Medikamenten-Nebenwirkungen Notaufnahme statt Heilung
Medikamente sollen helfen. Erst einmal. Für die, die sie entwickeln, geht es um Geld, um viel Geld. 2016 hat die Pharmabranche in Deutschland Medikamente im Wert von 40 Milliarden Euro umgesetzt. Zum Teil ohne Rücksicht auf Verluste. Denn Medikamente können auch gravierende Nebenwirkungen haben.
Und die werden häufig klein geredet oder verschwiegen. Dabei kommen jeden Tag tausende Patienten mit unerwünschten Nebenwirkungen in die Notaufnahmen deutscher Kliniken. Sie haben Probleme und Schmerzen, und manchmal bringen gefährliche Arzneimittel sogar den Tod oder machen das Leben zur Hölle.
Fallstudie am Klinikum Fürth
Jeden Tag werden in der Notaufnahme der Klinik Fürth bis zu 20 Patienten eingeliefert mit Medikamentennebenwirkungen. Chefarzt Professor Harald Dormann hat gerade eine Studie im Auftrag des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte abgeschlossen. Er untersucht und dokumentiert diese Fälle. Aktuell wurde eine Frau gebracht, die eine Kombination von freiverkäuflichen Schmerzmitteln genommen hat mit schier unglaublichen Folgen.
"Letztendlich haben wir hier einen Befund, freie Luft im Bauchraum als Zeichen wahrscheinlich eines Magendurchbruchs. Das heißt, sie muss jetzt operiert werden."
Prof. Harald Dormann, Klinik Fürth
Notfall-Patienten auf Grund von Medikamenten-Nebenwirkungen
Das Ergebnis seiner Studie: Etwa acht Prozent der Notfallpatienten kommen auf Grund unerwünschter Medikamenten-Nebenwirkungen in die Klinik. Deutschlandweit ergibt das hochgerechnet laut Prof. Harald Dormann, Chefarzt der Notaufnahme, Klinik Fürth: "Also da sind wir bei etwa 1,6 Millionen Bundesbürgern pro Jahr, was in Kosten berechnet tatsächlich etwa 2,5 Milliarden Euro direkte Krankenhauskosten verursacht."
Und noch eine erschreckende Zahl, über die kaum jemand redet. Prof. Harald Dormann, Chefarzt der Notaufnahme, Klinik Fürth: "Es gibt Schätzungen, die etwa von 30.000 oder mehr nebenwirkungsbedingten Todesfällen pro Jahr in Deutschland ausgehen."
Ursachenforschung – fast jedes dritte Medikament für Patienten nicht geeignet
Wie kann so etwas sein? Professor Andreas Sönnichsen von der Universität Witten/Herdecke hat sich auf die Suche nach einer Ursache gemacht, dem Wildwuchs bei der Verschreibung von Medikamenten. Selber auch praktizierender Arzt, leitet er eine EU-Studie mit rund 4.000 Patienten und über 300 Hausärzten. Es geht um ältere Patienten, die mehrere Medikamente einnehmen. Im Vorfeld dazu hat er herausgefunden: "dass fast jedes dritte Medikament für den Patienten eigentlich nicht geeignet ist aus verschiedenen Gründen. Entweder es gibt keinen wissenschaftlichen Nachweis für den Nutzen, oder der Schaden ist größer als der Nutzen, oder es gibt relevante Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, oder die Dosierung ist falsch."
Es werden also häufig unpassende Medikamente verschrieben und Nebenwirkungen werden nicht erkannt.
Der bundeseinheitliche Medikationsplan
Abhilfe soll ein sogenannter bundseinheitlicher Medikationsplan bringen, mit den Medikamentennamen, dem Grund der Einnahme und vielen weiteren Details. Seit Oktober vergangenen Jahres haben Patienten, die mehr als drei Medikamente gleichzeitig nehmen, Anspruch darauf. Der Arzt soll ihn ausfüllen, der Patient bei sich tragen.
Stippvisite auf der Station: Wer hat so einen bundeseinheitlichen Medikationsplan? Eine Patientin bringt eine ganze Schuhschachtel voll Medikamenten mit, einen Plan hat sie keinen. Stattdessen bringt sie die aufbewahrten Medikamentenverpackungen mit. Ein Sammelsurium. Dem behandelndem Notarzt gibt so etwas kaum Aufschluss. Traurige Bilanz einer Studie von Professor Dormann: nur jeder zehnte Patient, der Anspruch hätte auf einen bundeseinheitlichen Medikationsplan, hat einen und nur jeder Dritte davon hat ihn auch dabei.
Der Medikationsplan
2019 soll der bundeseinheitliche Mediaktionsplan digital auf der Gesundheitskarte kommen, so will es die Regierung. Das bringt auch nichts, meint Professor Harald Dormann. Denn Apotheken haben keinen Zugriff auf die Gesundheitskarte. Rund ein Drittel der Medikamente sind aber ohne Rezept frei verkäuflich. "Die Apotheken müssen eine aktive Rolle in der Erstellung und Fortschreibung des Medikationsplanes spielen", fordert Professor Harald Dormann.
"Und der nächste Schritt muss sein, dass die Medikation tatsächlich überprüft wird, denn davon, dass ich sie dokumentiere, das ist zwar mal die Voraussetzung für eine Überprüfung, aber das garantiert mir noch nicht, dass diese Medikamente tatsächlich für den Patienten gut sind."
Prof. Andreas Sönnichsen, Universität Witten/Herdecke
Fazit
Für die Zukunft sind Politik und Behörden gefordert, rascher und konsequenter zu handeln und auch Medikamente mit gefährlichen Nebenwirkungen zügig vom Markt zu nehmen. Und Patienten sollten mitdenken und ihre Rechte einfordern.
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Alexander K., Samstag, 16.September 2017, 11:54 Uhr
2. Falscher Ansatz.
"Und Patienten sollten mitdenken und ihre Rechte einfordern." Meiner Meinung nach ein falscher Ansatz.
Ich sag's mal ganz grass:
Ein Maurer kann Ihnen in kurzer Zeit eine 20 Meter lange und 2.5 Meter hohe Wand mauern - die schnurgerade ist. Ein Bäcker hat eine Passion für Brötchen - die den Namen noch verdienen. Ein Pädagoge ist ein sozialer Mensch ...
Alle die sollen nebenher noch Pharmazeuten sein oder wenigstens Apotheker? Es muss reichen, wenn der Patient zum Arzt geht, der muss sich kümmern. - Wenn es ihn denn noch gibt ...
Angelika , Samstag, 16.September 2017, 08:56 Uhr
1. Notfall-Patienten auf Grund von Medikamenten-Nebenwirkungen
Werden die Medikamente deswegen mit der vollen Mehrwertsteuer vom Fiskus belastet?