In einem Interview mit dem Schweizer Sender RSI hat Papst Franziskus nach mehr als zwei Jahren Krieg in der Ukraine zu Verhandlungen aufgerufen. "Wenn man sieht, dass man besiegt ist, dass es nicht gut läuft, muss man den Mut haben, zu verhandeln", sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche in dem vorab veröffentlichtem Interview. Dabei nannte er die Konfliktparteien Ukraine und Russland nicht bei Namen.
Auch wenn Papst-Sprecher Matteo Bruni Darstellungen widersprach, der Papst habe die Ukraine in dem Interview zur Kapitulation aufgefordert, hagelt es international Kritik an seinen Aussagen – auch von deutschen Politikern und der evangelischen Kirche. Russland hat indes eine ganze eigene Interpretation der Papst-Aussagen.
Ukraine: Bringt der Papst mehr Verständnis für Russland auf?
In dem Interview, das bereits Anfang Februar geführt wurde, spricht der Pontifex unter anderem über den Stärkeren, der "den Mut der weißen Fahne hat, zu verhandeln". Besonders der Begriff der "weißen Fahne" wurde in der Ukraine als Aufforderung zur Kapitulation verstanden und löste erboste Reaktionen aus. "Es erscheint merkwürdig, dass der Papst nicht zur Verteidigung der Ukraine aufruft, nicht Russland als Aggressor verurteilt, der Zehntausende Menschen tötet", schrieb der frühere Abgeordnete und Vize-Innenminister Anton Heraschtschenko auf der Plattform X (früher Twitter).
Der ehemalige ukrainische Botschafter in Österreich, Olexander Scherba, nannte den Papst einen "Kleingläubigen". Offizielle Kiewer Stellen äußerten sich nicht.
Polen: Wo bleibt der Appell an Putin?
In Polen kritisierte Außenminister Radoslaw Sikorski den Aufruf. "Wie wäre es, wenn man zum Ausgleich (Russlands Präsident Wladimir) Putin ermutigt, den Mut zu haben, seine Armee aus der Ukraine abzuziehen? Dann würde sofort Frieden einkehren, ohne dass Verhandlungen nötig wären", schrieb Sikorski auf X. Polen ist einer der engagiertesten politischen und militärischen Unterstützer der Ukraine.
Strack-Zimmermann schämt sich als Katholikin
Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann machte indes auf X ihrem Ärger Luft: Lieber solle der Papst "laut und unüberhörbar die brutalen russischen Täter" zum Waffenstillstand auffordern.
Gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe stellte sie die Frage: "Und warum in Gottes Namen verurteilt er nicht die verbale mörderische Hetze von Kyrill I., Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche und Ex-KGB-Agent, dem ukrainischen Volk gegenüber?" Strack-Zimmermann fügte hinzu: "Ich schäme mich als Katholikin, dass er das unterlässt."
Göring-Eckardt: Nur Putin kann den Krieg beenden
Auch bei den Grünen stieß der Appell auf Kritik. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Niemand möchte mehr Frieden als die Ukraine." Auf ihrem Territorium herrsche seit zehn Jahren Krieg, unzählige Menschen seien getötet worden. Göring-Eckardt fügte hinzu: "Es ist Wladimir Putin, der den Krieg und das Leid sofort beenden kann - nicht die Ukraine. Wer von der Ukraine verlangt, sich einfach zu ergeben, gibt dem Aggressor, was er sich widerrechtlich geholt hat, und akzeptiert damit die Auslöschung der Ukraine." Göring-Eckardt betonte: "Über Frieden wird und muss verhandelt werden - aber auf Augenhöhe."
Evangelische Kirche: Recht des vermeintlich Stärkeren darf nicht siegen
Die Präsidentin des Evangelischen Kirchentages 2025 in Hannover, Anja Siegesmund, sagte dem RND: "Die Sehnsucht nach Frieden darf nicht dazu führen, dass das Recht des vermeintlich Stärkeren siegt."
Das gesamte Interview mit Papst Franziskus soll im Schweizer Fernsehen am 20. März ausgestrahlt werden.
Mit Informationen von dpa und epd
Im Video: Papst ruft Ukraine zum Verhandeln auf
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