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Der extremste MTB-Contest der Welt Ist die Rampage zu gefährlich?

Riesige Drops, krasse Lines, heftige Stürze – so war die Rampage 2015. Obwohl der Mountainbike-Contest rum ist, diskutiert die Szene noch immer. Der Auslöser: ein besonderes schlimmer Crash. Ist der Contest einfach zu krass?

Von: Claudia Gerauer

Stand: 21.10.2015 | Archiv

Red Bull Rampage 2015 | Bild: Red Bull Content Pool

Das härteste Mountainbike Freeride Event der Welt – so nennt sich die Red Bull Rampage gerne selbst und schmückt sich mit Superlativen wie dem "prestigeträchtigsten" Contest, bei dem "Geschichte geschrieben" wird. Auch dieses Jahr. Doch nach der zehnten Auflage der Rampage in Utah ist klar: dieses Mal nicht im positiven Sinn. Und obwohl der Contest längst rum ist, diskutiert die Szene noch immer über das Event. Denn: Es sind viele Stürze mit schweren Verletzungen passiert.

Der Hauptauslöser für die Diskussionen war der Sturz von Paul Basagoitia. Erst sah es aus, als hätte Paul den Run seines Lebens – doch dann stürzt er mit 70 Stundenkilometern, knallt aus sechs Metern auf die Erde. Die Folgen: Paul bricht sich den T12-Wirbel und wird neun Stunden lang operiert. Seine Beine spürt er nach wie vor nicht. Ob er je wieder ganz gesund wird, weiß niemand.

Ist die Rampage zu krass?

Ein extremer Einzelfall? Nicht wirklich. Auch der Sturz von Nicholi Rogatkin bei der Qualifikation hätte wohl schon gereicht, dass diese Diskussion im Netz und in der Szene losgetreten wird: Ist der Contest zu gefährlich? Und wer hat Schuld daran? Fakt ist: Die Rampage ist heftig. Und genau das macht den Reiz für viele Fahrer daran aus. Zur Rampage eingeladen zu werden, das ist für die Rider vergleichbar mit einer Olympiaqualifikation, und gleichzeitig auch eine wahnsinnig große Herausforderung.

"Die Rampage ist das prestigeträchtigste Event im ganzen Mountainbike Freeride-Kalenderjahr und der letzte wirkliche Big Mountain Contest, der nicht in urbanem oder komplett künstlichem Gelände, sondern auf natürlichem Terrain stattfindet. Das Gelände ist extrem schwierig, sowas gibt es kein zweites Mal auf der Welt. Wenn man das zum ersten Mal sieht, denkt man sich: Wow, unmöglich, da irgendwelche Lines zu fahren! Man muss sich als Fahrer extrem drauf einstellen, es dauert, bis man sich an das Gelände gewöhnt, Vertrauen findet."

(Profi-Mountainbiker Rob J Heran im PULS-Interview)

Die Fahrer bereiten sich monatelang auf die Rampage vor, kennen das Risiko und planen ihre Line haargenau. Aber die Rampage bleibt gefährlich. "Stürze gab’s bei der Rampage schon immer und die Athleten wissen auch, dass sie dabei schwer stürzen und sich schwer dabei verletzten können – jedem Fahrer ist bewusst, welches Risiko er eingeht", sagt Rob J Heran. Wenn dann allerdings tatsächliche eine schwere Verletzung, wie die von Paul Basagoitia passiert, steht der Prestige-Contest, durch den viele Sportler schon zu Legenden wurden, schnell in der Kritik und wird als zu gefährlich gelabelt.

#fuckrampage: Und wer ist jetzt Schuld?

Viele von Pauls Fahrerkollegen wünschen ihm bei Facebook und Instagram gute Besserung und viel Kraft. Zum Beispiel Cam Zink, der auch bei der Rampage am Start war. Er hat seine Genesungswünsche allerdings mit dem Hashtag #fuckrampage versehen. Ziemlich deutlich.

