Interview mit den Machern von "DARK" "Für uns ist die Serie DARK total deutsch"
Mit der zweiten Staffel ist die erste deutsche Netflix-Serie "DARK" die derzeit beliebteste beim internationalen Rankingportal IMDb. Wir hatten schon zum Beginn der Serie mit den Machern Jantje Friese und Baran bo Odar gesprochen.
Eine triste, deutsche Kleinstadt in der Kinder verschwinden, düstere Familiengeheimnisse und ein Zeitcrack in einer geheimnisvollen Höhle – das ist das Setting für die erste deutsche Eigenproduktion von Netflix. Umgesetzt wurde sie von Drehbuchautorin Jantje Friese und dem Regisseur Baran bo Odar, die beide an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film studiert haben. Eigentlich drehen die beiden zusammen Filme, wie 2014 den super stylishen Cyberthriller "WhoAmI" mit Tom Schilling. Der hat sie auch auf das Radar von Netflix gebracht. Ohne vorherige Serienerfahrung haben bo Odar und Friese "DARK" einfach wie einen zehn Folgen langen, düsteren und superspannenden Film konzipiert, der viele Fragen offen lässt. Die Idee ist aufgegangen: gerade wurde die zweite Staffel von "DARK" angekündigt.
PULS: Wisst ihr noch, wie ihr die Story zu "DARK" bei Netflix gepitcht habt?
Baran bo Odar: Netflix hatte unseren Film "WhoAmI" gesehen. Sie fanden ihn toll und fragten uns, ob wir uns vorstellen könnten, daraus eine Serie zu machen. Aber wir haben sofort gesagt, dass wir uns ungern wiederholen und von Hackern hatten wir jetzt auch genug. Also haben wir ein paar Ideen gepitcht, die wir in der Schublade liegen hatten. Bei "DARK" war es diese "Familiensaga trifft auf Zeitreisen"-Idee und auch was es mit den Leuten macht, dass man die Figuren in den unterschiedlichen Altersstadien wieder sieht - als alte Frau, als Mutter und als Kind. Das war grob der Pitch. Das fand Netflix wahnsinnig spannend, weil es natürlich so viele Möglichkeiten für eine Serie eröffnet.
Man hört immer wieder, dass Netflix mit den internationalen Eigenproduktionen auch speziell regionale Eigenheiten der Herkunftsländer erzählen möchte. Was ist denn an "DARK" speziell Deutsch?
Friese: Für uns ist die Serie total deutsch. Alles wurde in Deutschland gedreht, mit deutschen Schauspielern und wir sind deutsche Filmemacher. Es ist einfach komplett deutsch, durch und durch. Aber auch in dem, was wir betrachten: Wir gucken uns im Prinzip drei Zeitebenen an: 2019, 1986 und 1953 - also unter anderem die Nachkriegszeit, den Aufschwung in den Achtzigern. Das sind Jahre, die für dieses Land sehr prägend waren, auch wenn sie in der deutschen Filmgeschichte noch nicht so sehr beleuchtet wurden. Von daher ist da definitiv auch deutsche Identität drin.
Odar: Zum Beispiel das Thema Atomenergie und Tschernobyl. Es war lustig mit Netflix darüber zu reden, denn die kennen diese Thematik so gar nicht - mit Tschernobyl, dem sauren Regen und die Ur-Angst davor, die wir in unserer Generation in Deutschland hatten. Das Thema finde ich auch wahnsinnig deutsch, aber auch unser Blick auf die Achtziger, wie wir sie kennen und eben nicht der von "Miami Vice" sondern dieses leicht biedere, Nena-hafte.
"DARK" ist eine sehr referenzielle Serie. Auch weil es viele Anspielungen auf die Popkultur der 80er und von heute gibt - seien es Mode, Musik oder die Werbung von Schokoriegeln. Das ist sehr detailverliebt. War das von vornherein Teil eures Konzeptes?
Friese: Wir sind sehr konzeptionell in den Dingen, die wir machen. Das hat man, glaube ich, ja auch bei "WhoAmI" schon gesehen. Ich nenne das immer "Clustering". Wir sind beim Schreiben Freunde der Collage und des ewigen Kontextes: Was passiert, wenn ich diese Puzzleteil mit dem Puzzleteil in Kontext setze? Was passiert, wenn ich drei Ebenen zusammen bringe? Da geschieht ja ganz ganz viel in der Collage oder im Clustering und das interessiert uns als Erzählmethode sehr. Bei "DARK" ist es natürlich extrem, weil es so viele Erzähllevel gibt. Es gibt viele Figuren, alles hängt irgendwie mit allem zusammen - das ist ja wie ein Spinnennetz. Wie das alles zusammenhängt, das kriegt man eben Folge für Folge mit - und dann am Ende ein Gesamtbild.
Andere Serienmacher aus dem Ausland, die schon für Netflix gearbeitet haben, erzählen immer, dass sie große kreative Freiheit hatten. Habt ihr das auch so erlebt, oder ist das ein Mythos?
