Fünf Jahre Occupy Wo sind die 99 Prozent?
Vor fünf Jahren ist die Occupy-Bewegung an der Wall Street gestartet. Ihr Slogan: Wir sind die 99 Prozent! In Protestcamps auf der ganzen Welt forderten Menschen mehr soziale Gerechtigkeit und weniger Superreiche. Aber wo ist die Bewegung hin?
"Zwingt die Banken in die Schranken" und "Jagt die Zocker vom Börsenhocker" haben die Occupier auf ihre Plakate geschrieben und damit gegen die Macht der Banken und soziale Ungerechtigkeit protestiert. Die Demonstranten haben sich als Stellvertreter der 99 Prozent der Weltbevölkerung verstanden, die dem einen reichsten Prozent der Bevölkerung gegenüberstehen. Der Schauspieler und Kabarettist Ludo Vici hat die Proteste in München mitorganisiert.
"Als mir klar wurde, wie das Finanzsystem funktioniert und wie das Argument der ewigen Schulden missbraucht wird, habe ich mich umgeschaut, was ich tun könnte. Ich war eine Zeitlang bei den Piraten. Als ich dann mitgekriegt habe, dass sich Occupy formiert bin einfach hingegangen."
Ludo Vici
Gestartet ist Occupy vor fünf Jahren an der Wall Street in den USA. Von da ging der Protest um die Welt - von Armenien bis Südkorea diskutierten Demonstranten in Protestcamps basisdemokratisch über ihre Idee von einer gerechteren Welt. Mit dabei waren Bauarbeiter, Professoren, Studenten, Rentner, Menschen verschiedener Religionen, Gesinnungen und Nationalitäten - und einige bekannte Persönlichkeiten: zum Beispiel die Künstler "Yes Men", der Ethnologe David Graeber und New Yorks ehemaliger Bürgermeister Michael Bloomberg.
Heute, fünf Jahre später, sind die Camps längst aufgelöst. Die Ideen der Bewegung gelten als zu abstrakt, als unrealisierbar. In Deutschland sammeln sich politisch Unzufriedene nicht mehr in bunten Protestcamps, sondern bei AfD und Pegida. Und das hat einen Grund, sagt Ludo Vici.
"Die ganze AfD Nummer ist natürlich spektakulärer: einfacher zu fassen, schneller unter Überschriften zu pressen. Das war bei Occupy nie der Fall. Man musste Hintergrundwissen mitbringen und sich hinsetzen. Information ist Arbeit."
Ludo Vici
Doch das, wogegen Occupy protestiert hat, gilt heute genauso wie vor fünf Jahren: Managergehälter sind hoch wie nie, Investitionen von Unternehmen in Steuerparadiesen haben sich in den letzten fünf Jahren vervierfacht und junge Leute sind überdurchschnittlich von Armut betroffen.
"Selbst in München ändern sich die Dinge. Wer durch die Stadt geht, sieht viel mehr Leute, denen es schlecht geht. Das kann man nicht mehr verleugnen."
Ludo Vici
Aber warum ist Occupy dann gescheitert? Franz Haslbeck, auch einer der Münchner Occupier, glaubt, dass sich Demonstranten zu wenig mit der Politik vernetzt haben.
"Alle - Aktivisten und Politiker - haben es versäumt, große Bündnisse zu machen. Das ist die Aufgabe, die wir jetzt haben."
Franz Haslbeck
Deshalb engagiert er sich bis heute gleich in mehreren Netzwerken – zum Beispiel bei Attac, "Echte Demokratie Jetzt" und beim Aktionsbündnis gegen die Münchner Sicherheitskonferenz.
Auch wenn die Camps weg sind, gibt es die Protestmarke "Occupy" bis heute. Andere Bewegungen greifen immer wieder Name und Form auf: In Frankfurt und München formierten sich 2012 "Blockupy"-Gruppen, in Istanbul demonstrierten junge Türken 2013 unter dem Stichwort "Occupy-Gezi" und in Hongkong gingen Menschen 2014 mit dem Slogan "Occupy Central with Love and Peace" für mehr Demokratie auf die Straße. Auch die Nuit-Debout-Bewegung in Frankreich, die im März 2016 als Demonstration gegen eine Arbeitsrechtsreform begann, setzt, wie Occupy, auf Protestveranstaltungen auf öffentlichen Plätzen.
Ludo Vici leistet seinen Beitrag in München und versucht, den Leuten in seinen Kabarett-Programmen klarzumachen, dass es politisch auch andere Alternativen als die AfD und Pegida gibt.
"Ich bin nach wie vor auf Demonstrationen, ich bringe mich da ein. Aber auch in persönlichen Gesprächen kann man Themen ansprechen. Und: Man kann mit allen reden."
Ludo Vici
Für Ludo Vici und Franz Haslbeck ist Occupy also nicht gescheitert sondern der Anfang eines längeren Prozesses - sie sind überzeugt, dass der der Demokratie und sozialen Gerechtigkeit irgendwann auch zugutekommt.