Youtuber Firas Alshater "Mit Witzen über Flüchtlinge das Herz der Leute erreichen"
Mit seinem Youtube-Kanal Zukar ist der Syrer Firas Alshater bekannt geworden. Jetzt hat er ein Buch über seine Geschichte geschrieben und erklärt, warum die Angst vor Flüchtlingen Quatsch ist.
Von: Theresa Authaler und Laury Reichart
Stand: 14.10.2016
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Als wir Firas per Skype anrufen, erwischen wir ihn an der Filmuniversität Babelsberg in Berlin. Seit diesem Semester studiert er hier Filmschnitt, aber das ist nicht sein einziges neues Projekt. Der Syrer, der im Februar mit seinem Youtube-Kanal Zukar bekannt geworden ist, hat ein Buch geschrieben. Es heißt: "Ich komm auf Deutschland zu". Im Gespräch hat er uns erzählt, welche Message er mit dem Buch rüberbringen will, warum er glaubt, dass ein Integrationskurs allein nicht genügt, um sich hier zu Hause zu fühlen – und warum er findet, dass sich kein Flüchtling für die Taten eines Terroristen rechtfertigen muss, nur weil er aus demselben Land kommt.
PULS: Firas, du hast rund 20.000 Abonnenten bei Youtube, fast 50.000 Fans bei Facebook. Warum hast du jetzt ein Buch geschrieben? Dir hören doch schon viele Leute zu.
Firas Alshater: Es gibt 80 Millionen Deutsche. Von denen habe ich noch nicht alle erreicht. Es gibt viele Leute, die mir noch nicht zugehört haben.
Seit du deinen Youtube-Kanal hast, bist du berühmt. Du hast viel Kontakt mit Deutschen und auch mit Flüchtlingen. Findest du, dass beide jeweils genug übereinander wissen?
Ich finde, dass Deutsche und Flüchtlinge noch viel mehr Kontakt miteinander haben könnten, dass man zusammen etwas aufbauen könnte. Wenn wir über Integration reden wollen, dann müssen wir mehr mit dem anderen reden und nicht über den anderen.
Am Wochenende wurde ein Syrer festgenommen, der vermutlich einen Anschlag geplant hatte, jetzt hat er sich im Gefängnis das Leben genommen. In der öffentlichen Diskussion wurde er „der böse Syrer“, es gab aber auch die „guten Syrer“, die ihn überwältigt und damit der Polizei geholfen haben. Einmal sind die Syrer die Terroristen, einmal die Helden. Es gibt wenig dazwischen in der öffentlichen Debatte. Ist so ein Denken nicht ein bisschen schizophren?
Das ist genau so, wie wenn ich jetzt zu euch sage: Es gibt diese Deutschen, die Flüchtlingsheime attackiert haben und es gibt die Deutschen, die am Hauptbahnhof auf die ankommenden Menschen gewartet haben. Die Leute sind einfach unterschiedlich, es gibt solche und solche. Terrorismus hat nichts mit Nationalität zu tun. Auch Baschar al-Assad ist ein Syrer, er ist Mörder, Diktator und Syrer. Und dann gibt es Syrer mit Bart und Piercing.
So wie du …
Genau. Einer mit Bart, Piercing und Tattoo. Der Videos macht, jetzt ein Buch geschrieben hat und der auf Deutschland zukommt. Menschen sind unterschiedlich, nur leider nehmen wir immer dieses Allgemeinbild und sagen: Alle Araber kommen zu spät und jeder Deutsche ist pünktlich – aber das stimmt nicht.
Kommst du denn eher pünktlich oder eher zu spät?
Pünktlich, weil ich einfach sehr strukturiert bin in meinem Leben. Ich mag Pünktlichkeit.
Das Thema Flüchtlinge wird immer noch hitzig diskutiert, manche meinen sogar, das Land sei gespalten. Du machst auf Youtube aber Witze darüber. Warum ist Humor deiner Meinung nach der beste Weg, mit der ganzen Sache umzugehen?
Wir haben schon viel Hass gesehen, viel Streit und viele Attacken. Das ist genug. Für mich ist Humor der Weg, die Herzen der anderen zu erreichen. Einer der ersten Kommentare, die ich zu meinen Youtube-Videos bekommen habe, war übrigens: „Endlich kein Hass.“
Deine vielen Fans zeigen, dass es der richtige Weg ist. Du bist sogar mal zu einem Diskussionsforum mit dem Bundespräsidenten eingeladen worden, hast aber abgelehnt. Warum eigentlich?
Mir ist wichtig, dass ich niemandem die Gelegenheit gebe, zu sagen: Politiker haben Firas berühmt gemacht, Politiker haben Firas geholfen, Politiker nutzen Firas. Deswegen habe ich gesagt: Ich halte mich in der Politik zurück, egal, wer anfragt. Damit ich immer sagen kann: Das, was ich aufgebaut habe, habe ich selber mit meinem Team gemacht und nicht mit Hilfe von Politikern.
Jetzt hast du ein Buch geschrieben. Es heißt: "Ich komm auf Deutschland zu". Welche Message möchtest du damit rüberbringen?
Letztes Jahr sind etwas weniger als eine Million Menschen nach Deutschland gekommen. Jeder hat eine Geschichte. Ich glaube, ich bin der erste, der es geschafft hat, ein Buch zu schreiben und die Geschichte zu erzählen, warum ich und viele andere Menschen in dieses Land gekommen sind. Ich habe versucht, zu erzählen, was unser Leben war, bevor wir nach Deutschland gekommen sind. Was Deutschland für mich bedeutet und warum ich auf Deutschland zugekommen bin, warum ich hier geblieben bin.
Warum ist es wichtig, dass die Deutschen so eine Geschichte wie deine kennen?
Es ist nicht genug, dass ich 60 Stunden lang den Integrationskurs besucht habe, und es ist nicht genug, dass ich eine Bestätigungen bekommen habe, dass ich den Kurs gemacht habe. Ich will, dass die Leute wissen, woher ich komme, was in meinem Land los ist, welche Erfahrungen ich in meinem Leben gemacht habe, bevor ich hier von null anfangen habe. Mit allem: Sprache lernen, Wohnung finden, Freunde finden. Das ist nicht so einfach. In Syrien habe ich mir mehr als 20 Jahre lang ein Leben aufgebaut - auf einmal soll ich hier wieder von vorn beginnen. Wieso? Da gibt es eine Geschichte dahinter, und die muss man auch erzählen.
Hast du einen Wunsch, was sich im Zusammenleben von Deutschen und Flüchtlingen verändern sollte?
Es gibt viele Menschen, die den anderen jetzt akzeptieren, aber leider gibt es auch viele, die vor uns Flüchtlingen Angst haben. Ich habe versucht, in meinem Buch zu erzählen: Du brauchst diese Angst nicht. Die Angst geht weg, wenn du mehr Kontakt mit uns hast. Wenn du auf den anderen zukommst, kommt er auch auf dich zu.
Das Buch "Ich komm auf Deutschland zu" von Firas Alshater erscheint am 14. Oktober im Ullstein Verlag.