Parlamentswahl in Spanien So geht’s jungen Spaniern heute
In Spanien wurde am Sonntag ein neues Parlament gewählt. Obwohl die Regierung die Krise dort offiziell für beendet erklärt hat, leben viele junge Spanier immer noch lieber in Deutschland. Wir haben sie gefragt, wie es ihnen geht.
Die konservative Regierung um Ministerpräsident Mariano Rajoy hat offiziell erklärt: Die Krise in Spanien ist vorbei. Schließlich zeigt die Statistik, dass die Wirtschaft dort in diesem Jahr um voraussichtlich drei Prozent gewachsen ist. Und die Jugendarbeitslosigkeit ist auch zurückgegangen - auf gut 48 Prozent. Vor allem junge Leute kämpfen aber immer noch gegen fehlende Perspektiven und gehen oft ins Ausland. Über 140.000 Spanier leben offiziell in Deutschland. Schätzungen gehen aber von deutlich mehr aus. Die meisten von ihnen sind zwischen 25 und 45 Jahre alt.
UPDATE: Mit der Parlamentswahl am Sonntag hätte sich die Situation ändern sollen. Bei der Wahl haben die konservative Partei "Partido Popular" (PP) von Ministerpräsident Rajoy, die sozialistische Partei (PSOE), die liberal-konservative Protestpartei "Ciudadanos" (deutsch: Bürger) und die linke Alternative "Podemos" (deutsch: Wir schaffen es!) um die Gunst der Wähler gekämpft.
Das Ergebnis: Eine traditionelle Einparteienregierung wird es erst mal nicht mehr geben. Das ist das erste Mal seit dem Ende der Franco-Diktatur vor vier Jahrzehnten, dass weder Konservative noch Sozialisten auf eine absolute Mehrheit kommen. Die PP hat zwar gut 29 Prozent der Stimmen geholt, aber das sind 16 Prozent weniger als noch bei der Wahl vor vier Jahren. "Podemos" erreichte gut 21 Prozent der Stimmen und liegt damit nur knapp hinter den Sozialisten der PSOE. Die "Ciudadanos" wurde immerhin von 14 Prozent der Spanier gewählt. Klare Mehrheiten wird es deswegen im Parlament nicht geben können. Manche Experten rechnen sogar schon mit Neuwahlen.
Aber wie geht es eigentlich den jungen Wählern? Warum zieht es so viele ins Ausland, besonders nach Deutschland? Und warum gibt es einige, die doch zurück nach Spanien wollen?
Cristina (26), wohnt in München, hat Tourismus studiert, jobbt als Kellnerin
Darum ist sie in Deutschland…
Ich habe 2011 hier ein Erasmus-Jahr gemacht und dann noch ein Praktikum drangehängt. Dann musste ich erst mal zurück nach Spanien, um mein Studium zu beenden. Jetzt bin ich wieder da, weil ich einen Job in Spanien gesucht habe, aber nichts Gutes gefunden habe. Ich habe dann hier wieder ein Praktikum gemacht und dann gedacht: "Okay, schau'n wir mal". Jetzt kellnere ich in einer Tapasbar und verdiene hier in zwei Tagen mehr, als in Spanien in einem ganzen Monat. Ich fühle mich in Deutschland wohler als in Spanien. Hier kümmern sich die Chefs um die Mitarbeiter. In Spanien kümmert sich niemand. Da denken die Geschäftsführer nur an sich.
Über die Krise in Spanien denkt sie…
Es gibt einfach keine Jobs für junge Leute. Alle meine Kommilitonen vom Studium haben keine Arbeit oder sie arbeiten 42 Stunden pro Woche für 800 Euro. Das lohnt sich nicht. Und wenn man zu einem Vorstellungsgespräch geht, muss man am besten noch sieben Jahre Berufserfahrung haben. Wie soll das gehen? Wir sind Mitte 20. Ich weiß auch nicht, ob ich ohne die Krise in Spanien dort geblieben wäre. Als Mitarbeiter wird man dort einfach schlecht behandelt.
Von der Wahl erhofft sie sich…
Ich will Veränderung. Ich will, dass junge Leute eine Arbeit finden und selbstständig leben können, nicht mehr bei ihren Eltern. Es ist mir egal, wer gewinnt. Nicht für mich, weil ich bin jetzt weg, aber für meine Freunde, die dort geblieben sind, hoffe ich, dass sie etwas verändern können und eine bessere Lebensqualität bekommen.
Will sie zurück nach Spanien?
