Sportausrüstung für Frauen Das Problem ist nicht rosa
Lange war Sportausrüstung für Frauen die pinke, kleinere und vielleicht sogar schlechtere Kopie der Männerversion. Mittlerweile gibt‘s Equipment für jeden Geschmack und Anspruch. Warum frustriert Sportkram shoppen trotzdem noch?
Rennradhandschuhe mit Strasssteinchen, Ski mit Blümchen oder Skistöcke mit Rüschchen – meine Weiblichkeit hätte ich beim Sport lange sehr exzessiv zur Schau tragen können. Wenn ich aber nicht unbedingt direkt aus der Gondel oder auf dem Trail aus zehn Kilometern Entfernung als Frau identifiziert werden wollte, neutralere Ausrüstung und Kleidung in kleineren Größen, vielleicht sogar abgestimmt auf meine weibliche Anatomie suchte, war ich häufig aufgeschmissen. Das hat sich mittlerweile geändert, wie mir auf der ISPO, der größten Sportmesse der Welt, Anfang Februar in München klar wurde.
Bei Frauen liegt das Geld
Die ISPO hatte sich selbst das Schwerpunktthema "Frauen als Zielgruppe und Frauen im Sportbusiness" gesetzt – 2017 zwar reichlich spät, aber immerhin – und damit den Blick auf die mittlerweile zahlreich und für wirklich jeden Geschmack vorhandenen Produkte für Frauen gelenkt. Die Bemühungen der Sportindustrie sich an die Zielgruppe Frau heranzuwanzen sind nicht ganz uneigennützig. Bisher machen spezielle Frauenprodukte bei manchen Skifirmen gerade mal um die 20 Prozent der Produktion aus, im gesamten Outdoorbereich 38 Prozent. Der Männermarkt hingegen ist fast gesättigt: "Männer machen diese Sportarten schon lange, sind mit Equipment versorgt und bei Neuanschaffungen der Marke ihrer Wahl meist treu", sagt Sportmarketing-Expertin Monika Fiedler. Mädels und Frauen fangen häufig jetzt überhaupt erst mit Sportarten wie Mountainbiken oder Freeriden an. Und: Die Frau zu umwerben lohnt sich für die Industrie doppelt, weil Frauen beim Sportausrüstungseinkauf häufig für die ganze Familie entscheiden würden, ergänzt Sport-PR-Expertin Irene Walser.
Von Frauen für Frauen
Grund genug für die Sportindustrie zu reagieren. Und warum nicht einfach mal diejenigen nach ihrer Meinung fragen, die den Kram am Ende auch kaufen sollen? Hätte man auch schon früher drauf kommen können. Der Ski- und Skischuhhersteller Blizzard Tecnica war mit seinem „Women2Women“-Projekt, dessen Ergebnisse jetzt auf der ISPO vorgestellt wurden, trotzdem der erste. Der Konzern hat Frauen aus den USA und Europa mit ganz unterschiedlichen Hintergründen, Jobs und Ski-Skills zu Workshops eingeladen – und in Zusammenarbeit mit der Universität Verona und mit der Unterstützung von Teamfahrerinnen wie der amerikanischen Freeriderin Jacklyn Paaso eine Ski- und Skischuhkollektion angepasst an frauenspezifische Anatomie und Biomechanik entwickelt.
"Uns hat interessiert, wie der komplette Markt ausschaut, wir wollten kein spezifisches, spitzes Produkt für wenige Frauen entwickeln, sondern Feedback von möglichst vielen unterschiedlichen Frauen einholen – und zwar nicht nur denjenigen, die sowieso schon in der Skibranche arbeiten."
(Mariaelena Rizzieri, Projektleiterin und ehemalige, italienische Rennläuferin)
An der breiten Zielgruppe liegt es wohl auch, dass die Skilinie eine Feder ziert, die Freeride Ski je nach Shape pastellig rosa bis türkis eingefärbt sind und in der Kommunikation der Eigenschaften von Schuh und Ski Begriffe wie Komfort, Wärme oder Leichtigkeit ganz vorne stehen. Typisch weiblich eben – und das kommt an: Der Blizzard Black Pearl Freeride Ski ist der meistverkaufte Frauenski in den USA und der Schuh mit einer neuen Faser, die Körperwärme in Infrarot-Energie umwandelt, diese an den Fuß reflektiert und so wärmt, hat einen ISPO Award gewonnen.
Speziell für Frauen? Muss schlechter sein!
Für mich persönlich sind typisch weibliche Attribute und Eigenschaften bei Sportequipment – völlig zu unrecht – immer noch ein Zeichen für Unsportlichkeit und schlechtere Performance – und deswegen käme mir ein Black Pearl vermutlich nicht an den Fuß, selbst wenn er der Männervariante in nichts nachsteht und für mich vielleicht sogar sinnvoll ist. Mit dem Glauben an diese gefühlte Wahrheit bin ich nicht allein, sagt Julia Hefner von Dalbello: "Je sportlicher die Frau Ski fährt desto eher sagt sie: Bleibt mir weg mit dem Mädelsdesign, ich möchte einen sportlichen Ski fahren! Und selbst wenn der Frauenski genauso gut ist, wie der Männerski – das Mädelsdesign könnte die Performance ja mindern oder zumindest so wirken. Viele wollen mit dem Skidesign unterstreichen, dass sie sportlich unterwegs sind."
