Skispaß vs. Umweltgewissen Warum ich mir das Skifahren langsam abgewöhnen muss
Im November Gletscher, im Dezember Kunstschnee, im Januar Off-Piste, sobald es grad so geht – Skifahren macht mir immer Spaß, egal wie. Und obwohl ich genau weiß, wie sehr ich der Umwelt damit schade. Das will ich jetzt ändern.
Ich liebe Skifahren. Sehr. Und zwar so sehr, dass ich gerne von Oktober bis Mai freitagabends spätestens um 22 Uhr im Bett liege – während meine Freunde feiern gehen und sich über meine Absenz wundern. Alles, damit ich am Samstagfrüh fit bin, um 6 Uhr Richtung Berge düsen und am besten mit der ersten Gondel Richtung Gipfel fahren kann. Und das am liebsten jedes Wochenende. Aufhalten kann mich kaum was. Da muss es schon so stürmen, dass die Lifte geschlossen sind oder ich eine Grippe haben, die wirklich schlimm ist. Aber zu wenig Schnee, eine weite Anfahrt bis auf den Gletscher, Stau auf der A8 am Irschenberg, endlos lange Warteschlangen am Lift in der Weihnachtszeit? Das nehme ich alles gerne in Kauf, für mein Skifahren.
Dass ich mit meinem Skifahren aber dazu beitrage, dass der Klimawandel immer schneller voran schreitet und die Umwelt immer stärker belastet wird, blende ich gekonnt aus. Ziemlich gekonnt. Denn ich weiß nicht erst seit meinen Recherchen für mein PULS Spezial "Wintersport 3.0: Warum wir uns an einen Winter ohne Schnee anpassen müssen", dass das, was ich mache, nicht gut für die Umwelt ist, nicht im Entferntesten. Sondern in etwa das Schlechteste, was ich tun kann. So, als würde ich der Umwelt beide Mittelfinger zeigen. Denn: Ich weiß, dass die Gletscher jedes Jahr zehn bis zwölf Meter zurückgehen und alle Gletscher der Alpen in spätestens 40 Jahren komplett verschwunden sind, wenn wir so weitermachen. Ich weiß, dass allein in Österreich 19.000 Schneekanonen laufen – selbst wenn es genügend Naturschnee hat – um immer noch mehr Schnee on top zu produzieren. Und dass für den vielen Kunstschnee in allen Skigebieten im Alpenraum 50 Mal so viel Wasser verbraucht wird, wie in den Chiemsee passt und so viel Strom, dass 500.000 Haushalte ein Jahr damit auskämen. Und während ich unter der Woche diese Fakten zusammentrage und Vergleiche suche, um das krasse Ausmaß des Skiwahnsinns für die Umwelt zu verdeutlichen, fahre ich am Wochenende – ganz die Umweltsau, nur mit meinem Freund, zu zweit im VW-Bus, mit der Saisonkarte für ganz Tirol – fröhlich auf der Berg, um mich von meiner stressigen Arbeitswoche zu erholen. Ähm ja, den Fehler finde ich selbst...
Ich könnte meine Fahrt bei Go Shred, quasi der Mitfahrzentrale für Skifahrer und Snowboarder einstellen und mein Auto wenigstens voll machen. Ich könnte nur dann Skifahren gehen, wenn es wirklich genügend Naturschnee gibt und in Gebiete fahren, die auf künstliche Beschneiung verzichten. Ich könnte öfters Skitouren gehen, mit der Bahn anreisen und mal auf den Lift UND das Auto verzichten. Tu ich aber nicht.
Dafür gibt's in meinem Alltag von Montagfrüh bis Freitagabend ganz viele Kompensationshandlungen und ich rede mir ein, dass es ja nicht soooooo schlimm ist, was ich mache. Denn ich habe schließlich seit drei Jahren keine Plastiktüte gekauft oder mir im Laden geben lassen, ich fahre immer mit dem Radl in die Arbeit, selbst beim größten Schneegestöber, ich schnipple nur saisonales Obst aus der Region in mein Müsli und kippe den fairen Joghurt aus der Milch von hoffentlich glücklichen Kühen drüber. Aber reicht das, um meinen riesigen CO2-Fußabdruck durch die Skileidenschaft zu kompensieren? Und während ich die Frage aufschreibe, merke ich schon, dass sie gar nicht erst stellen muss, um zu wissen, dass das natürlich nicht reicht. Und dass ich mich nicht nur von Montag bis Freitag, sondern auch am Wochenende mehr für die Umwelt verantwortlichen fühlen sollte. Und nein, ein "Alle anderen gehen ja auch Skifahren!" ist keine Argument, sage ich mir mit Nachdruck selbst. Aber ich will doch so gerne…
Deswegen fange ich jetzt an – in homöopathischer, für mich umsetzbarer Dosierung. Die erscheint auf den ersten Blick lächerlich klein, aber ich kann mich nicht von heute auf morgen komplett umstellen – da brauch' ich mir nichts vormachen. Darum habe ich bei meiner letzte Autofahrt zum Skifahren immerhin schon zwei statt nur eine Person mitgenommen. Und ich habe mich am letzten Wochenende nicht trotz Erkältung auf den Berg geschleppt, wie ich es sonst machen würde, sondern bin zuhause im Bett geblieben – worüber sich nicht nur mein Körper, sondern auch die Umwelt ein bisschen freut. Und dann habe ich, ganz verrückt, einfach mal was anderes getan: Anstatt am Silvesterwochenende zwei Tage nacheinander dem Kunstschnee hinterher zu fahren, war ich einen Tag Eislaufen, auf dem zugefrorenen See, direkt vor der Haustür. Ja, klar, das klingt jetzt nicht nach großer Veränderung – aber für mich ist es immerhin ein Anfang und eine so wohl dosierte Herangehensweise, dass ich sie nicht schon nach einer Woche wieder verwerfe, weil das Ziel viel zu hoch gesteckt ist. Ein kleiner Anfang, aber auch ein ehrlicher.
Podcast: Warum wir uns an einen Winter ohne Schnee anpassen müssen und das sogar Spaß machen kann
Milde Winter, immer weniger Schnee, aber massenhaft Leute, die Skifahren wollen. Höhere Skigebiete oder mehr Schneekanonen lösen das Problem langfristig nicht. PULS zeigt deshalb grüne Alternativen für den Wintersport der Zukunft. Wie die aussehen, hört ihr in unserem PULS Spezial.