Interview mit Regisseurin Sapir Heller "Wenn die Jüdin das erlaubt, dann können wir das machen!"
"Auch Deutsche unter den Opfern" – so heißt ein preisgekröntes Theaterstück über den NSU. Jetzt wird es erstmals in Bayern aufgeführt. Die israelische Regisseurin Sapir Heller erzählt, warum das Thema für sie auch eine gewisse Komik birgt.
Neun Tote in elf Jahren: Die NSU-Morde sind die schlimmsten Terrorereignisse, die Deutschland seit der Wiedervereinigung erlebt hat. Die Opfer des NSU waren fast alle türkischer Abstammung. Aber eben nicht nur. "Auch Deutsche unter den Opfern" ist ein Theaterstück von Tugsal Mogul, das die Morde und den Prozess um Beate Zschäpe auf die Bühne bringt. Jetzt wird das Werk erstmals in Bayern aufgeführt. Inszeniert hat es die Regisseurin Sapir Heller. Die 27-jährige Israelin lebt seit 2008 in München und hat hier unter anderem an der Hochschule für Musik und Theater studiert. Sie hat schon einige Theaterstücke inszeniert – hier in Deutschland, aber auch in ihrer Heimat Israel. Für die Arbeit an "Auch Deutsche unter den Opfern" hat sie ihren ganz eigenen Ansatz für das Thema Terror und NSU gefunden. Es ist geprägt von ständiger Aktualität - und einer guten Portion Humor.
PULS: Was hat dich daran gereizt, das Stück zu inszenieren?
Sapir Heller: Die rechtsradikale Szene ist ein Thema, bei dem ich als Immigrantin in Deutschland finde, dass es zu wenig Beachtung bekommt. Natürlich weiß jeder, dass es die rechtsradikale Szene gibt. Natürlich weiß jeder, dass die rechtsradikalen Parteien gerade stärker werden. Aber was mich interessiert ist die Frage, welches Ausmaß das Ganze hat und welche Rolle der Verfassungsschutz und der Staat dabei spielen.
Du hast das Theaterstück ja immer zum jeweiligen Gerichtsverfahren und Ermittlungsstand aktualisiert. Wie wichtig war dir dabei die Aktualität? Und ist beispielsweise Beate Zschäpes Statement, dass sie kürzlich erst abgegeben hat, auch schon drin?
Ich habe die allerneueste Version des Stücks noch nicht gesehen. Denn wir versuchen, alles, was passiert, in das Stück einzubauen. Es ist mir total wichtig, dass das Stück auf dem aktuellen Stand ist, weil es von einem noch laufenden Gerichtsverfahren handelt. Jede Wendung und alles was während des Verfahrens passiert, ändert diese Geschichte und auch unsere Sichtweise auf den Fall.
Wir besprechen diese Änderungen im Team, gemeinsam mit den Schauspielern und Schauspielerinnen. Dann bringen wir Vorschläge und überlegen, wo wir diese Änderungen einbauen können. Die Schauspieler bauen das dann ohne Probe direkt ins Stück ein.
Das Stück heißt "Auch Deutsche unter den Opfern". Es geht also zumindest auch unterschwellig um Nationalität und Herkunft. Du selbst bist in Israel geborene Jüdin. Wie sehr hat das deine Sicht auf das Theaterstück und auf die ganze Thematik beeinflusst?
Es gibt eine Sache, die ich mir erlaubt habe und bei der ich nicht weiß, ob sich das Deutsche auch getraut hätten: Das Stück ist wahnsinnig komisch. Natürlich machen wir uns nicht über die Opfer lustig, da haben wir aufgepasst. Aber wenn man an die möglichen Verwicklungen des Verfassungsschutzes in die ganze Affäre denkt - das sind schon absurde Situationen, wo man sich oft fragt: "Ist das wirklich so gewesen? Hat das wirklich jahrelang keiner gemerkt?" Das sind Sachen, wo man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Ich glaube, dass ich es mir als Israeli und Jüdin - also als jemand, der quasi von der Opferseite kommt - erlauben konnte, das Ganze humoristisch zu betrachten. Das war auch für die Schauspieler eine gewisse Sicherheit: Wenn die Jüdin das erlaubt, dann können wir das machen.
Und dann ist es natürlich auch eine sehr emotionale Sache, wenn ich mich als Jüdin, als Nachkomme von Holocaust-Überlebenden mit Neonazis beschäftige. Ich lebe in Deutschland und ich muss mich fragen, wie kann man mit einem Theaterstück etwas in den Köpfen verändern?
Ab heute wird "Auch Deutsche unter den Opfern" im Rahmen der NSU-Themenwoche erstmals in Bayern aufgeführt. Das Besondere an den Aufführungen ist, dass es danach eine politische Debatte darüber gibt – Kunst und Politik werden hier eng zusammengebracht. Das Ganze ist ein Projekt der Münchner Vollmar-Akademie. Für die Diskussion nach den Stücken sind Gäste eingeladen, wie zum Beispiel der Bestsellerautor Professor Hajo Funke oder Yavuz Narin, Opferanwalt im NSU-Prozess. Karten für die Aufführungen gibt´s über das jeweilige Theater.
Alle Termine:
25.10. Theater Augsburg
26.10. Staatstheater Nürnberg
27.10. Mucca München
30.10. Theater Hof