Nein, Spanien ist zwar das Land, in dem ich geboren wurde, aber es ist nicht mehr meine Heimat. Ich habe dort keine Chance bekommen, obwohl ich qualifiziert bin, einen Abschluss in Tourismusmanagement habe, vier Sprachen spreche und jetzt noch meinen MBA in Marketing mache. Sicher, wenn ich meine Eltern besuche, dann ist das zu Hause, aber Spanien ist nicht mehr mein Land und die Leute haben sich auch verändert.
Javier (26), wohnt in München, arbeitet als Softwareentwickler
Darum ist er in Deutschland…
Ich habe mein Erasmusjahr in Darmstadt gemacht. Ich habe Nachrichtentechnik studiert und dann auch relativ einfach eine Arbeit gefunden. Ich arbeite seit fast drei Jahren in einer Firma in Haar bei München und ich bin Software-Entwickler. Und dann ist noch meine Freundin Raquel aus Spanien zu mir nach München gezogen.
Über die Krise in Spanien denkt er…
Wenn es die Krise nicht gegeben hätte, dann wäre ich jetzt sicherlich nicht in Deutschland. Die Leute, die ein paar Jahre vor mir Erasmus gemacht haben, sind alle zurück nach Spanien gegangen. Bei uns sind die meisten geblieben. Wir waren fünf Freunde und vier sind immer noch in Deutschland.
Von der Wahl erhofft er sich…
Es wäre mir lieber, wenn Ministerpräsident Mariano Rajoy und seine Partida Popular nicht gewinnen, zumindest nicht mit der Mehrheit. Wenn jemand die Mehrheit hat, dann kann er ja machen, was er will. Ehrlich gesagt glaube ich, dass sich nicht viel ändert. Die Banken haben am Ende die Macht. Meiner Meinung nach sollte eine neue Partei gewinnen. Seit diesem ganzen Podemos-Phänomen hat sich schon relativ viel geändert, viele Politiker haben ein bisschen mehr Angst. Auch persönlich, glaube ich. Die können jetzt nicht mehr so korrupt sein wie vorher. Und das ist gut. Aber dass in zwei Monaten jeder eine Arbeit findet, glaube ich eher nicht.
Will er zurück nach Spanien?
Ich würde sicherlich gerne nach Spanien gehen, aber ich muss eine Arbeit finden, in der ich so Bedingungen wie in Deutschland habe: Mit geregelten Arbeitszeiten und gutem Gehalt. Ich will kein Milliardär werden, aber es muss zum Leben reichen und ich will auf keinen Fall zurückziehen zu Mama und Papa. Und man muss auch mit seinem Vorgesetzten reden können. Das geht in Spanien nicht. Eine Familie kann man da aktuell auch nicht gründen.
Raquel (26), wohnt in München, hat ein Diplom in Sportwissenschaften, arbeitet in der Kinderbetreuung
Darum ist sie in Deutschland...
Mein Freund Javier lebt seit mehr als vier Jahren in Deutschland. Ich war zunächst ein Jahr in Polen und wollte dann nicht zurück nach Spanien, weil ich nicht als Verkäuferin in einem großen Laden arbeiten wollte. Stattdessen wollte ich es lieber in Deutschland versuchen. Hier habe ich zunächst ein Jahr als Au Pair gearbeitet, um die Sprache besser zu lernen. Jetzt arbeite ich in einer Kinderbetreuung. Aber obwohl es nur ein Minijob ist, gefällt es mir sehr gut und ich fühle mich auch sehr wohl dort. Ich denke, dass ich in Zukunft auch eine bessere Arbeit finden kann, aber im Moment möchte ich meine Deutschkenntnisse noch verbessern. Das kann ich in der Arbeit. Und der Stundenlohn ist im Vergleich zu Spanien relativ hoch.
Über die Krise in Spanien denkt sie…
Ich muss in Deutschland leben, weil ich in Spanien nie die Möglichkeit bekommen hätte, einen Job zu finden, der zu meiner Ausbildung passt. Ein Beispiel: Fast keiner meiner Kommilitonen aus der Uni arbeitet in der Branche, für die wir ausgebildet wurden. Sie haben Jobs, die ihnen nicht gefallen und ihr Leben nicht erfüllen. Ich habe hier in Deutschland die Möglichkeit, eine Arbeit zu finden, die mir gefällt.
Von der Wahl erhofft sie sich…
Erwartungen habe ich viele. Ich hoffe auf eine Veränderung. Aber diese Erwartungen hatten wir auch bei der letzten Wahl und viel hat sich nicht geändert. Ich hoffe, dass die Politik in Spanien sich verwandelt, dass es eine ganz neue Regierung gibt. Und dass endlich die Korruption bekämpft wird. Wenn es keine Korruption gibt, haben das Land und die Regierung mehr Geld. Dieses Geld kann für Gesundheit, Bildung und für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit verwendet werden. Das wäre eine Möglichkeit, die ganzen sinnlosen Kürzungen zu beenden.
