Kommentar zum "Dorfdeppen"-Video Wer über die "Dorfdeppen" lacht, ist genauso blöd wie sie
Das Netz lacht sich gerade schlapp über drei Jugendliche und deren gruselige Vorurteile über Flüchtlinge. Aber das Video ist aus dem Zusammenhang gerissen. Und die eigentlichen Dorfdeppen sind alle, die darauf reingefallen sind.
Das Video mit den "Dorfdeppen" ist gerade viral gegangen: Drei Jugendliche im Schlabberlook erzählen darin, dass Flüchtlinge in ihrem Dorf Frauen vergewaltigt haben, ein Flüchtling soll sogar ein Kind gegessen haben. Lebendig! Realsatire vom Feinsten. Allein auf dem Facebook-Account von FDP-Politiker Tobias Huch wurde es knapp 11.000 Mal geliked, 8.000 Mal geteilt und 10.000 Mal kommentiert. Teilweise im übelstem Besorgte-Bürger-Sprech:
"(...)wenn die denn 'nur' dumm wären. Aber die dürfen mit 18 wählen gehen und ich fürchte, man wird sie auch nicht davon abhalten können, sich zu vermehren (...)."
Kommentar bei Facebook
"(...)Wie Dumm sind die Deutschen eigentlich. Man sollte alle nationalistischen Menschen mal für längere Zeit aussperren(…)."
Kommentar bei Facebook
Das Video ist ein Ausschnitt der NDR-Doku "Weltbahnhof mit Kiosk", ein Film über den Ort Boizenburg in Mecklenburg-Vorpommern. Dort treffen täglich Flüchtlinge mit den Stammgästen eines Bahnhofskiosks zusammen. Die Botschaft des Films: Das deutsche Flüchtlingsproblem ist sehr, sehr komplex. Interessiert aber keinen. Was viral geht, ist ein extrem verkürzter Ausschnitt, in dem es so aussieht, als hätten drei junge Ossis Angst vor kinderfressenden Ausländern. Aber warum ist das Video so erfolgreich?
Propaganda-Mechanismen wie bei Pegida
Videos über die absurden Statements von Pegida-Demonstranten, Bilder von Neonazis mit Schaum vorm Mund und eben auch das "Dorfdeppen"-Video sorgen dafür, dass wir uns moralisch überlegen fühlen. Wir bekommen Menschen zu sehen, denen wir sonst nicht begegnen, und wir lachen über deren verschrobene Vorstellungen. Wir stehen auf der anderen Seite der Mattscheibe und glauben, auf der Seite der "Guten" zu stehen. Bei denen, die keine menschenverachtenden Vorurteile haben. Aber dieses Überlegenheitsgefühl täuscht. In Wirklichkeit sind alle, die über die "Dorfdeppen" gelacht haben, auf die gleichen Propaganda-Mechanismen reingefallen, die sonst Pegida & Co. anwenden: aus dem Zusammenhang gerissene Statements und bewusst gewählte Bildausschnitte, die ein falsches Bild vermitteln. Für viele Pegida-Anhänger sind diese Bilder und Statements dann ganz klare Beweise dafür, dass Flüchtlinge vergewaltigende Sozialschmarotzer sind. Für viele Facebook-User war das "Dorfdeppen"-Video der Beweis dafür, dass die meisten Ossis ungebildete Rassisten sind. Das Gefühl der Überlegenheit bleibt am Ende nur ein Gefühl.
Der NDR selbst hat am selben Tag übrigens einen längeren Ausschnitt des Videos gepostet. In dem sieht man, dass die Jugendlichen im Schlabberlook die Gerüchte über Flüchtlinge durchaus anzweifeln. Die Reichweite des "Dorfdeppen"-Videos wird es aber wahrscheinlich nicht bekommen. Bisher wurde es gut 1.000 Mal geliked, 2.000 Mal geteilt und 700 Mal kommentiert.
