NSU-Prozess: Tageszusammenfassung Zschäpe-Verteidigung torpediert Plädoyers der NSU-Nebenklage
Neun Wochen mussten die Nebenkläger warten, bis sie mit ihren Schlussvorträgen beginnen konnten. Jetzt – am zweiten Tag der Nebenklage-Plädoyers - mussten die Vertreter der NSU-Opfer erneut starke Nerven beweisen.
Von: Ina Krauß
Stand: 16.11.2017
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Bereits gestern hatten die Anwälte von Beate Zschäpe den Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler mehrfach unterbrochen. Heute hinderten sie ihn wieder über Stunden, zu sprechen. Sein Thema: Institutioneller Rassismus. Daimergüler missbrauche seinen Schlussvortrag für politische Reden, so die Kritik.
"Ein Schlussvortrag hat sich zum Inbegriff der Hauptverhandlung zu verhalten, zu dem, was sich im Sitzungssaal selbst abgespielt hat, wir haben beanstandet, dass der Vorsitzende Richter es zugelassen hat, dass sich der Nebenklagevertreter Dr. Daimagüler in aus unserer Sicht sachfremden und allgemeinpolitischen Erwägungen verloren hat, ohne hinreichend einen konkreten Verfahrensbezug herzustellen."
Wolfgang Heer, Beate Zschäpes Verteidiger
Deutliche Kritik an Verteidigern
Doch mit dieser Sicht standen die Verteidiger der Hauptangeklagten Zschäpe ziemlich alleine da. Die Bundesanwaltschaft sprach von Rechtsmissbrauch seitens der Verteidigung, sie wolle die Plädoyers der Nebenklage torpedieren. Nebenklagevertreter Sebastian Scharmer warf der Verteidigung vor, die Plädoyers der Nebenklage nur stören zu wollen.
"Also der Kollege Daimagüler vertritt die Familien Yaşar und Özüdoğru, die in diesem Prozess bislang gar nicht zu Wort gekommen sind, das ist quasi das erste Mal die Sicht der Familien, die hier eine Rolle spielt, und das wird völlig unbegründet unterbrochen durch mehrere Veteidiger, die sagen: 'Rassismus, was hat das mit diesem Verfahren zu tun? Das darf in einem Plädoyer keine Rolle spielen.' Das ist nicht nur absurd, das ich auch respektlos. Nicht nur gegenüber den Opferfamilien sondern auch gegenüber den Kollegen."
Sebastian Scharmer, Nebenklagevertreter
Stimmen der Opfer müssen gehört werden
Nach mehreren Stunden Unterbrechung kam Mehmet Daimagüler dann doch zu Wort und konnte sein Plädoyer fortsetzen. Institutioneller Rassismus in den Ermittlungsbehörden habe Menschenleben gekostet. Dass die Polizei über elf Jahre nicht in Richtung Rechtsextremismus ermittelte, obwohl die Opfer der Ceska-Mordserie alle Migranten waren, zeige, dass der Rassismus in den Ermittlungsbehörden thematisiert werden müsse, sagt Mehmet Daimagüler.
"Rassismus ist ein unbequemes Thema und wir haben heute erlebt, dass Verteidiger mit aller Macht versucht haben, dieses Thema zu verhindern, aber dieses Thema ist wichtig, dieses Thema Rassismus ist meinen Mandanten sehr sehr wichtig, weil es der Rassismus war, der den Vater, den Bruder umgebracht hat, und es war polizeilicher Rassismus, der dazu geführt hat, dass sie beschuldigt wurden. Wir werden diese Dinge thematisieren, wir werden die Stimmen der Opfer nicht zum Schweigen bringen lassen, von niemandem."
Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler
Sogar Verteidiger irritiert
Sogar auf der Anklagebank zeigten sich einige Verteidiger irritiert vom Verhalten von Zschäpes Anwälten. Der Verteidiger des mutmaßlichen NSU-Unterstützers und Kronzeugen Carsten S., Jacob Hösl, konnte keinen Grund erkennen, der die Unterbrechung eines Plädoyers gerechtfertigt hätte. Er habe noch nie erlebt, dass Kollegen einen Schlussvortrag auf diese Weise störten.
"Diese Kultur sollten wir nicht einreißen lassen, weil der Schlussvortrag eine Bewertung des gesamten Verfahrens ist. Und wenn die Dinge, die dort angesprochen werden, nicht außerhalb jeder Relevanz sind, - und die Ausführungen von Dr. Daimagüler sind weiß Gott nicht außerhalb der Relevanz bezogen auf den Gesamtkomplex - , dann muss das Platz haben im Schlussvortrag, denn das ist genau der Ort dafür, nicht die Beweisaufnahme und nicht Beweisanträge, sondern der Schlussvortrag ist eine Bewertung des Verfahrens."
Verteidiger von Carsten S.
Aufgrund der Unterbrechungen konnte Nebenklage-Vertreter Mehmet Daimagüler sein Plädoyer heute nicht beenden. Er wird am kommenden Dienstag erneut ansetzen müssen.