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Film - Kurt Landauer Der Stadionrasen, die ewige Problemzone

Schon zu Kurt Landauers Zeiten war die Pflege des Stadionrasens ein Dauerthema. Heute wird das Grün mit Hightech-Geräten bearbeitet - und ist dennoch eine ewige Problemzone geblieben. Ein Blick auf das "Greenkeeping" gestern & heute.

Stand: 14.08.2013

Der Rasen: Das heilige Grün

Als Kurt Landauer im Jahr 1901 das erste Mal für den FC Bayern München die Fußballschuhe schnürte, konnte er von Bedingungen, wie sie der Rekordmeister heute hat, nur träumen. Der Verein hatte zu seinen Anfangszeiten kein eigenes Trainingsgelände, geschweige denn ein eigenes Stadion. Den Fußballplatz musste sich der Verein mit zahlreichen anderen Mannschaften teilen, denn schon damals herrschte in der rasant wachsenden Großstadt München akuter Platzmangel.

Ziegendreck und Inspektoren

Spielszene des FC Bayern München (1914)

Nicht selten mussten die Spieler vor dem Training Ziegendreck vom Rasen räumen und Löcher zuschütten. Selbstredend mussten auch die Spielfeldmarkierungen eigenhändig angebracht und die Tore selbst auf- und abgebaut werden. Nach jeder Platzbenutzung kam ein städtischer Inspektor vorbei, um den Platz abzunehmen. Diesem sei "ein geknickter Grashalm schon zu viel" gewesen, schrieb der FC Bayern in einer Festschrift.

Fritz-Walter-Wetter

Jahrzehntelang galt für Hobbymannschaften das Gleiche wie für Fußball-Großereignisse: Gespielt wurde auf einem Rasen. Punkt. Ob dieser eher einem Acker oder einem königlich-englischem Vorgarten glich, war nicht geregelt. Erst zur WM 1954 trat eine grobe Anleitung zum Erstellen und Pflegen von Rasensportflächen in Kraft. Im berühmten Finale von Bern war auch diese allerdings nur Makulatur. Dauerrregen hatte den Platz aufgeweicht, nach heutigen Maßstäben wäre das Feld unbespielbar gewesen. Bundestrainer Sepp Herberger erkannte jedoch sofort den Vorteil für seine Elf: "Dem Fritz sein Wetter", sagte er vor dem Spiel in Anspielung auf seinen Spielführer Fritz Walter, der für gewöhnlich erst bei solchen Bedingungen zu Hochform auflief. Und Herberger sollte Recht behalten: Angeführt von Walter schlug die deutsche Elf Ungarn mit 3:2 und wurde Weltmeister.

Die Wasserschlacht von Frankfurt

Helfer vor dem WM-Spiel Deutschland - Polen (1974)

Jahrelang wurde weiter daran gefeilt, das Gras auf dem Platz unabhängig vom Wetter und der Beanspruchung in gutem Zustand zu halten. 1974 wurde eine DIN-Norm für Rasensportflächen eingeführt. Doch weiter war es das Wetter, dass dem Menschen regelmäßig einen Strich durch die Rechnung machte. Und wieder war die deutsche Nationalmannschaft der Nutznießer. Bei der WM 1974 öffnete vor dem entscheidenden Gruppenspiel gegen Polen der Himmel seine Pforten und setzte den Platz unter Wasser. In Frankfurt gingen die Menschen auf die Straße, um für ein würdiges Fußballwetter zu demonstrieren. Ihre Parole: "Schluss mit Regen, Wind und Sturm, der Mensch ist doch kein Regenwurm." Ihr Anliegen wurde glücklicherweise nicht erhört. Es entwickelte sich eine Wasserschlacht um den Finaleinzug - mit dem besseren Ende (1:0) für den späteren Titelgewinner Deutschland, da die Polen ihre technische Überlegenheit auf dem nassen Untergrund nicht ausspielen konnten.

"Wenn wir hier nicht gewinnen, dann treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt."

Der ehemalige Schalke-Manager Rolf Rüßmann

Kein Erstligist ohne Rasenheizung

Bisweilen wurde die Witterungs-Anfälligkeit des Rasens auch mutwillig zum eigenen Vorteil eingesetzt. Trainer Uwe Klimaschefski soll in den Siebziger Jahren aufgrund Spielermangels seinen Platzwart angewiesen haben, den Platz über Nacht unter Wasser zu setzen, um eine Spielabsage zu provozieren. Heutzutage besitzt jeder Kreisligaverein eine Drainage, die den Wasserablauf gewährleistet. Seit 1997 müssen zudem alle Erstligisten eine Rasenheizung im Stadion vorweisen - alles mit dem Ziel, der Natur ein Schnippchen zu schlagen.

Die künstliche Sonne

UV-Lampen in der Münchner Arena

Wind und Wetter haben die Fußballvereine mittlerweile weitestgehend im Griff. Dafür tauchte mit dem Bau der neuen Fußballtempel ein völlig neues Problem auf: Da die Zuschauertribünen steil aufragen, eng an das Spielfeld gebaut und selbstverständlich überdacht sind, trifft kaum mehr Licht auf das "Heilige Grün". Schalke 04 hat sich kurzerhand eine Rasenfläche installieren lassen, die unter der Tribüne hinweg ins Freie gefahren werden kann. Die meisten großen Fußballklubs setzen allerdings auf eine künstliche Beleuchtung. Fast rund um die Uhr wird durch die fahrbaren Riesenlampen die Photosynthese des Grases angeregt. Marktführer in diesem Segment ist ein Niederländer, der sein Geld früher als Rosenzüchter verdiente.

Rollrasen statt Gräserzucht

Trotz aller technischen Hilfen muss der Rasen in den Fußballtempeln aber alle paar Jahre komplett ausgetauscht werden. Hierfür wird nicht in der spielfreien Zeit mühevoll neues Grün angesät, sondern der auf Feldern angebaute Rasen wird schlicht und einfach in Streifen geschnitten, ins Stadion transportiert und ausgerollt. Da er aus einer speziellen Gräsermischung besteht und äußerst widerstandsfähig ist, kann er kurze Zeit nach seiner Auslegung bespielt werden - der Traum eines jeden Hobbygärtners.

Englands Nationalheiligtum: Wimbledon

Wimbledon

Der neueste Schrei ist der so genannte Hybridrasen. Während reiner Kunstrasen wegen seiner unnatürlichen Eingenschaften unter den Fußballkönnern verschrien ist, experimentieren viele Vereine seit kurzem mit Naturgras, das mit Kunstfasern verstärkt ist. Vor allem in England - natürlich - bauen einige Klubs auf diesen Untergrund, der angeblich sieben Tage die Woche bespielt werden kann. Dass die Briten ein besonderes Verhältnis zum Gras haben, lässt sich natürlich auch beim berühmtesten Tennisturnier der Welt beobachten. Denn in Wimbledon wird das "Heilige Grün" so achtsam gepflegt und gehegt wie wohl an keinem anderen Ort der Welt. Im Winter und Frühjahr wird das Gras mit Wärmedecken bedeckt. Wenn morgens zu viel Tau liegt, wird dieser mit langen Holzbürsten entfernt, damit das Gras atmen kann. Kurz vor Turnierbeginn ist dann die Länge des Rasens wichtig: Acht Millimeter sind die Halme lang, alle zwei Tage werden zwei Millimeter abgemäht. Per Hand, versteht sich. Trotz aller Technik ist das "Greenkeeping" also auch ein Stück weit Handarbeit wie zu Kurt Landauers Zeiten geblieben.


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