehung, die sie zusammen mit ihrem Kind in San Francisco zurück ließ. So sieht's jedenfalls erstmal aus. Aber in "Tales of The City" - in der deutschen Version "Stadtgeschichten" - ist nichts so einfach, wie es scheint.
Klischeefrei - aber nicht jugendfrei
Wie genau die etwas spießige und hektische Mary Ann Singleton in diesen Kreis passt, erfahren wir nur sehr langsam und leider auch erst nach der sperrigen ersten Folge. Wir könnten es aber auch in den Büchern von Armistead Maupin nachlesen - oder bei Wikipedia. Denn Mary Ann Singelton ist schon eine der Hauptfiguren des ersten Tales-Romans, den Maupin Ende der 70er-Jahre veröffentlicht hat - inzwischen sind acht weitere dazugekommen. Seine Geschichte über eine transsexuelle Frau in San Francisco und die Bewohner ihres wunderbaren, queeren Mehrgenerationenhauses war vor 40 Jahren revolutionär. Netflix gibt sich (wie schon bei den ebenfalls divers besetzten Serien "Sense 8", "Orange is The New Black" und "Pose") größte Mühe daran anzuknüpfen. Nicht so sehr mit einer superoriginellen Handlung, sondern in der Art, wie sie umgesetzt wurde. Die Sex-Szenen zwischen schwulen, bisexuellen oder lesbischen Paaren sind direkt, zärtlich und völlig frei von Kitsch und Klischees. Die Besetzung und auch die Drehbuchautoren sind selbst so queer und vielfältig wie die Seriencharaktere. Sie wirken dadurch sehr authentisch - wie Jake, ein Latinx-Trans-Mann, der nach seiner Transition mit seiner Sexualität und seiner Beziehung kämpft.
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Stadtgeschichten | Teaser [HD] | Netflix
"Stadtgeschichten" ist eine nicht ganz jugendfreie Familienserie. Sie zeigt eine Seite von San Francisco, die man in Familienserien wie "Full House" oder "Charmed" sonst nicht sieht: die queere Seite. Die 90-jährige Anna ist eine Transfrau, die schon in den 60ern um ihre Rechte gekämpft hat. In einer Flashback-Episode sehen wir sie auch in jungen Jahren, gespielt von einer Trans-Schauspielerin. Alle Figuren, egal wie spießig oder schrullig, haben in ihrem Leben viel durchgemacht und aus vielen verschiedenen Perspektiven erlebt, wie sich die Gesellschaft langsam öffnet.
Ich find's total schön, wie die Serie Menschen in jeder Stufe ihres Lebens und deren Beziehungen zueinander zeigt. Das ist sehr mitfühlend und glaubwürdig, zeigt aber auch, wie schwierig es innerhalb der LGBTQIA+-Community zum Teil ist, den richtigen Ton zu treffen.
Alle zehn neuen Folgen von "Stadtgeschichten" gibt's bei Netflix. Da findet ihr auch die Originalserie "Tales Of The City" von 1993 mit Laura Linney, Olympia Dukakis und Paul Gross, die auch in der Fortsetzung von Netflix wieder mitspielen.
Was Sexszenen in Serien mit uns machen, hört ihr im PULS Serienpodcast Skip Intro:
In "Game Of Thrones" stehen explizite Sexszenen auf der Tagesordnung - und sind gar nicht mal so unproblematisch. Andere Serien wie "Sex Education" und "Easy" gehen viel sensibler und realistischer mit Sex um. Aber eins haben diese Serien trotzdem gemeinsam: Sex ist nicht wegzudenken. Warum, diskutiert Vanessa Schneider mit Ariane Alter vom "Sexpodcast Im Namen der Hose" in einer Podcast-Crossover-Folge. Abonniert Skip Intro hier.
Sendung: Hochfahren vom 03.07.2019 – ab 7 Uhr.