Jantje Friese: Total. Und es war für uns auch sehr befreiend, weil man im Erzählen und im Machen nicht so überwacht und eingeschränkt wird. Die Philosophie ist eher: "Wir suchen uns die Kreativen, die für uns passen und dann unterstützen wir deren Vision." Sie beschneiden dich nicht im Sinne von "Naja, das finde ich jetzt nicht so gut, mach doch mal lieber dies, lass doch die Figuren lieber xy machen”, oder so. Es gibt natürlich trotzdem "Notes", aber die sind eigentlich immer dafür da, deine Vision zu stützen und das ist sehr toll.
Es gibt auch Referenzen zu Serien und Filmen, die schon existieren: Die Neuverfilmung von Stephen Kings "ES", aber auch Mystery-Serien wie "Stranger Things", "The OA", "Akte X" und "Weinberg" - passt das so ungefähr?
Friese: Das finde ich immer interessant, weil ich glaube, dass wir eine Generation an Filmemachern sind, die einfach in der gleichen Zeit groß geworden sind. Und diese 80er-Nostalgie oder auch dieses "Geheimniserzählen" scheint was zu sein, was die jetzige Filmemachergeneration einfach interessiert. Wir haben keine Referenzen zu "Stranger Things" oder "The OA", weil wir schon im Dreh waren, als diese Serien rauskamen. Aber es ist auf jeden Fall interessant zu sehen, dass es da irgendeine Wahrheit zu geben scheint oder ein Interesse, dass in dieser Generation von Filmemachern immer wieder bearbeitet wird. Stephen King ist aber definitiv eine Referenz, gerade auch "ES". Der Originalfilm hat uns als Teenager ziemlich verstört und war sehr prägend für alles, was wir danach gemacht haben.
Das heißt aber auch, dass ihr von "Stranger Things" und "The OA" nichts wusstet, als ihr mit "DARK" angefangen habt?
Friese: Solche Bewegungen gibt es ja öfter, wo bestimmte Themen oder Motive gleichzeitig genutzt werden. Das hat aber am Ende auch nur damit zu tun, dass wir wahrscheinlich alle die gleichen Filme konsumiert haben, als wir klein waren oder die gleichen kulturellen Besonderheiten und Ereignisse mitbekommen haben - und daraus schöpft man dann.
Odar: Ich glaube, dass die alle auch was von J.J. Abrams‘ Film "Super8" haben und der wiederum hat ganz klar was von Stephen King. Man kann alles auf Stephen King zurückführen. Der hat mit Geschichten von jungen Menschen, die sich dem Erwachsenwerden stellen müssen, auf Horror-Ebene eine Generation geprägt. Seine Geschichten "Stand By Me" und "ES" haben ja nicht nur uns geprägt, sondern viele Filmemacher aus dieser Generation. Und ich wette mit dir, dass die Duffer-Brothers (Anm. d. Red.: die Macher von “Stranger Things”) auch sagen könnten, dass Stephen King ganz, ganz großen Einfluss auf sie hatte.
2017 war ein sehr spannendes Serienjahr für Deutschland: "You Are Wanted" bei Amazon, "4 Blocks" bei TNT, dann "Hindafing" beim BR, "Babylon Berlin" bei Sky und jetzt "DARK" bei Netflix. Das sind alles sehr gute Serien. Habt ihr das Gefühl, da passiert gerade was in Deutschland?
Friese: Auf jeden Fall glaube ich, dass man sich mehr traut und die neuen Player dabei helfen: Netflix, Amazon, TNT, Sky - das öffnet den Raum andere Geschichten zu erzählen und ich finde das ganz großartig. Diejenigen, die jetzt Geschichten erzählen, gehen ein bisschen mehr über das hinaus, was man schon so kennt. Ich hoffe, dass da in den nächsten Jahren auch noch sehr viel mehr folgt.
Odar: Es hilft einer Branche auch immer, wenn die Serie nicht nur im Inland gesehen wird sondern eben auch international Anerkennung bekommt - wie zum Beispiel vor einigen Jahren bei der dänischen Produktion "The Killing". Das passiert, glaube ich, jetzt gerade und das ist sehr gut.
Über die zweite deutsche Netflix-Serie "How To Sell Drugs Online (Fast)" :
"DARK" ist die erste deutsche Netflix-Serie gewesen und gilt als Erfolgsmodell. Das neue deutsche Seriengeschwisterkind ist "How To Sell Drugs Online (Fast)", in der Schüler Moritz zum Teenager Walter White wird. Aber wie werden Serien überhaupt gemacht? Skip Intro Host Vanessa Schneider hat mit dem Produzenten Matthias Murmann (Böhmermanns Neo Magazin Royale) darüber gesprochen, wie die Serie "How To Sell Drugs Online (Fast)" entstanden ist und was Jonathan Frakes damit zu tun hat. Abonniert Skip Intro hier.
Sendung: PULS Spezial Streaming Revolution am 25.12.2017 ab 18 Uhr