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Die AfD und Migranten Ein zynisches Doppelspiel?

Die AfD umwirbt Migranten und macht gleichzeitig Stimmung gegen Zuwanderer. Tatsache ist: Die Partei wird auch von Menschen mit Migrationshintergrund unterstützt. Warum unterstützen Migranten die AfD, warum umgarnt die AfD Migranten?

Von: Gabriele Knetsch, Johannes Reichart

Stand: 13.08.2024 |Bildnachweis

Die AfD und Migranten: Ein zynisches Doppelspiel?

Schleiz in Thüringen - Wahlkampfveranstaltung der AfD vor der Landtagswahl. Stimmungsmache durch den Thüringer Spitzenkandidaten Björn Höcke.

"Die Herrschenden, die Kartellparteien machen sich gerade ein neues Volk, das muss man wissen. 200.000 Einbürgerungen im letzten Jahr und in diesem Jahr sollen es noch mehr werden und die stärksten sind die Syrer. Aber von Umvolkung dürfen wir nicht reden, das muss man wissen. Wenn Sie nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden wollen, reden Sie nicht von Umvolkungen."

Björn Höcke, AfD, Spitzenkandidat Thüringen

Was Björn Höcke sagt, kommt bei vielen hier gut an:

Umfrage:

"Wie er für die Deutschen ist, das ist einfach top und dass er nicht alles den Ausländern gibt."

"Ich brauch keine Ausländer hier, wir fahren selber gerne ins Ausland, aber wir fahren hin und wir fahren wieder heim."

"Jeder Ausländer, der hier arbeitet, ist willkommen, aber jemand, der Sozialschmarotzer ist, gegen die haben wir was." 

Menschen mit Migrationshintergrund sind hier offenbar nicht wirklich erwünscht. Auch im Netz ist die Botschaft klar: Landtagsabgeordnete, die sich zum Geburtstag "millionenfache Remigration" wünschen - oder einen zynischen Jahreskalender präsentieren: "Das ist unser Abschiebekalender. Die zwölf schönsten Abschiebeflugzeuge haben wir von der AfD-Landtagsfraktion gesammelt."

Werben um Migranten über soziale Medien

Doch wir stoßen auch auf ganz andere Töne. Wir finden Videos, in denen AfD-Politiker gezielt um Migranten werben: "Türken in Deutschland sollten AfD wählen. Türken in Deutschland sollten eine Partei wählen, die nicht will, dass ihre Kinder in der Schule umgedreht werden. Sie sollten eine Partei wählen, die dafür sorgt, dass man Vater und Mutter ehrt."  (Youtube-Kanal "Dr. Maximilian Krah")

Berlin. An der Humboldt Universität forscht Özgür Özvatan zur AfD - Was widersprüchlich wirkt, sei Teil einer neuen Strategie der Partei.

"Seit dem letzten Sommer hat die AfD angefangen, um migrantische Stimmen zu werben, aktiv vor allen Dingen auf Social Media. Das macht, das ist logisch, weil bei den unter 20-Jährigen haben wir etwa 42 Prozent Menschen mit Migrationsgeschichte in diesem Land. Da ist es logisch, dass Parteien um diese jungen Menschen werben. Und die AfD macht das sehr gut bis jetzt."

Özgür Özvatan, Institut für Sozialwissenschaften Humboldt-Universität Berlin

Teil dieser "Werbeoffensive" der AfD gegenüber Migranten sind Influencer, die selbst Migrationshintergrund haben und AfD-Positionen propagieren:

Social Media Videos

"Die deutschen Bürger haben Sorgen und Ängste - das ist der Grund, warum die AfD immer stärker wird."  TikTok-Account "todt172"

"Ich habe keine Angst vor der AfD. Sie macht mir Hoffnung. Hoffnung, dass Deutschland wieder zu dem Land wird, was es einmal war." X-Account "Catherine Schmiedel"

Auch dahinter stecke Methode.

"Eine Strategie der AfD für migrantische Menschen ist eben auch, ein Feld von Drittaccounts zu beliefern, nämlich Accounts, die nicht zu AfD gehören, die nicht MandatsträgerInnen sind oder auch Nichtmitglieder sind, aber eben Influencer sind, die als freie Bürger erscheinen, aber in ihren Inhalten die Programmatik der AfD verbreiten. Das sind dann meistens eben VertreterInnen von bestimmten migrantischen Communitys, die dann halt vor allen Dingen die eigene Community ansprechen und die versuchen zu mobilisieren für die AfD, ohne selbst Mandatsträgerinnen oder Mandatsträger zu sein."

Özgür Özvatan, Institut für Sozialwissenschaften

Kann die Strategie der AfD aufgehen?

