Genitalverstümmelung bei Frauen Ein Leben lang leiden
Fast jede Frau in Somaliland wird als Kind beschnitten und zugenäht - meist ohne Betäubung und mit schmerzhaften Konsequenzen für das komplette Leben. Aber der Kampf gegen die Beschneidung ist zäh.
Von: Caroline von Eichhorn
Stand: 04.02.2017
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Bild: BR/Caroline von Eichhorn
Asha ist sieben, als sie beschnitten wird. Ihre Mutter legt sie aufs Bett, die Beschneiderin kommt. Sie legt ihr Werkzeug zurecht: eine Schere, Dornen, ein Faden. Erst schneidet sie die Schamlippen weg, dann die Klitoris. Am Ende werden die Reste mit Dornen zusammengenäht. Nur ein kleines Loch bleibt, aus dem Urin und Menstruationsblut abfließen sollen. Man nennt sie die pharaonische Beschneidung, eine der schlimmsten Varianten der Genitalverstümmelung. Heute ist Asha 28, sie studiert BWL. Die Folgen der Beschneidung spürt sie bis heute.
"Es ist mein großes Pech, dass ich beschnitten bin. Mein Unterleib schmerzt, ich habe Infektionen, Nierenprobleme und eine unregelmäßige Periode."
Asha
Alle elf Sekunden wird irgendwo in der Welt ein Mädchen Opfer von Genitalverstümmelung. Vor allem in Nord- und Zentralafrika ist sie weit verbreitet. Die Zahlen gehen leicht zurück, doch weltweit sind immer noch über 200 Millionen Frauen betroffen, schätzt Unicef. In Somalia, wozu Somaliland offiziell gehört, trifft es fast alle jungen Mädchen im Alter von 5 bis 10 Jahren. Sie sind zu jung, um sich zu wehren. Die Folgen: Schmerzen, Infektionen, viele verlieren ihre Fähigkeit einen Orgasmus zu erleben. Lebenslang. Manche sterben an den Wunden.
Beschneiderinnen erhalten zwischen fünf und zwanzig US-Dollar pro Mädchen. Für viele ist es der einzige Verdienst, mit dem sie ihre Kinder ernähren müssen – und die meisten haben viele! Mindestens fünf, manche bis zu fünfzehn. Kinder gelten als Geschenk Gottes. Gebären bis zur Unfruchtbarkeit ist ebenso selbstverständlich wie die Beschneidung, die als Bedingung für eine Heirat gilt.
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Kaum jemand hinterfragt solche 5000 Jahre alten kulturellen Rituale in dem streng muslimischen Land. Dabei hat Beschneidung nichts mit Religion zu tun, sondern sei eine reine Tradition, sagt Nafisa Yusuf, die Geschäftsführerin des größten Frauenverbands Nagaad.
"Das Problem sind nicht nur die Mütter. Wir müssen alle von Null-Toleranz für Genitalverstümmelung überzeugen: Die Jungs, Väter und alle, die mitverantwortlich sind, dass die Tradition weitergetragen wird."
Nafisa Yusuf
Der Erfolg ist mäßig. Immerhin haben es Frauenverbände und Aktivistinnen nach 25 Jahren Null-Toleranz-Kampagnenarbeit geschafft, einige Imame davon zu überzeugen, sich öffentlich gegen Beschneidung auszusprechen.
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Hared Ismael ist 21, Studentin, gebildet und aufgeklärt – sie erzählt im Gespräch, wie schlimm sie die "FGM" (Female Gential Mutilation), also die Verstümmelung findet und dass sie froh ist, nicht betroffen zu sein. Als wir weiterreden, stellt sich allerdings heraus, dass auch Hared beschnitten ist. Bei ihr sei es aber auf eine saubere Art passiert, versichert sie, professioneller und hygienischer als früher. Doch auch Hared ist untenrum zugenäht, erzählt sie. Paradox: Es herrscht ein Bewusstsein über die Probleme, doch die kulturellen Rituale sind stärker. Immerhin äußert Hared am Ende des Gesprächs einen klaren Wunsch für ihre eigenen Töchter:
"Für meine Kinder bevorzuge ich Null-Toleranz. Ja."
Hared Ismael