Girls, ihr könnt das auch!
Vielleicht ist das der Grund, warum das reduzierte und klare – eigentlich nach dem Klischee eher männliche – Design der Unisex-Ski vom österreichischen Skihersteller Kästle bei Frauen laut Umfragen sogar besser ankommt, als bei Männern. Bei dem Skihersteller hat man sich bislang bewusst gegen die Entwicklung spezieller Damenmodelle entschieden, dafür aber die Ski verstärkt auch in kürzeren Längen angeboten, erklärt Marketing- und Athleten-Managerin Linda Meixner:
"Wir möchten zeigen, dass auch Frauen unsere Ski fahren können. Unsere Zielgruppe sind sportliche Frauen, denen es nichts ausmacht, wenn die Wimperntusche nach einer super Powderabfahrt verschmiert ist. Frauen, die sagen: Wir sind gleich stark wie Männer, wir sind gleich sportlich, wir hängen die auch schon oft ab, warum sollen wir nicht den gleichen Ski fahren?"
(Linda Meixner, Kästle)
Um Frauen als Zielgruppe trotzdem direkt ansprechen zu können, unterstützt Kästle wie viele andere Hersteller auch, vermehrt Frauencamps, wie zum Beispiel die Kästle Powder Department Ladies Days veranstaltet vom Stubaier Gletscher. Die Nachfrage ist riesig, meist um ein vielfaches größer als die Kapazitäten. Das Ziel: skibegeisterte Frauen vernetzen, sie aus der Defensive und ihrer eigenen Komfortzone locken, sie mit ihren eigenen Skills von sich selbst überraschen – und natürlich auch die Skimarke und Tourismusregion bewerben. Das Konzept geht auf: Bei solchen Events freue ich mich jedes Mal wieder über die Ansammlung an coolen Frauen, sehe tagsüber im Gelände die dreifache Mutter und Geschäftsführerin durch den Bruchharsch ballern und höre abends beim Prosecco an der Hotelbar die Informatikerin, die NIEMALS einen weichen Frauenski fahren würde, zum Thema pinke Skiklamotten sagen: "Wenn man an meinem Fahrstil schon nicht sieht, dass ich eine Frau bin, dann wenigstens an meinen Klamotten!"
Frauen sind kompliziert
Paradox? Nö, wir Frauen sind eben komplizierter. Positiver drückt es Sportmarketing-Expertin, Triathletin und Marathonläuferin Monika Fiedler aus, die selbst viele Frauencamps organisiert: "Die Frau, die super Fahrrad fährt, trinkt am Abend vielleicht gerne mal ein Glas Rotwein und lackiert sich die Nägel. Es ist nicht nur eine Dimension, eine Frau ist nie nur eine Rolle. Vielleicht macht sie Karriere, hat zwei Kinder, macht ambitioniert Sport und schafft es."
Frauen sind nicht eindimensional. Und vor allem sind nicht alle gleich. Deswegen gehen für mich coole pinke oder lila Klamotten vielleicht klar, Strasssteinchen und Schmetterlinge aber eben nicht. Auch wenn die ISPO das Frauen-Thema selbst mit "Rebellion gegen Rosa" überschrieben hat, ist rosa also eigentlich gar nicht das Problem.
Diese Feinheiten sind nicht ganz so offensichtlich und einfach zu verstehen. Doch gerade deswegen würde sich die Sportindustrie bestimmt mit mehr Exemplaren der begehrten Zielgruppe in den eigenen Reihen leichter tun. Aber Frauen im Sportbusiness, vor allem in Führungspositionen, sind – das Marketing ausgenommen – immer noch Mangelware. Deswegen werden Frauensportprodukte oft immer noch von Männern entwickelt, von Männern designt, von Männern für den Handel eingekauft und von Männern in den Shops verkauft – die Frau kommt oft erst ganz am Ende der Kette. Die Gefahr, dabei an den wirklichen Bedürfnissen vorbei zu entwickeln, am Geschmack vorbei zu designen oder am Skikönnen vorbei zu beraten ist – Überraschung – nicht ganz so klein.
Als ISPO Besucherin muss ich sagen, dass trotzdem für jeden Geschmack und Bedarf mittlerweile Produkte vorhanden sind – vom Boot bis zum Rucksack. Als Sportlerin und Kundin im Laden bekomme ich von der Auswahl aber oft nichts mit – vielleicht weil die Einkäufer andere Prioritäten setzen oder es sich für die Shops einfach nicht lohnt, die ganze Range an Frauen- und Unisex-Produkten, die für mich in Frage kämen, im Laden zu haben. Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie lange es noch dauert, bis ich beim Ski- oder Fahrradkauf zum ersten Mal in meinem Leben von einer Frau beraten werde.