Jugendstudie "Generation What?" Politikverdrossen, kirchenmüde, medienkritisch
Die jüngeren Deutschen haben mehrheitlich weder großes Vertrauen in Politik noch in religiöse Institutionen oder Medien. Das sind die neuesten Ergebnisse der Studie "Generation What?", an der auch der Bayerische Rundfunk beteiligt ist.
Von: Tobias Bönte, Ernst Eisenbichler
Stand: 02.11.2016
Mehr als 930.000 User aus 35 Ländern haben bislang teilgenommen an "Generation What?", einer europaweiten Online-Erhebung zur Lebenswelt von Menschen zwischen 18 bis 34 Jahren. Nach den Fragen zu Lebensglück, Sexualität, Angst, Arbeit und Bildung stehen diesmal die deutschen Ergebnisse zu Vertrauen in Institutionen im Fokus.
Über zwei Drittel ohne Vertrauen in Politik
Grafisch kaum noch zu erkennen: die, die volles Vertrauen in Politik haben
Bild: Quelle: Sinus; Brafik: BR
Das werden Politiker nicht gern hören: Nur 1 Prozent der jüngeren Deutschen vertraut laut der Studie der Politik völlig. Aus 71 Prozent dagegen spricht Politikverdrossenheit. Dabei sind die älteren Befragten deutlich skeptischer als die jüngeren: Nur 27 Prozent der 30- bis 34-Jährigen vertrauen in die Politik, bei den 18- bis 19-Jährigen sind es immerhin 37 Prozent.
Je älter, desto weniger Vertrauen in die Politik
Bild: Quelle: Sinus; Brafik: BR
Besonders drastisch bei dieser Frage sind die Unterschiede zwischen den Bildungsgruppen. Offenbar fühlen sich die bildungsfernen Schichten deutlich stärker von der Politik im Stich gelassen: Nur 25 Prozent der Niedriggebildeten vertrauen der Politik, bei den Hochgebildeten sind es zumindest 41 Prozent.
Beachtliches Maß an Bereitschaft, sich selbst politisch zu engagieren
Bild: Quelle: Sinus; Brafik: BR
Politikverdrossenheit bedeutet nicht automatisch Desinteresse: Die meisten der Befragten wären bereit, selbst die Initiative zu ergreifen. 78 Prozent geben zwar an, sich bisher noch nicht politisch engagiert zu haben, 42 Prozent könnten sich aber durchaus vorstellen, dies zu tun.
Religiöse Institutionen kommen nicht mehr an
83 Prozent trauen religiösen Institutionen "überhaupt nicht" bzw. "eher nicht".
Bild: Quelle: Sinus; Brafik: BR
Nicht nur Politikern, auch religiösen Institutionen wird wenig vertraut. Dabei wurde bewusst nicht nach einer bestimmten Institution - etwa der katholischen oder evangelischen Kirche - gefragt, sondern nach dem Vertrauen in religiöse Institutionen allgemein.
Auch Watschen für Medien und Justiz
Hochgebildete vertrauen Medien deutlich häufiger als Niedriggebildete.
Bild: Quelle: Sinus; Brafik: BR
Den Medien geht es nicht viel besser als Politik und Religion. Nur drei Prozent der Befragten haben volles Vertrauen in Medien, 28 Prozent geben an, dass sie den Medien mehr oder weniger vertrauen. 40 Prozent stehen den Medien skeptisch gegenüber, 25 Prozent haben gar kein Vertrauen.
52 Prozent vertrauen der Justiz "völlig" bzw. "eher".
Bild: Quelle: Sinus; Brafik: BR
Auch bei der Frage zu den Medien gibt es große Unterschiede zwischen den Bildungsgruppen. Während nur 30 Prozent der Niedrig- und Mittelgebildeten den Medien mehr oder weniger vertrauen, sind es bei den Hochgebildeten 42 Prozent. Die Umfrage differenziert übrigens nicht zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Medien oder zwischen Print-, Hörfunk, Online- oder TV-Medien.
Kaum Unterschiede zwischen Ost und West
Bei allen Fragen zum Vertrauen in Institutionen fällt auf, dass es offenbar keine signifikanten Unterschiede zwischen jungen Ost- und Westdeutschen gibt. Angesichts des großen Zulaufs für Pegida und deren Parolen über die "Lügenpresse" erscheint es besonders überraschend, dass mehr junge Ostdeutsche (34 Prozent) als junge Westdeutsche (30 Prozent) Vertrauen in die Medien haben.
Die Studie geht weiter
Noch bis November können junge Menschen zwischen 18 und 34 Jahren auf www.generation-what.de an der Umfrage teilnehmen: Sie umfasst 149 Fragen von Politik über Religion bis hin zu Sexualität und Lebensglück. Das Ziel: Die 18- bis 34-jährigen Europäer sollen die Chance erhalten, selbst ein Bild ihrer Generation zu zeichnen.
Koordiniert wird "Generation What?" von der Europäischen Rundfunkunion (EBU). In Deutschland begleitet der Bayerische Rundfunk zusammen mit dem ZDF und dem SWR das Projekt. Auf der Webseite stehen bereits nach Alter, Bildung und Geschlecht differenzierte Befunde in den Rubriken "So denkt Europa" und "So denkt Deutschland“. Im November wird das SINUS-Institut mit seinen Kooperationspartnern anhand einer repräsentativ gezogenen Stichprobe die Endergebnisse vorstellen.
Von Tobias Bönte und Ernst Eisenbichler