Interview // Startup ecoFin Surfboard-Finnen aus recyceltem Ozeanmüll
Ski aus Sägespänen oder Longboards aus alten Snowboards - immer mehr Sportartikel entstehen durch Recycling oder Upcycling. Jetzt kommen Surfboard-Finnen aus Ozeanmüll. Wie's gehen soll, hat uns die Gründerin von ecoFin verraten.
PULS Playground: Wie seid ihr auf die Idee gekommen, Finnen aus recyceltem Ozeanmüll herzustellen?
Luise Grossmann: Felix und ich sind Surfer und deswegen natürlich vom Thema Ozeanmüll besonders betroffen. Auf unseren Surfreisen haben wir gesehen, wie schlimm die Situation wirklich ist und das hat uns motiviert. Zusätzlich haben wir uns auch technisch schon mal mit Surfbrett-Finnen beschäftigt und dann kam uns plötzlich die Idee, dass man genau das machen muss: Ozeanmüll zu Finnen upcyclen.
Wie genau produziert ihr eure ecoFins? Ihr geht ja wahrscheinlich nicht an den Strand, sammelt Müll und macht das alles selbst.
Wir sind zwar ein kleines Team, aber wir machen natürlich nicht alles selbst. Es ist nicht so, dass wir selber den Müll sammeln, weiterverarbeiten, Finnen draus machen - dafür haben wir eine Infrastruktur geschaffen, die das Ganze wirtschaftlicher macht. Aber natürlich verfolgen wir, wo was wie passiert. Der Müll wird in Indonesien gesammelt, sortiert, weiter verschifft nach Java, dort wird er in Maschinen recycelt und dieses Rohmaterial kommt zu uns. Wir bekommen dann Pellets, eine Art Granulat, das man für den Plastikgussprozess benutzt. Und dann kommt der Arbeitsschritt, in den wir am meisten Energie reinstecken mussten: die Frage, wie man aus diesem Stoff ein richtiges, funktionales Produkt machen kann.
Aus was genau sind die Finnen? Ausschließlich aus Müll?
Nein, damit die Finnen stabil genug sind, werden sie noch mit Glasfasern verstärkt.
Das heißt, euer Produkt ist auch nicht ganz nachhaltig.
Naja, im Vergleich zu anderen Finnen stehen unsere auf jeden Fall sehr gut da und Glasfaser ist auch kein toxisches Material. Klar, am liebsten würden wir natürlich Finnen aus Kork machen, aber es geht ja auch darum, was den Markt und die Surfer anspricht. Jeder will gerne ein "grünes" und nachhaltiges Produkt haben, aber in erster Linie muss es auch funktionieren. Und da machen wir mit unseren Finnen auf jeden Fall einen guten Anfang. Auf lange Sicht würden wir auch die Glasfaser gerne ersetzen, doch bei so einem Projekt gibt es einen bestimmten Punkt, an dem man beginnt und sich für den Anfang erste Dinge vornimmt. Aber Ideen für die Zukunft gibt’s natürlich genug.
Sind eure Finnen genauso stabil und funktional wie herkömmliche?
Wir sind die Finnen selber gesurft und haben sie mit Pros und Intermediate Surfern auf Bali getestet - bisher war das Feedback sehr gut. Sie halten genauso gut wie herkömmliche Finnen. Auch die Ergebnisse der Maschinentests waren zufriedenstellend, denn das Material hält echt viel aus.
Der Prototyp ist also abgesegnet, seit dieser Woche läuft eure Crowdfunding-Kampagne. Wie geht’s weiter?
Die Crowdfunding-Kampagne geht insgesamt über 60 Tage und es läuft bis jetzt ganz gut an. Idealerweise werden wir gefunded, damit wir dann das Geld für den großen Produktionsprozess haben und im Mai 2016 die ersten Finnen an den Mann bringen können.
Sind eure Finnen teurer, weil sie aus recycelten Materialien hergestellt werden?
Nein, wir sind da preislich im Mittelfeld. Heißt konkret: ein Dreierset kostet umgerechnet etwa 60 Euro. Und das war uns auch wichtig, denn wir wollten nicht, dass man mehr dafür zahlen muss, nur weil das Produkt nachhaltig hergestellt ist. Die große Herausforderung ist ja genau, dass man ein gutes Produkt herstellt und die Leute das Produkt nicht nur kaufen, weil es nachhaltig ist, sondern weil es gleichzeitig auch gut ist.
Felix und du, ihr seid eigentlich aus Freising. Hat's euch wegen ecoFin nach Australien verschlagen?
Wir haben schon mal hier in Australien studiert und uns war klar, dass wir irgendwo hingehen müssen, wo Surfen mehr Relevanz hat als in Deutschland. Für Felix hat sich dann eine Stelle hier ergeben und deswegen war das auch kein so großer Schritt mehr für uns.
