Interview // Psychoanalytiker Prof. Hans-Jürgen Wirth "Donald Trump ist ein extremer Narzisst"
Donald Trump will Atomwaffen einsetzen und natürlich kann nur er die USA wieder zu dem machen, was sie einmal waren. Und wir alle so: WTF?! Psychoanalytiker Prof. Dr. Hans-Jürgen Wirth erklärt im PULS Interview wie Trump tickt.
Von: David Holland
Stand: 05.08.2016
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Es vergeht eigentlich kein Tag, an dem Donald Trump nicht irgendetwas sagt, postet oder tweetet, bei dem sich der Großteil der Welt fragt: Ernsthaft?!? Seine Reden und Auftritte sind so absurd, dass sie sich wohl selbst die Macher von "House of Cards" nicht besser ausdenken könnten. Trump ist ein Narzisst aus dem Bilderbuch, sagt Prof. Dr. Hans-Jürgen Wirth. Er ist Psychoanalytiker und forscht schon seit längerem zum Thema Narzissmus und Macht. Wirth macht im PULS Interview aber auch Hoffnung: Es gibt viele Narzissten, die grandios gescheitert sind.
PULS: Herr Wirth, fallen wir gleich mit der Tür ins Haus: Ist Trump ihrer Meinung nach ein Narzisst?
Hans-Jürgen Wirth: Bei Donald Trump kommen ja viele zu dem Ergebnis, dass er typische Merkmale eines Narzissten aufweist und ich würde dem auch zustimmen. Er ist ein extremer Narzisst. Ja, man kann sagen, er hat eigentlich zahlreiche Merkmale einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung.
Welche Merkmale eines Narzissten erkennen Sie in Trump?
Die Merkmale sind die übersteigerte Vorstellung von der eigenen Bedeutung. Seine Unfähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen, Empathie zu entwickeln, Mitgefühl. Aber auch seine Neigung zu übertreiben, zu lügen und zu täuschen. Er verhält sich im Grunde wie ein Hochstapler. Und er hat große Schwierigkeiten, auf Kritik an ihm adäquat zu reagieren. Er ist dann sofort gekränkt und schlägt zurück. Das alles sind Merkmale, die bei narzisstischen Persönlichkeiten prägnant auftreten.
Wie entstehen narzisstische Störungen?
Im Allgemeinen entstehen narzisstische Persönlichkeitsstörungen schon in der frühen Kindheit. Dass die Eltern uneinfühlsam waren und ihr Kind seelisch missbraucht haben, also es ausgenutzt haben, es manipuliert haben, es ausgebeutet haben für ihre eigenen Interessen. Sowas verformt das Selbstwertgefühl des Kindes und das drückt sich dann später auch in solchen Verhaltensweisen aus.
Sie schreiben in Ihrem Buch "Narzissmus und Macht. Zur Psychoanalyse seelischer Störung in der Politik", dass narzisstisch gestörte Menschen nach Macht streben. Warum ist das so?
Narzisstische Persönlichkeiten streben nach Macht, weil sie auf diese Art und Weise andere Menschen veranlassen oder in gewisser Weise auch zwingen können, ihnen Anerkennung zu geben. Narzissten wollen bewundert werden. Und wenn sie Macht haben, dann können sie sich sozusagen diese Anerkennung und Bewunderung von anderen Menschen kaufen. Und deswegen sind Macht und Narzissmus sehr eng miteinander gekoppelt.
Anders herum gefragt: Kennen Sie Politiker, die keine Narzissten sind?
Ich glaube, man muss unterscheiden zwischen einem gesunden Narzissmus im Sinne von einem gesunden Selbstwertgefühl und einem pathologischen, krankhaften Narzissmus, der übersteigert ist. Narzissmus ist eine Eigenschaft, über die jeder Mensch verfügt. Jeder Mensch muss ein Selbstwertgefühl entwickeln. Das kann mehr oder weniger gut sein und kann auch Schwankungen unterliegen. Und wenn man wichtige Positionen in der Wirtschaft, in der Gesellschaft oder in der Politik erreichen will, dann sind ein gesundes Selbstwertgefühl und auch der Wunsch, sich durchzusetzen, natürlich sehr hilfreich. Insofern kann man sagen, dass alle Führungspersönlichkeiten in der Politik und in anderen Bereichen auch ein ausgeprägtes Selbstwertgefühl und insofern auch ein narzisstisches Selbstwertgefühl haben. Aber bei Trump ist es eben ganz ausgeprägt, eine krankhafte, übersteigerte Form des Sich-Selbst-Wichtig-Nehmens.
Narzissten sind oft Menschen, die vielen anderen Leuten eher unsympathisch sind. Wie kann Trump so erfolgreich sein?
Man kann nicht unbedingt sagen, dass alle Narzissten als unsympathisch empfunden werden. Viele Menschen bewundern die Narzissten auch. Sie können sich, wenn sie sich mit den Narzissten identifizieren, selber ein Stückweit in sie reindenken und sich vorstellen: "So rücksichtslos wäre ich auch gern mal. Ich wäre auch gerne mal jemand, der sich so unverfroren darstellt in der Öffentlichkeit und Bewunderung einfordert und andere fertigmacht." Das ist durchaus etwas, was man bewundern kann und wo man deswegen dann auch so eine Figur wie Trump durchaus attraktiv findet.
In ihrem Buch prognostizieren Sie Narzissten, dass "nach glänzenden Siegen ein jäher und unerwarteter Absturz folgt, weil der narzisstische Herrscher im Vollgefühl seiner Omnipotenz den Bogen überspannt hat." Gibt es Anzeichen, dass Donald Trump ähnliches passieren wird?
Ich muss auch sagen, dass ich eigentlich darauf hoffe, dass Trump den Bogen soweit überspannt, dass er letztendlich scheitert und es ihm damit so ergeht, wie fast allen Narzissten, wenn sie eben den Bogen überspannen. Dass sie nämlich dann doch auf Widerstand stoßen oder sich selbst ein Bein stellen, weil sie auch ihre besten Freunde und Kumpanen vor den Kopf stoßen und schließlich von allen fallen gelassen werden. Und bei Trump deutet sich das alles ja schon auch an. Seine Parteigenossen distanzieren sich ja schon von ihm.
Gibt es Analogien zu anderen Politikern der Geschichte?
Viele Diktatoren haben am Beginn ihrer Karriere auch Erfolg oder sie können auch in ihrem Größenwahn militärisch Erfolge erzielen, beispielsweise Hitler. Aber wenn sie sich dann eben mit der ganzen Welt anlegen, in ihrem Größenwahn, dann müssen sie irgendwann scheitern. Und so könnte es Trump auch ergehen.