Mittel für Asthmatiker Der Millionen-Kampf eines Erfinders gegen Behörden

Mehr als 50 Milliarden Euro hätte ein Jungunternehmer Europas Krankenversicherten mit einer neu erfundenen Inhalierhilfe gespart. Denn sie verbraucht weniger Asthma-Medikamente. Doch Bayerns Behörden erreichen, dass das Medizinprodukt vom Markt verschwindet. Die EU-Kommission hätte das Verbot schon vor Jahrzehnten prüfen müssen, macht das aber nicht. Exklusive Recherchen zu einem Wirtschaftskrimi.

Von: Jens Kuhn und Jonathan Schulenburg

Stand: 30.05.2018

Mittel für Asthmatiker: Der Millionen-Kampf eines Erfinders gegen Behörden

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Bild: Bayerischer Rundfunk

Kontrovers | BR Fernsehen

Es geht um eine Inhalierhilfe für Asthmatiker für die Christoph Klein 1993 die Idee hat. Sie spart Medikamente und damit Arzneikosten. Sie ist gerade, hat keinen Knick, wie die L-förmigen anderen Produkte. Deshalb bleibt weniger Medikament bei einem Sprühstoß in der Inhalierhilfe stecken. Bei den Patienten kommt die Inhalierhilfe gut an. Produziert wird in Sachsen-Anhalt, der Vertrieb läuft aus Bayern. In Sachsen-Anhalt haben die Behörden an dem Gerät nichts zu beanstanden.

Im April 1996 wird das Bayerische Gesundheitsministerium aktiv. Es fordert die Regierung von Oberbayern auf, gegen die Inhalierhilfe vorzugehen und beruft sich dabei auf das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Die Begründung: Die zugelassenen Medikamente, die mit der neuen Inhalierhilfe eingeatmet werden, könnten vielleicht viel stärkere Nebenwirkungen haben. Außerdem haben sie Bedenken, wenn der Kopf zu lange nach hinten gestreckt ist.

Kampf mit Hindernissen

Seit zwei Jahrzehnten kämpft Erfinder Christoph Klein gegen die Behörden. Es sind große Mühlsteine, von denen Klein spricht: das bayerische Gesundheitsministerium, die Regierung von Oberbayern, das Bundesgesundheitsministerium, das Bundesinstitut für Arzneimittelsicherheit und Medizinprodukte - und die EU-Kommission. Gemeinsam haben sie in seinen Augen dafür gesorgt, dass Kleins Inhalierhilfe vom Markt verschwindet.

Ein Produkt, das Arzneikosten sparen würde

Nicht gefragt werden die Krankenversicherer. Den Versicherten der energie BKK wurde die Inhalierhilfe, in der kurzen Zeit als sie nicht verboten war, unter dem Namen "effecto" verordnet. Jahrelang hatten sie gut 300 Asthma-Patienten im Einsatz: In dieser Zeit wurden 37 Prozent weniger Medikamente verordnet. Die Ausgaben sanken sogar um 41 Prozent - das Verbot der Inhalierhilfe kostet die Kasse viel Geld.

"Der Schaden für unserer Kasse beläuft sich bei unserer Kasse jährlich auf etwa 150.000 Euro und hochgerechnet auf das deutsche Kassensystem rechne ich mit einem dreistelligen Millionenbetrag."

energie BKK

Der Fall landet bei der EU

Die EU muss abschließend entscheiden. Christoph Klein kann nur warten. Denn sein Widerspruch gegen das Verbot wird ausgesetzt, bis Brüssel es genau überprüft hat. Bis zum heutigen Tag, mehr als zwei Jahrzehnte später, hat die Kommission nicht entschieden. Und keine Entscheidung aus Brüssel bedeutet: Das Verbot, für das sich vor allem die Regierung von Oberbayern eingesetzt hat, gilt bis heute: ungeprüft - ob zurecht oder nicht.

Mehr als 50 Milliarden Euro Schaden

2008 wendet sich Klein hilfesuchend an das Europäische Parlament. Die Abgeordneten im EU-Parlament sind fassungslos. 2011 berechnet das EU-Parlament, dass Europas Asthmatiker deshalb mehr als 50 Milliarden Euro für Medikamente zu viel bezahlt haben. Die Volksvertreter beschließen den zuständigen Kommissar vors EU-Parlament zu zitieren. Die Kritik ist ungewohnt heftig. Der heutige Präsident des Europäischen Rechnungshofs macht damals als EU-Abgeordneter seinem Ärger Luft:

"Hier ist nichts anderes passiert, als dass die Kommission eine Bitte eines Bürgers hat schlicht und ergreifend liegen lassen und die Konsequenz war die, dass dem Bürger deshalb Rechtsschutz verweigert worden ist und das ist kein akzeptables Verhalten."

Klaus-Heiner Lehne, CDU, damals Vorsitzender EU-Rechtsausschuss

Christoph Klein fordert von der EU: 300 Millionen Euro Schadenersatz.

Fall mit politischer Brisanz für die EU

Ob die Kommission und ihre Beamte Kleins Fall absichtlich liegen gelassen haben, fragen sich nun mehrere Abgeordnete im Europa-Parlament. Deshalb hat der Fall Christoph Klein politische Brisanz. Er ist für EU-Abgeordnete ein Argument, warum Europas Beamte besser kontrolliert werden müssen.

22. April 2015: Der Europäische Gerichtshof bestätigt es Christoph Klein schwarz auf weiß. Im Urteil steht: Die EU-Kommission hat ihm gegenüber Rechtsbruch begangen, wegen ihrer Untätigkeit. Brüssel hätte längst über das umstrittene Verbot seiner Inhalierhilfe entscheiden müssen.

Doch sie macht das auch jetzt nicht. Deshalb ist Kleins Fall erneut vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Er klagt gegen die EU-Kommission. In seinem Schlussantrag wurde der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof deutlich. Oft folgen die Richter seiner Einschätzung. Und die lautet in Kleins Fall: Die Kommission muss zahlen.

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