Zu eurem Projekt gibt's auch einen Dokumentarfilm. Um was geht es darin?
In der Doku begleiten wir den Müll von Balis Stränden bis er zu den Paletts wird, mit denen wir dann arbeiten. Uns war wichtig, die gesamte Infrastruktur genau unter die Lupe zu nehmen, um auszuschließen, dass Stationen dabei sind, an denen keine fairen Arbeitsbedingungen vorherrschen. Und wir wollten selbst alle Arbeitsschritte einmal mitmachen, sprich Müll sammeln, sortieren und so weiter. Außerdem sieht man in der Doku, wie wir auf unserem Weg viele neue Freunde kennenlernen, Geschichten von Leuten sammeln, die uns ihre Erfahrungen mit dem verschmutzen Meer erzählen - und ein bisschen Surfen gehen wir natürlich auch. Am Ende der Doku geht’s dann nach Australien, wo man sieht, wie die Finnen entstehen und getestet werden.
Die australische Surflegende Rusty Miller erzählt die Story in der Doku. Wie wichtig ist ein prominentes Testimonial für euer Produkt?
Sehr wichtig. Es hilft wahnsinnig, um sich zu etablieren. Denn für die Australier, glaub ich, ist es schon ganz lustig, dass da zwei Deutsche ankommen und die Surfwelt revolutionieren wollen. Deswegen sind wir sehr dankbar, dass wir mit Rusty zusammenarbeiten können. Außerdem ist er eine sehr inspirierende Person, die dem Projekt gut tut.
Wie ist denn das Feedback von den Australiern? Was sagen sie zu den zwei Deutschen und ihren Finnen?
Die Australier sind sehr offen. Dass wir Deutsche sind, kommt eigentlich gar nicht groß zur Sprache, sondern eher, ob wir auch surfen. Dann sag ich immer "Ja, klar!" und alle finden die Idee super. Natürlich gibt’s ein paar Geeks, die fragen, ob die Finnen wirklich gut sind, aber die dürfen sie dann testen. Große Skeptiker gibt es bis jetzt eigentlich kaum.
Denkst du, ihr könnt mit eurem Projekt auch die großen Firmen zum Umdenken anregen?
Ich denke, es wäre generell schön, wenn alle - egal aus welcher Industrie - mehr darüber nachdenken, wie man nachhaltiger mit Plastik umgeht. Es gibt so viel Plastik auf der Welt, dass man eigentlich gar nichts mehr neu produzieren muss und deswegen sollte man viel mehr recyceln anstatt immer neues Plastik aus Erdöl herzustellen. Deswegen wollen wir den anderen Firmen natürlich beweisen, dass man aus recycelten Materialen hochwertige Produkte machen kann.
Hast du eine Vision für die Zukunft? Zum Beispiel, dass in zehn Jahren alle Finnen aus Plastikmüll hergestellt werden?
Am liebsten würden wir in ein paar Jahren Surfer von Kopf bis Fuß mit recycelten Produkten ausstatten. Oder zumindest so weit sein, dass der Surfer die Wahl hat und sich für gute, intelligente Produkte entscheiden kann, die nicht schlechter sind als das, was die anderen Firmen herstellen. Das ist der große Spagat, der passieren muss: das Öko-Image muss mit Innovation und tollen Technologien verbunden werden.
Hier kann man den Dokumentarfilm über ecoFin in Deutschland sehen:
15. August: Berlin, Straend Festival
28. August: Köln, Frittboards Surfshop
04. September: München
05. September: Freising, Qbar
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Mike, Mittwoch, 25.November 2015, 22:32 Uhr
3. Auch Paddler und SUPler könnten bedient werden
Erst einmal großes Lob zu dieser Idee. Wie ihr im Bericht und auch andere schon erwähnt haben, sollten wir unseren Ozean sauber halten, damit die Lebewesen in diesem wie auch anderen Gewässern sich entwickeln können und nicht durch unseren Müll ums Leben kommen.
Auch ein Lob zu diesem Bericht. Er inspiriert dazu mehr nach re-/upcycelten Produkten zu schauen.
Wie wäre es, wenn es nicht nur bei den Finnen für Surfer bleibt, sondern wenn die Palette um Finnen für SUPs oder, wie auch schon im Betreff angedeutet, um Paddel (Paddelblätter an den Paddeln) für Kanuten, Kajakfahrer oder SUPler erweitert wird?
mel, Donnerstag, 10.September 2015, 08:42 Uhr
2. Am liebsten würden wir in ein paar Jahren
....ALLLE von Kopf bis Fuß mit recycelten Produkten ausstatten. " das wäre doch eine feine sache :-)
toller bericht!
mel
Chris, Samstag, 15.August 2015, 13:55 Uhr
1. Prima Idee - Bitte alle mitmachen
Nicht nur Surfer sondern für alle Ozean-Liebhaber: Save our playground:)