"Everyone send Paul Basagoitia positive vibes! This champion has started a long road to recovery after shattering his T12 vertebrae yesterday and undergoing 9 hours of surgery. He had a winning run going and may have set the record for biggest step down just before going down. Lots of tears have been shed. Keep Paul in your prayers to regain feeling in his legs. There were some horrible people spreading false news that he was OK, but he needs your support more than ever to walk again. Paul, you are the most tenacious human and competitor ever. Love you bud! You'll be back! ‪#‎fuckrampage"

(Cam Zink bei Instagram)

Es gibt nicht nur Kritik seitens der Fahrer. Auch die Mountainbike Blogs und Magazine diskutieren, ob Red Bull als Veranstalter Schuld an solchen Unfällen sei. Denn die Fahrer würden sich nur wegen des Events und wegen des Preisgeldes in Gefahr begeben. Natürlich, die Fahrer kennen das Risiko. Aber es ist eben ihr Job. Und sind wir mal ehrlich: Dass man für seinen Job manchmal mehr gibt, als einem gut tut, das kennen selbst wir mit unseren Normalo-Bürojobs.

Wieder Pause für die Rampage?

In der Vergangenheit wurde die Rampage schon mal für drei Jahre ausgesetzt, von 2005 bis 2007, weil sie als zu gefährlich eingestuft wurde. Für Rob J Heran gäbe es allerdings eine bessere Lösung für die Zukunft, denn: "Das Contest-Format bei der Rampage ist jetzt an einem Punkt, wo man es überdenken könnte."

Momentan ist es ein wichtiger Bestandteil der Rampage, dass die Rider ihre Lines selbst bauen. Sie reisen eine Woche vorher an, bewegen sich im Gelände, suchen und bauen ihre persönliche Linie. Und weil jeder Sportler seinen ganz individuellen Plan hat, wie er den Berg runter will, gibt es zig Optionen. Entsprechend schlecht können die einzelnen Lines mit Fangnetzen oder Matten abgesichert werden. Für Rob würden deswegen feste Lines mehr Sinn machen: "Es wäre denkbar, dass sich die Fahrer zusammen mit dem Veranstalter drei oder vier feste Lines suchen, die sie, genau wie jetzt auch, selber bauen, bei denen man aber die Gefahren bestmöglich reduziert oder die kritischen Stellen mit Fangnetzen absichert", erklärt Rob. Doch die sind für Fernsehbilder und Hochglanz-Shots ziemlich unsexy – wer will schon auf den atemberaubenden Actionsport-Bilder in der kargen Felslandschaft Utahs riesige Fangnetze oder bunte Matten sehen?

Entspannte Sessions statt straffem Contest

Die riesige Medienproduktion, die am Contest hängt, ist für die Fahrer ein weiterer Risikofaktor. Rund um die Globus schauen nicht nur Hardcore-Radl-Freaks jedes Jahr den Livestream des Mountainbike Events. Dafür, dass der Stream perfekt läuft, wird viel Geld ausgeben. Für den Zuschauer heißt das zum Beispiel: keine zu großen Wartepausen zwischen den einzelnen Runs. Für die Rider heißt das hingegen: Das Zeitfenster, in dem der Contest durchgezogen wird, ist begrenzt. Sie müssen auf Knopfdruck funktionieren. Das ist nicht immer gut für die Athleten und ihre Performance, findet Rob:

"Um das Beste aus den Fahrern rauszuholen, braucht es mehr Zeit: einerseits zur Vorbereitung, andererseits beim Wettkampf, also ein entspannteres Umfeld, das nicht so viel Druck auf die Jungs ausübt. Am besten funktioniert das in einer entspannten Session, ohne Zeitdruck und ohne eine Medienproduktion."

(Profi-Mountainbiker Rob J Heran im PULS-Interview)

Ob die Veranstalter den etablierten Contest nun überdenken, ist noch offen. Der Gesundheit der Fahrer würde es nicht schaden - und dem Prestige der Rampage sicherlich auch nicht.


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