TV & Serie // DARK Der Horror lauert im Reihenhaus
Eine Kleinstadt, zwei verschwundene Jungs und ein geheimnisvoller Zeitspalt: Die erste deutsche Serie von Netflix "DARK“ ist eher Stephen King als Steven Spielberg und könnte das neue "Stranger Things“ werden – Made in Germany.
Anfang der 90er wurde "Raider“ in "Twix“ umbenannt, weil der karamellige Schokoriegel in Europa genauso heißen sollte, wie das amerikanische Original. Wer jünger ist als 35, hat von dem alten Namen höchstens mal gehört – bald wird ihn wieder jeder kennen. Der Riegel hat nämlich eine Nebenrolle in der ersten deutschen Netflix-Serie "DARK“. Der Claim der Werbung zur Umbenennung war damals: Ein Geschmack, zwei Verpackungen. Das gleiche könnte man auch über "DARK“ und "Stranger Things“ sagen. Aber "DARK“ ist mehr als nur die deutsche Verpackung für eine amerikanische Idee.
Im kleinen Ort Winden verschwinden im Herbst 2019 kurz nacheinander zwei Jungen ohne jede Spur. Kurz zuvor hat sich ein Mann scheinbar ohne Grund erhängt, dann stürzt auch noch ein Schwarm Vögel tot vom Himmel. Die Alteingesessenen sind alarmiert: Vor 33 Jahren spielten sich ähnlich ominöse Dinge ab. Damals verschwand der kleine Mads Nielssen.
Sein älterer Bruder Ulrich ist jetzt Polizist in Winden - und einer der beiden vermissten Jungs ausgerechnet sein Sohn Mikkel. Zum letzten Mal wurde Mikkel mitten im Wald gesehen, in der Nähe einer Höhle, die an das örtliche Atomkraftwerk grenzt. Auch das ist genau wie bei Ulrichs Bruder Mads vor 33 Jahren. Der kleine Mikkel stolpert etwas lädiert, aber fit wieder aus dem Felsloch heraus – mitten ins Jahr 1986, während in der Gegenwart fieberhaft nach ihm gesucht wird.
Alles hängt zusammen - irgendwie, irgendwo, irgendwann
Für eine durchschnittliche Serie würde diese Handlung wahrscheinlich reichen. In "DARK“ ist es nur ein Strang von vielen. Die Serie spinnt ein dichtes, unübersichtliches Netz zwischen vielen Figuren aus vier Familien und über drei Zeitebenen: Nachkriegszeit, betongraue 80er und die noch tristere Gegenwart. Ob dieses komplexe Geflecht am Ende aufgeht, muss sich noch zeigen. Aber wenn es wie in den ersten drei Folgen weitergeht, dann haben die Serienschöpfer Jantje Friese und Baran bo Odar alles bestens durchdacht.
Die beiden Filmemacher sind Netflix durch ihren stylishen Cyberthiller “WhoAmI” (2014) aufgefallen. Ohne Serienerfahrung haben sie "DARK" wie einen zehn Folgen langen, düsteren und super-spannenden Film konzipiert. "DARK“ trägt anders als "Stranger Things“ nicht die Handschrift von Jugend-Romantisierer Steven Spielberg, sondern von Gruselmeister Stephen King. Dieser Grusel kriecht aus den Fugen der Vorort-Klinkerbauten, breitet sich über der biederen deutschen 80er-Tristesse aus und zeigt sich in der Doppelmoral der Kleinstädter.
Der Grusel lauert hinter Klinkerfassaden
Odar und Friese verweben typisch deutsche Themen mit einer globalen, coolen Bildsprache, die wir viel zu selten im deutschen Fernsehen zu sehen kriegen. Die Ausstattung ist detailverliebt und überladen mit Referenzen. Das fängt an beim Schokoriegel-Papier und endet bei Kochbüchern, die wir aus den Regalen unserer Mütter oder Omas kennen. "DARK“ weckt ein behagliches Gefühl von Zuhause, obwohl die Serie in Zeiten spielt, die wir zumindest teilweise gar nicht miterlebt haben können und an Orten, die es gar nicht gibt.
Genau diese Heimeligkeit hat schon "Stranger Things“ zum weltweiten Hit gemacht. Das Zeug dazu hätte "DARK" auch. Aber können sich internationale Netflixgucker auch mit der deutschen Popkultur der 80er identifizieren, die doch ganz schön speziell ist? "Deutschland 83“ hat bewiesen, dass die deutschen Eigenheiten auch den Rest der Welt zumindest faszinieren können. Nostalgie, ein generationenumspannendes Mysterium und großartige Darsteller, wie Berlinale Shootingstar Louis Hofmann - es müsste schon sehr viel schiefgehen, dass aus "DARK“ nicht auch ein Hit wird.
"DARK“ ist ab dem 01.12.2017 bei Netflix abrufbar.
Sendung: Hochfahren, 29.11.2017 ab 07 Uhr