Bouldern gegen Depressionen Gestresst und ausgebrannt? Geht bouldern!

Sport macht den Kopf frei - eh klar, wissen wir schon lange. Eine Studie zeigt jetzt: Bouldern hilft besonders gut gegen psychischen Stress - und sogar gegen Depression. Warum, das erklärt uns die Studienleiterin.

Von: Nina Pietschmann

Stand: 25.11.2015 | Archiv

Bouldern | Bild: dpa / picture alliance

Sport ist die beste Therapie, heißt es immer schön. Der perfekte Sport um Stress abzubauen oder runterzukommen von Job, Uni oder Beziehungsfrust ist Bouldern. Mehr noch: Bouldern hilft bei Depressionen. Das zeigt eine umfassende Studie der Uniklinik Erlangen, die demnächst veröffentlicht wird. Wir haben mit der Projektleiterin Katharina Luttenberger gesprochen und uns erklären lassen, warum Bouldern besonders gut geeignet ist, um aus mentalen Tiefs rauszukommen.

PULS Playground: Warum ist Bouldern so gut bei Depressionen?

Katharina Luttenberger: Man hängt in der Wand und muss sich darauf konzentrieren, den nächsten Griff zu nehmen und hochzukommen. Dabei kann man nicht so gut darüber nachdenken, was man abends zum Essen macht oder wer wem blöd gekommen ist. Ich kann nicht in der Wand hängen und über irgendwas nachgrübeln, weil ich dann runterfalle. Das ist ein zentraler Wirkmechanismus vom Bouldern, was die Sportart möglicherweise auch von anderen unterscheidet.

Heißt das, Bouldern ist besser geeignet als anderer Sport, wenn es einem schlecht geht?

Nein, dadurch soll keine andere Sportart abgewertet werden. Jegliche körperliche Aktivität bei Depressionen ist wichtig, egal ob Laufen oder Schwimmen. Bouldern ist jetzt wahrscheinlich auch nicht das Allheilmittel für jeden einzelnen Menschen, aber wir glauben, dass Bouldern ein paar Vorteile hat. Beim Laufen kann ich weiter grübeln, beim Bouldern nicht. Und beim Bouldern ist man außerdem sehr dicht an intensiven Emotionen dran, sei es Angst, Stolz oder Freude. Bei einer Depression ist häufig ein zentrales Problem, dass die Menschen nur noch ein Gefühl von innerer Leere haben. Und wenn ich wieder intensive Emotionen habe und lerne, damit umzugehen, dann kann das ein ganz großer Schritt aus der Depression raus sein.

Katharina Luttenberger  | Bild: Matthias Schopper / Katharina Luttenberger

Katharina Luttenberger

Was kann man vom Bouldern fürs echte Leben lernen?

Eine Teilnehmerin hat nach der Boulder-Therapie gesagt: "Immer wenn ich jetzt irgendwas in meinem Leben mache und es mir schwer fällt, dann überlege ich mir, wie ich es beim Bouldern gemacht hätte." Wir können ganz viel beim Bouldern aufs tägliche Leben übertragen. Zum Beispiel beim Thema Ziele stecken. Such‘ ich mir Ziele, die immer zu schwer sind, oder eher immer zu leicht? Beim Bouldern können wir die Erfahrung machen, dass man die Route nicht auf einen Schlag schafft, sondern sich Zug für Zug erarbeitet und am Schluss oben steht. Sie erschien am Anfang unüberwindbar und man hat es trotzdem aus eigener Kraft geschafft. Ich kann dann auch nicht runter schauen und meinen Erfolg abwerten, weil ich ja selbst hoch geklettert bin.

Wie wurde die Studie durchgeführt?

Wir hatten zwei Gruppen, eine sogenannte Interventions- und eine Kontrollgruppe. Die eine Hälfte hat mit der Bouldertherapie angefangen, die ging über acht Wochen. Einmal in der Woche haben sich die Patienten mit den Boulder-Therapeuten getroffen und bestimmte Themen bearbeitet, wie zum Beispiel den Umgang mit eigenen Grenzen. Die andere Gruppe hat erstmal zwei Monate gewartet und dann auch die Bouldertherapie bekommen. In der Zwischenzeit haben die Patienten so weitergemacht wie sie es kannten. Wir haben nichts verboten. Insgesamt haben wir acht Gruppen in einem Zeitraum von zwei Jahren untersucht. Es waren um die 90 Patienten beteiligt.

Und was war das Ergebnis?

Wir konnten sehen, dass sich der Grad der Depression bei den Teilnehmern der Interventionsgruppe nach den zwei Monaten Boulder-Therapie deutlich verbessert hat, von einer mittelschweren zu einer leichten Depression. Bei der Kontrollgruppe ist in der Zeit alles ziemlich gleich geblieben. Erfreulicherweise sind die Depressionen bei den Teilnehmern der zweiten Gruppe auch besser geworden, nachdem sie dann auch zwei Monate in der Boulder-Therapie waren. Viele Patienten meinten, dass sie wieder das Gefühl hatten, es gibt ein Morgen und Hoffnung. Und einer meinte, das sei doch keine Therapie, das mache doch Spaß. Wenn ein depressiver Mensch sowas sagt, dann kann man den therapeutischen Effekt daran direkt ablesen.

Lässt sich die Studie auch auf gesunde Menschen übertragen? Ist Bouldern also besonders gut geeignet, um Stress abzubauen oder abzuschalten?

Ich glaube, alles was Menschen mit Depressionen gut tut, tut üblicherweise auch Menschen ohne Depressionen gut. Sei es jetzt soziale Kontakte pflegen, auf den Ausgleich achten, Sport treiben. Für mich persönlich ist es Bouldern und Klettern. Und für viele andere auch. Aber wenn jemand denselben Effekt beim Schwimmen, beim Laufen gehen oder beim Kegeln findet, dann ist das genauso wertvoll.