Autos für Europa und Rasieren gegen Sexismus Warum Politik als Werbemessage funktioniert
Europa geht steil – zumindest als Werbethema. Bilderbuch haben einen großen Hype ausgelöst mit ihrem Tool, das einen europäischen Pass ausspuckt. Sie sind aber nicht die einzigen, die Werbung mit politischen Botschaften verbinden.
Europa und sexy? Ja, das ist kein Widerspruch. Opel hat ja gerade einen Werbespot laufen, in dem eine Stimme sagt: "Danke Europa!". Während die Autos durch europäische Altstädte fahren, läuft im Hintergrund "Ode an die Freude", die europäische Hymne.
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Opel - 120 Jahre Opel Sondermodelle | TV Spot 2019
Aber woher kommt auf einmal die große Liebe zu einem so heiß diskutierten Thema wie Europa bei Unternehmen, die meistens alles tun, um politische Fragen zu vermeiden?
Werbung auf Social Media funktioniert über Diskussion
Im Fall von Opel ist es so: Das Thema Europa hat gerade viele Fans, aber auch ein paar Gegner. Praktisch, denn genau so funktioniert Marketing heute. Aufmerksamkeit bekommt man vor allem im Netz. Da wird gerne diskutiert und Unternehmen verstehen durch Facebook, Instagram und Twitter überhaupt erst so richtig, wie ihre Kunden ticken, hat der Werbeexperte Christian Henne rausgefunden.
"Heute kommen die Themen täglich in Dialogform, mit einer ordentlichen Rückkopplung auf. Und die Marken sehen das. Damit ist die Bedeutung von Gesellschaft, Politik und Verbraucher aus Sicht der Marken signifikant gestiegen."
Christian Henne, Werbefachmann beim Munich Digital Institute
Heißt im Umkehrschluss: Wer in den sozialen Medien erfolgreich mitmischen will, sollte sich in Diskussionen einschalten.
Themen wie Europa oder neue Männlichkeit haben wenig Risiko
Auch der Rasiererhersteller Gillette lehnt sich in seinem neuen Werbespot gesellschaftspolitisch aus dem Fenster: In dem Clip feiern Männer einen neuen Typ Männlichkeit – nämlich einen, der sich Sexismus und Aggressivität entgegenstellt. Eine echte Kampfansage an alle Machos und Männer von gestern.
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We Believe: The Best Men Can Be | Gillette (Short Film)
Allerdings ist dieses Thema eigentlich schon durch – die Mehrheit steht bei der #MeeToo-Debatte auf Seite der Frauen. Auch Männer.
"Unternehmen sind sehr sensibel dafür, wann eine Gesellschaft so eine Art Meilenstein passiert, wo die Mehrheit der Leute eine bestimmte Einstellung hat und zum Beispiel sagt: 'Homoehe ist in Ordnung‘ oder 'Toxische Männlichkeit – das müssen wir uns mal anschauen‘. Dieses 'Indianerherz kennt keinen Schmerz‘ – das ist eigentlich überholt."
Jonathan Mall, Neuropsychologe
Die Unternehmen riskieren also nicht, dass ihnen große Kundenschichten wegbrechen. Ganz im Gegenteil: Weil viele eine positive Einstellung zu Anti-Sexismus haben, hoffen die Unternehmen, diesen positiven Spirit auch auf ihr Markenimage zu übertragen.
Der Haken an der Sache: Unternehmen müssen sich messen
Es hat aber auch einen kleinen Nachteil, wenn sich ein Unternehmen so klar politisch äußert. Denn es wird von dann an seinen eigenen Aussagen gemessen. Sollten zum Beispiel die französischen Besitzer von Opel irgendwann mal sagen: Wir machen ein Werk in Deutschland dicht. Dann könnte man ihnen vorhalten: Ihr wart doch immer für Europa.
Sendung: Filter, 19. Februar 2019, ab 15 Uhr