Kommentieren
Bertram Reinecke, Samstag, 19.Dezember 2015, 12:39 Uhr
6. Sind Dorfdeppen Dorfdeppen
Ich finde es wichtig und begründet darauf hinzuweisen, dass Mechanismen der Abgrenzung ganz allgemein, dass Runtermachen bereits marginalisierter Gruppen insgesamt eines unserer größten Probleme ist, ganz jenseits der Ausländerthematik. Ich finde es aber äußerst geschmacklos, für die Bösartigkeiten des Pegidadiskurses diejenigen haftbar zu machen, die mit so etwas zu Recht nichts zu tun haben wollen. Wenn die Rädelsführer von Pegida keine Beispiele finden, erfinden sie welche, man kann sich dieser Gülle nicht durch "Wohlverhalten" entziehen. Es bleibt auch mit dem hier mitgesendeten Appendix so, dass die Jugendlichen traurig uninormiert und vorurteilsbeladen sind und dass hier niemand etwas erfinden musste.
Tobi, Freitag, 18.Dezember 2015, 11:35 Uhr
5. Das macht es gleich viel besser
Ich glaube ich lese nicht recht. Und weil der andere Typ jetzt sagt: Ob das stimmt, weiß man nicht. Sind die drei jetzt auf einmal frei von jedem Zweifel. 1. Die Dame, die die Behauptung aufstellt revidiert nichts. 2. Wenn George Bush gesagt hätte: Saddam hat Massnvernichtungswaffen. Und Rumsfeld dann hinterhergeschoben hätte, Genau weiß man das aber nicht. Wären die beiden dann auch über jeden Zweifel erhaben? Dieser Ausschnitt führt und bestens vor Augen wie Meinungen entstehen... "Habe ich auf Facebook gelesen". Ein Offenbarungseid, wie er besser nicht geht. Statt sich über diejenigen Aufzuregen, die dieses Video geteilt haben und sich darüber lustig gemacht haben, sollte man sich eher über die schlechte Bildung gerade in Sachen Medienkonsum aufregen.
Matthias, Donnerstag, 17.Dezember 2015, 14:46 Uhr
4.
Und wo genau zeigt die etwas längere Version, dass es keine Dorfdeppen sind? Allein Facebook als Quelle zu nennen, beweist wie schmal das Trio im Denken ist. Die würden wahrscheinlich auch die Texte vom "Postillon" als bare Münze nehmen ...
Markus, Mittwoch, 16.Dezember 2015, 15:54 Uhr
3.
Das Video der NDR Facebook Seite ist gerade einmal ein paar Sekunden länger und legt in keinster Weise nahe, dass die interviewten Jugendlichen doch nicht so "dumm" wären.
"Stand auf Facebook. Ob das stimmt weiß man nicht." Das unterstreicht meiner Meinung nach nur die Art und Weise wie sie dargestellt werden.
Dieser Artikel ist daher genauso dämlich wie die Jugendlichen im Video und versucht auf lächerlichste Weise irgend eine Art von Schadensbegrenzung zu betreiben bzw. die niedrige geistige Kapazität der drei zu leugnen.
Thomas, Mittwoch, 16.Dezember 2015, 14:49 Uhr
2. Und das macht es jetzt so viel besser und differenzierter?
Der Zusatz "Sie: Stand auf Facebook. Er: Ob das stimmt, weiß man nicht." macht jetzt genau welchen Unterschied? Sie verkauft die Geschichte vom gegessenen Mädchen, als sei es in Stein gehauene Wahrheit und gibt auch noch eine Quelle dafür an. Und jetzt soll alles gar nicht so gewesen sein und die "Dorfdeppen" furchtbar falschverstanden? Ich glaube nicht. Vielleicht wäre es Zeit, dass die öffentlichen Sender ihr Mitgefühl mit den Ungebildeten mal verlieren und ihren Bildungsauftrag insofern ernst nehmen, als dass es eine Geschichte wie "5-jähriges Kind von Flüchtling gegessen" nicht bis ins Argumentationsgedächtnis von Jugendlichen schafft.