Kommentar Warum nur Dolce&Gabbana von seinem Luxus-Kopftuch profitiert
Immer mehr Luxuslables designen Klamotten für die muslimische Frau, die Umsätze steigen rasant. An sich eine gute Sache - unserer Autorin Shahrzad Osterer fällt es aber schwer, das zu feiern.
Von: Shahrzad Osterer
Stand: 15.11.2016
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Ich bin mitten im Iran-Irak Krieg in Teheran auf die Welt gekommen. An die Zeit nach dem Krieg kann ich mich ziemlich gut erinnern. Alles war ziemlich düster, auch die Farben der Klamotten. Vor allem in den Geschäften für Frauen gab es fast nur schwarze, braune oder dunkelblaue Mäntel und Kopftücher. In der Schule war es nicht besser. Schon mit sieben musste ich da mit Kopftuch und solchen dunklen Mänteln rumlaufen. Erst einige Jahre später hat es angefangen, dass man mehr Farbe auf den Straßen Teherans gesehen hat. Die Mäntel der Frauen wurden kürzer, mehr Haare und Makeup sichtbar. Immer mehr Frauen haben sich getraut, sich gegen die Kleidervorschriften der Regierung zu wehren. Mit bunten Schals, hochgekrempelten Ärmeln und lackierten Fingernägel protestierten sie gegen die aufgezwungenen Gesetze der islamischen Republik und kämpften gleichzeitig gegen das Image der schwarzgekleideten iranischen Frau. Das war in den Neunzigern.
Mit dem Internet haben auch immer mehr gläubige Muslima angefangen, sich für Mode zu interessieren und ihre Outfits zu revolutionieren. Selbstbewusste kreative Muslima zeigen in ihren Blogs anderen gläubigen Frauen, wie man zum Beispiel das normale langweilige Kopftuch mit bunten Turbanen austauschen kann. Es gibt junge muslimische Modedesignerinnen, die coole und kreative Klamotten entworfen haben.
Sie haben alle einen wichtigen Schritt gemacht, den ich gut und wichtig finde. Viele Muslima haben sogar den Mut gefunden, sich irgendwann gegen das Kopftuch zu entscheiden.
Dass muslimische Frauen sich dafür interessieren, wie sie aussehen, hat auch die Modewelt entdeckt. Es gibt schon diverse Modelinien für muslimische Frauen - und das auch von namhaften Modelabeln. Dolce & Gabbana hat vergangenen Januar eine erste Kollektion für muslimischen Frauen auf den Markt gebracht, die aus Kopftüchern und Abaya besteht. Davor wurde zum Beispiel auch schon von Zara, Mango, Tommy Hilfiger und DKNY Mode für den Fastenmonat Ramadan entworfen. Laut einem Report der Nachrichtenagentur Reuters haben Muslima im Jahr 2013 weltweit über 266 Milliarden Dollar für Klamotten und Schuhe ausgegeben. Die Prognose: Bis 2019 wird sich das noch verdoppeln.
Dass die Modewelt die Muslima als Markt entdeckt hat und ihr Aufmerksamkeit schenkt ist wichtig, vor allem in Zeiten von Trump, Pegida und Co. Aber während das Kopftuch heute in den unzähligen Diskussionen, die hauptsächlich von Männern geführt werden, überwiegend negativ besetzt ist, halte ich diese plötzliche Verherrlichung durch westliche Designer und vielversprechende Umsätze für höchst problematisch. Zumal nur wenige muslimische Frauen Zugang zu dieser Art von Mode haben und sie sich überhaupt leisten können.
Man darf nicht übersehen, dass viele Frauen sich nicht freiwillig für das Kopftuch entscheiden. Wenn es so eine Luxus-Linie wie die von Dolce und Gabbana gibt, dann nimmt das dem Kopftuch als Symbol auch die Brisanz - und damit diesen Frauen ein Stück weit die Möglichkeit, sich mit der Kopfbedeckung kritisch auseinanderzusetzen. Und sie vielleicht auch abzulegen.