Wir fahren nach Essen in Nordrhein-Westfalen, hier leben viele Migranten aus Afrika. Wie kommen diese Influencer hier an? Das Urteil: gespalten.

Umfrage:

"Ich weiß nicht - also das ist seine Meinung - aber der Bruder ist schwarz, was will der mit der AfD?"

Skepsis auch bei ihm: "Ich war auch in Thüringen, ich bin viele viele Jahre da geblieben, aber ich habe schlechte Erfahrungen gehabt."

report München: "Was haben Sie für Erfahrungen gemacht?"

"Ich war - was kann ich Ihnen da sagen - ich habe viele Probleme gehabt mit den Leuten."

Aber: Es gibt auch hier Migranten, die offen und sich vorstellen könnten, die AfDzu wählen.

"Ja, für mich ja. Weil ich weiß, dass ich gehe nicht raus. Ich bin integriert. Andere Leute wollen nicht integrieren, sie sind 20 Jahre in Deutschland aber gar kein Deutsch und kann nicht kommunizieren."

Werben um Migranten über soziale Medien - die AfD verfolge damit ein klares Ziel.

"Es geht natürlich darum, das Wählerpotenzial zu erschließen und eben ihr eigenes Klientel zu erweitern. Es gibt, äh, Umfragen, die zeigen, dass sie bei den nicht-migrantischen Menschen etwa 20 bis 25 Prozent holen könnten. Und jenseits davon müssen sie natürlich, wenn sie irgendwann eine sogenannte Volkspartei werden möchten, auf 30 Prozent kommen. Und das können sie nicht ohne Menschen mit Migrationsgeschichte."

Özgür Özvatan, Humboldt-Universität Berlin

Die Stimmen von Personen mit Migrationshintergrund sind willkommen - und die Menschen?

"Deutschland den Deutschen, Ausländer raus." (Greding, 13.01.24) - Ein Video, aufgenommen am Rande eines AfD Landes-Parteitages. Immer wieder äußern sich AfD-Politiker abfällig über Menschen aus anderen Kulturkreisen. Für besondere Empörung sorgte ein Auftritt der amtierenden Parteivorsitzenden im Bundestag:

"Ich kann Ihnen sagen, Burka, Kopftuchmädchen, und alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse werden unseren Wohlstand, das Wirtschaftswachstum und vor allem den Sozialstaat nicht sichern."

Alice Weidel, AfD, Fraktionsvorsitzende Bundestag (16.05.2018)

Aussagen, die Menschen mit Migrationshintergrund nicht davon abschrecken, in die AfD einzutreten. In Bayern treffen wir Kerim Erdem, Sohn eines türkischen Einwanderers. Auch aus Unzufriedenheit über die aktuelle deutsche Migrationspolitik wollte er politisch aktiv werden.

"Und ich habe mich dann unterm Strich für die AfD entschieden, weil die mich am besten abgeholt hat. Ich wurde da tatsächlich am besten aufgenommen. Auch wenn man das nicht glauben mag."

Kerim Erdem, AfD, Kreisverband Miltenberg

In seiner Jugend hat Kerim Erdem selbst Anfeindungen erlebt. Wie empfindet er jetzt die scharfen Töne von Alice Weidel?

"Würde ich so nicht wählen, weil Teile meiner Familie definitiv Kopftuchträgerin sind. Aus freiem Wunsch. Ja, das ist ja da der Unterschied."

Kerim Erdem, AfD, Kreisverband Miltenberg

Zurück in Thüringen. Unsere Interviewanfrage an Björn Höcke hat die AfD im Vorfeld abgelehnt - wir versuchen es spontan. Wie steht der Spitzenkandidat der Thüringer AfD zu Migranten in der Partei?

"Es gibt ja auch sehr gut integrierte, sehr fleißige Immigranten. Die dürfen uns ruhig wählen."

Björn Höcke, AfD, Spitzenkandidat Thüringen

Doch sind sie auch in der Partei willkommen? Nachfragen dazu - unerwünscht.

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Drechsler, Dienstag, 27.August 2024, 13:08 Uhr

9. Solingen und die AfD

"Sofort 5 Jahre Einreisestopp", sagte Alice Weidel und der Reporter hat nicht nachgefragt, wie das rechtlich gehen soll. So etwas darf nicht unwidersprochen bleiben.

Die einzig richtigen Schlüsse hat der Terror-Experte Hans-Jakob Schindler gezogen. Die Internetplattformen müssen tätig werden und ihre Algorithmen anpassen. Wenn jemand nach Islamisten im Netz sucht, dann sollte er meinetwegen mit der Heilsarmee oder einem Hasenzüchterverein verbunden werden.
Die Internetanbieter stehen in der Pflicht. Man mag es nicht glauben, dass mit diesem Hass- und Hetzemodell Massen von Geld verdient wird.
Das muss aufhören.
Labile Menschen müssen ja dadurch vollkommen kirre werden.