Will sie zurück nach Spanien?
Ich würde natürlich gerne wieder nach Spanien zurückkehren, doch es müsste sich sehr viel ändern. Es müsste so wie hier sein. Darum möchte ich heute nicht zurück, sondern erst wenn die Lage sich radikal ändert. Ich werde erst Mal weiter in München leben.
Daniel (25), wohnt in Würzburg, studiert Wirtschaft, macht gerade ein Erasmus-Semester
Darum ist er in Deutschland…
Ich bin seit September 2015 in Deutschland und mache hier ein Auslandssemester. Das geht bis Februar. Ich möchte hier auf jeden Fall mein Deutsch verbessern. Mit dem Studium bin ich fast fertig. Natürlich würde ich gerne in Spanien leben und arbeiten, aber wenn alles so bleibt, dann denke ich schon darüber nach, wieder nach Deutschland zu kommen.
Über die Krise in Spanien denkt er…
Ich glaube, ohne die Krise wäre mein Leben einfacher. Es wäre einfacher, Arbeit zu finden, es gäbe bessere Gehälter und man könnte einfacher befördert werden. Und ich könnte endlich alleine leben. Die Krise hat ziemlich viel Schaden angerichtet, insbesondere bei den Jungen und den Rentnern. Und sie hat die politische Korruption aufgedeckt. Für junge Leute ist es richtig schwierig, eine Arbeit zu finden, und es ist noch schwieriger, eine gute Arbeit zu bekommen. Wir beenden das Studium und keine Firma will uns anstellen, weil wir keine Erfahrung haben. Und die Regierung hilft uns nicht.
Von der Wahl erhofft er sich…
Ich erwarte einen drastischen Wechsel und dass die Politiker hart arbeiten. Ich habe keine klare Präferenz und ich glaube, das Ergebnis wird sehr ausgeglichen sein. Aber mit den neuen politischen Parteien wie "Podemos" und "Ciudadanos" muss es eine Veränderung geben. Ich hoffe auf eine bessere Zukunft und Stabilität.
Beatriz (26), wohnt in Madrid, hat ein Diplom in Chemieingenieruwissenschaften
Darum war sie in Deutschland…
Ich habe fast ein Jahr in Deutschland gelebt, vier Monate lang habe ich intensiv Deutsch gelernt und sechs Monate lang beim Europäischen Patentamt gearbeitet. Ich bin nach Deutschland gekommen, weil ich dachte, ich hätte dort bessere Jobaussichten - oder zumindest bessere Arbeitsbedingungen. Aber ich wollte auch einfach gerne für eine Zeit im Ausland leben und weil ich Deutsch gelernt habe, war Deutschland eine sehr gute Möglichkeit.
Darum ist sie nach Spanien zurück gegangen…
Ende November 2015 bin ich zurück nach Spanien gegangen, weil ich das Land liebe und sicher nicht für immer im Ausland leben möchte. Ich mag den spanischen Lebensstil und habe auch ein wenig meine Freunde und meine Familie vermisst. Und: Ich habe in Madrid einen Job gefunden. Ich arbeite jetzt als Qualitäts- und Produktionsmanagerin für eine Reinigungsfirma.
Über die Krise in Spanien denkt sie…
Die Krise hat mich persönlich nicht so arg betroffen, weil meine Familie keine Probleme gehabt hat. Aber insgesamt war es für die jungen Leute nicht gut. Die Regierung hat nichts gemacht um die Beschäftigung der jungen Leute zu fördern, darum mussten viele ins Ausland gehen.
Von der Wahl erhofft sie sich…
Ich hoffe, dass keine der Parteien die absolute Mehrheit bekommt, denn dann könnten sie tun, was immer sie wollen. Ohne über die spanische Bevölkerung nachzudenken. Aber ich hoffe sehr, dass eine neue Partei gewinnt, damit wir frischen Wind in die Politik bekommen und sich etwas ändern kann.
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Engelbert Neumayr, Samstag, 19.Dezember 2015, 14:42 Uhr
1. Jugendarbeitslosigkeit in Europa
Die jungen Europäer/innen haben gute Möglichkeiten auf Kosten des Staates eine Ausbildung/Studium zu absolvieren. Dabei wird aber oft nicht berücksichtigt, dass man am Bedarf vorbeistudiert. Dann wird wieder der Ruf nach dem Staat laut. Was will man? Eigenverantwortung oder ein anderes Wirtschaftsystem? Kann man erwarten dass es für jeden den genau passenden Arbeitsplatz mit guter Bezahlung und hohem Spassfaktor gibt? Die Realität sieht einfach anders aus!