Aus für Minna Thiel? Warum es die Subkultur in München so schwer hat
Die Minna Thiel steht auf der Kippe, das TAM TAM Tanzlokal musste schließen und Münchens Barbesitzer klagen, dass ihnen die Stadt nichts mehr genehmigt. Die Subkultur leidet extrem – doch jetzt soll sich langsam was tun.
Ein ausrangierter Schienenbus für Lesungen, Underground-DJs und neue Künstler – das ist die Minna Thiel, die seit knapp einem Jahr vor der HFF München steht und zwischen den etablierten Museen eine wichtige Subkulturfläche in München bildet. Doch bald könnte der Betrieb dort vorbei sein. Denn der Bezirksausschuss Maxvorstadt hat sich gegen eine dreijährige Verlängerung des Projekts ausgesprochen.
"Wir finden, dass die Anmutung des Minna Thiel nicht dem Anspruch des Kunstareals gerecht wird. Speziell der grüne Blechcontainer, der vor sich hinrostet, und der WC Wagen, das fanden wir nicht passend in der Umgebung."
Hans-Stefan Selikovsky (SPD), Ausschussvorsitzender
Für Betreiber Daniel Hahn kam diese Aussage ziemlich überraschend. Er ist enttäuscht und fühlt sich missverstanden vom Bezirksausschuss, weil dieser ja dafür da sei, die Bürger in der Maxvorstadt zu repräsentieren. Und denen gefällt das Minna Thiel sehr gut, sagt Daniel.
"Die Minna Thiel ist mittlerweile total gut etabliert und eine super spannende Kooperation. Ich dachte, dass man jetzt eine gewisse Beständigkeit hat. Jetzt kommt wieder was, das es erschwert. Das ist schade. Jetzt bin ich wieder damit beschäftigt, mich um Genehmigungsverfahren zu kümmern, anstatt mich auf Programminhalte und Kooperationen zu konzentrieren."
Daniel Hahn, Veranstalter Minna Thiel, Bahnwärter Thiel & MS Utting
Ob es wirklich nicht mit der Minna Thiel weitergeht, hängt letztlich von der Lokalbaukommission ab. Die trifft die finale Entscheidung, hält sich aber meistens an die Empfehlungen des Bezirksausschusses. Und der findet die Minna Thiel nun mal nicht schön genug. Das Zittern um dieses Kulturprojekt ist aber nur eine von vielen Enttäuschungen die Münchens Subkulturszene in letzter Zeit erlebt. Mehr Beispiele gefällig? Das TAM TAM Tanzlokal im Keller der Kammerspiele. Über acht Monate lang war ungewiss, wie es weitergeht. Mittlerweile ist raus, dass die Bar aufgrund der Lärm- und Brandschutzauflagen und den damit verbundenen Umbaukosten nicht weiter betrieben werden kann, schon gar nicht in Zeiten der turbulenten Diskussion um Intendant Matthias Lilienthal.
Das Flostern in Giesing, in dem es temporär Konzerte, Flohmärkte, Lesungen und Ausstellungen gab, musste im Herbst 2017 für einen Bio-Supermarkt Platz machen – der bis jetzt noch nicht eingezogen ist. Die MS Utting, das Schiff, das seit über einem Jahr auf der Sendlinger Eisenbahnbrücke steht, hätte längst in Betrieb genommen werden sollen. Doch der teure Umbau zieht sich, die Behördenauflagen sind immens. Und im Glockenbachviertel klagen etliche Veranstalter darüber, dass ihnen die Stadt wegen des Lärmschutzes gar nichts mehr erlaubt.
"Es wurde jahrelang städteplanerisch viel falsch gemacht. Jetzt ist die Kacke am Dampfen. In den begehrten Vierteln, in denen gefeiert wird, sind nun viele reiche Leute und Großinvestoren, die durch Lärm eine Minderung ihres Immobilienwertes sehen. Der jetzige Ansatz ist, dass sie Stadt den Kulturschaffenden bei allem einen Riegel vorschiebt. Es müsste ein exzessiver politischer Wandel geschehen."
Anonymer Münchner Barbesitzer
Die Fronten sind verhärtet, heißt es aus der Szene. Dabei hatte man eigentlich seit letztem Jahr den Eindruck, dass die Stadt München die Probleme der Pop- und Subkultur erkannt hat. Der 2. Bürgermeister Josef Schmid hat bei einer PULS Podiumsdiskussion im Bahnwärter Thiel im Februar 2017 versprochen, dass er sich einsetzen wird.
"Wir haben in München eine Popkulturszene, die sich herzeigen lässt. Es muss jetzt ein Gesamtkonzept her, um die Szene sichtbar zu machen."
Josef Schmid, 2. Bürgermeister von München bei der PULS Podiumsdiskussion im Februar 2017
Taten gibt es noch keine, aber seit Anfang des Jahres wird immerhin sehr viel intensiver über dieses Gesamtkonzept geredet, und zwar in einer vom Stadtrat beschlossenen Arbeitsgruppe "AKIM" (Allparteiliches Konfliktmanagement in München). Stadtvertreter diskutieren darin mit Kulturschaffenden wie Daniel Hahn von der Minna Thiel oder Matthias Stadler vom TAM TAM darüber, wie man gemeinsam eine "Gesamtstrategie Nächtliches Feiern" erarbeiten kann. Vorschläge hätten sie.
"Wir brauchen Kulturschutzgebiete im urbanen Raum. Flächen, in denen es ein Recht auf Lärm gibt, das über das Recht auf Ruhe gestellt wird."
Matthias Stadler, Veranstaler TAM TAM Tanzlokal & Flostern
Die Arbeitsgruppe schaut sich auch Vorgehen in anderen Städten an und durchdenkt den Sinn und Zweck eines Nachtbürgermeisters. "Einen solchen Dialog gab es in München noch nie zuvor”, sagt Julia Viechtl von der Fachstelle Pop, die auch in der Arbeitsgruppe mitwirkt.
Außerdem ist quasi zeitgleich eine Münchner Initiative für Frauen namens WUT entstanden, die sich für mehr Subkultur und Diversität in der Kultur- und Musikbranche stark macht. Auf dieser Initiative und der Arbeitsgruppe ruhen jetzt alle Hoffnungen der Szene– doch bis sich wirklich was tut, brauchen die Münchner Kulturschaffenden auf jeden Fall noch Geduld.
Sendung: Filter am 5. April 2018 - ab 15 Uhr.