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Rudi, Sonntag, 25.August 2024, 12:49 Uhr

8. Zynisches Doppelspiel - Solingen?

Was glaubt die Politik, wie lange die Bevölkerung noch die Füsse still hält?

Die unsägliche Diskussion des Messerverbots. Als ob sich ein religiös fanatisierter Mörder von einer "Verbotszone" beeindrucken lassen würde. Lächerlich, was Kommerz-TV da rauf und runter abspielt. Solche Symbolpolitik geht an den realen Problemen vorbei. Einzig der Terror-Experte Peter Neumann sprach die Internetradikalisierung an. Gefährderansprache, Abschiebewidrigkeiten, Grenzschutz, moderne Fahndungsinstrumente wie Face-Recognition u.ä. werden von unseren Politikern nicht oder nur halbherzig umgesetzt. Dem Normalbürger ist es so ziemlich egal, ob der IS Taten für sich reklamiert. Normale Menschen wurden getötet.
Dummerweise hatte Alice Rechts-Weidel damit recht. Auch die überdrehten Gender und Queerdebatten sind mediengepusht überhöht. Das treibt einige zu den Populistenparteien.
Niemand will diesen braunen Sumpf. Wehret den Anfängen!
Also tut was dafür. Wirksame Gesetze wären schon hilfreich.

  • Antwort von Fronja F., Sonntag, 25.August, 19:50 Uhr anzeigen

  • Antwort von Jochen, Montag, 26.August, 13:26 Uhr anzeigen

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Jeschke, Samstag, 24.August 2024, 00:00 Uhr

7. Social Blödia Hetzplattformen

...verdieenen damit Geld, dass sie die Hassbots haften verstärken (Echokammer). Deshalb machen sie das, weil es ums Geld geht. Und wenn sie das wissen und strafbare Hanndlungen gewähren lassen, dann sind sie der Beihilfe zu diesen Straftaten zu verantworten.
Wann traut sich ein Staatsanwalt an diese Dimension eines Strafverfahrens?

Die Plattformen sind mitverantwortlich für die gesellschaftliche Spaltung und der Begehung von Straftaten. Oder ist es doch ein rechtsfreier Raum?

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Zerne, Freitag, 16.August 2024, 12:42 Uhr

6. Die Wähler müssen es begreifen

Die im Osten ganz besonders. Warum?

Wenn Unzufriedenheit mit der herrschenden Regierung dazu führt, dass man Extreme wählt, dann mag das ein Druckmittel darstellen. Aber zu einer besseren Politik führt es garantiert nicht. Ich teile die Kritik an der derzeitigen Regierung, aber die vermeintlichen Lösungen der Heilsversprecher eben nicht.
Manchen Wählern scheint Politik und demokratische Prozesse zu kompliziert. Also hören sie auf die Botschaften im SMS Kurznachrichtenstil. Es wundert mich nicht, wenn viele Leute mental abschalten, weil ein pseudointellektueller Sprachgebrauch und Anglizismen verwendet werden. Wie beim Arzt, wenn er die Diagnose im "Fachchinesisch" erläutert und der "doofe" Patient nickt, aber nur Bahnhof versteht.
Nicht jeder in D hat in Oxford studiert oder ist der deutschen Sprache mächtig. Wer auf dem Bau arbeitet oder Strassenbahn fährt hat nicht zwingend was mit Resilienz, Negotiations oder Beamtendeutsch etwas am Hut.

Erklärt euch. Kurz und knapp.

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Rudi, Freitag, 16.August 2024, 02:07 Uhr

5. AfD - Comlact - Pressefreiheit

Dass die AfD ein Propaganda-Magazin unterhalten möchte ist nachvollziehbar. Allerdings stösst mir auf, dass sich dieses Compact-Magazin auf die Pressefreiheit beruft ohne die grundlegendsten journalistischen Grundsätze zu respektieren.

Im Presserat heisst es:
"Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse!"

Erfüllt das Compact-Magazin überhaupt diesen Leitsatz?

Ist die Schutzwirkung des GG auf den Schutz der Presse auf diesem Grundsatz basierend gemeint oder genießt die willkürliche, propagandistische, hetzerische und gesellschaftszersetzende Verbreitung von Unwahrheiten den Schutz der Pressefreiheit? Sollte das Letzere der Fall sein, könnte jede islamistische, terroristische, staatsfeindliche oder sonstige kriminelle Organisation ein "Magazin" herausgeben und sich auf die Pressefreiheit berufen?

Nicht wirklich.

Der Schutz kann nur auf dem o.a. Leitsatz beruhen.

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