Salafisten aus der Oberpfalz Mutmaßliche Terrorhelfer und das Geschenk der Scharia-Polizei
Ähnlich wie fanatische Fußballfans sammeln auch Salafisten offensichtlich Kultobjekte ihrer Vorbilder. Zwei mutmaßliche Terrorhelfer aus der Oberpfalz, die sich derzeit vor Gericht verantworten müssen, erhielten von einem Prediger Warnwesten mit der Aufschrift "Shariah-Police". Wirklich nur ein Fanartikel?
Von: Joseph Röhmel
Stand: 15.04.2018
| Archiv
Vor ein paar Jahren muss in der Oberpfalz ein Paket mit einem speziellen Kleidungsstück für Salafisten gelandet sein. Absender war der Salafisten-Prediger Sven Lau, der dem Vernehmen nach die beiden Türken Abdullah Ka. und Fatih K. mit zwei orangenen Warnwesten beschenkte. Bedruckt waren die Westen mit der Aufschrift "Shariah-Police". Wollten die Männer aus dem oberpfälzischen Neustadt an der Waldnaab als selbsternannte Sittenwächter durch die Straßen ihrer Heimatstadt patrouillieren, um Muslime vor Verlockungen wie Disko oder Alkohol zu bewahren?
Mutter aus Österreich besucht ihren Sohn vor Gericht
Was die beiden Türken mit den Warnwesten bezweckten, wird vorerst ihr Geheimnis bleiben. Die beiden mutmaßlichen Terrorhelfer schweigen auch an diesem dritten Prozesstag vor dem Oberlandesgericht München. Sie sollen bei der radikal-islamischen Junud al-Sham ("Soldaten Syriens") gekämpft haben.
Der 26-jährige Abdullah Ka. befindet sich auf freiem Fuß, während der 38-jährige Familienvater Fatih K. seit Mai 2017 in Untersuchungshaft sitzt. Kurz nach seiner Verhaftung hat seine Mutter, die in Tirol lebt, in einem Facebook-Video mit tränenerstickter Stimme seine Unschuld beteuert. An diesem Verhandlungstag sitzt sie im Zuschauerraum. Die gebrechlich wirkende Frau geht auf Krücken. In einer kurzen Pause bittet sie darum, mit ihrem Sohn sprechen zu dürfen. Das Gericht gewährt ihr diesen Wunsch.
Spezialkräfte der Polizei haben bei der Durchsuchung der Wohnungen der beiden Angeklagten neben den Warnwesten auch USB-Sticks und weitere Datenträger mit Fotos und Schriften sichergestellt. Drei Ermittler des Landeskriminalamtes, die mit der Auswertung betraut waren, sagen an diesem Tag aus.
Foto mit einem Top-Terroristen in Syrien?
Auf einer Leinwand werden Bilder aus dem Leben der Angeklagten gezeigt. So waren Abdullah Ka. und Fatih K. 2013 mutmaßlich gemeinsam in Syrien; Fatih K. laut Münchner Generalstaatsanwaltschaft 2014 noch einmal – allerdings ohne Abdullah. Fatih K. ist auf einem Gruppenfoto gemeinsam mit einem Mann zu sehen, bei dem es sich um den Terroristen Bajro Ikanovic handeln soll. 2007 war Ikanovic in seiner Heimat Bosnien zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden, weil er mehrere Anschläge auf westliche diplomatische Vertretungen geplant hatte.
In Freiheit landete Ikanovic schließlich in Syrien – mitten unter dschihadistisch orientierten Gruppen. Letztlich fand Ikanovic bei der Terrormiliz IS seine Heimat, für die er ein großes Trainingscamp leitete. 2016 soll der Top-Terrorist Medienberichten zufolge ums Leben gekommen sein; zweitweise wurde er auf der US-Sanktionsliste geführt.
Angeklagter gemeinsam mit Pierre Vogel
Die Ermittler fanden aber nicht nur Fotos, die den Aufenthalt der beiden Oberpfälzer bei Terroristen in Syrien belegen sollen. Die Funde offenbaren auch Querverbindungen zwischen dem deutschlandweit bekannten Salafisten-Prediger Pierre Vogel, dessen Weggefährten Sven Lau und der Szene in der Oberpfalz. Zum Beispiel gibt es ein Bild, das Fatih K. gemeinsam mit Vogel, der früher Boxer war, zeigt.
Fatih K. steht neben Vogel, beide halten grinsend die Boxerfaust ins Bild. Dem Vernehmen nach war Fatih K. ein großer Fan von Vogel. Regelmäßig besuchten er und andere Personen aus dem Raum Weiden Veranstaltungen des Predigers. Zeugnis ist ein Youtube-Video aus dem Jahr 2013 mit einem jungen Mann aus der Oberpfalz, das die beiden Männer bei einem Treffen in Stuttgart zeigt. Der Opferpfälzer berichtet dem Prediger von seinem Weg zum Islam. Er habe vier Jahre vorher den Glauben über einen türkischen Bruder kennen gelernt und sich Vorträge Vogels im Internet angehört. Dann, so der junge Mann, habe er dem Prediger eine Mail mit seiner Telefonnummer geschickt und geschrieben, dass er konvertieren wolle. Vogel habe ihn angerufen, am Telefon sei er schließlich konvertiert.
Pierre Vogel selbst hat sich im BR-Interview im vergangenen Jahr von Terrorgruppen distanziert. Laut Vogel sind 99 Prozent seiner Anhänger gegen Gewalt im Namen Allahs. Insbesondere den sogenannten Islamischen Staat hat er als "idotischen Staat" und die Anschläge der Terrormiliz als Sünde bezeichnet. Trotzdem dienten Vogels Predigten und dessen äußerst konservative Lesart des Islam späteren Terrorkämpfern als Einstieg in den Salafismus – bevor sie sich dann von ihm abwandten, weil er ihnen zu lasch erschien.
An seinem langjährigen Freund Lau hat Vogel festgehalten, selbst als dieser vergangenes Jahr als Terrorhelfer und Rekrutierer verurteilt wurde – wegen Unterstützung einer Islamisten-Gruppe, deren Mitglieder sich im Laufe des Syrien-Konflikts in Teilen der Terrormiliz IS angeschlossen haben. Lau ist ein deutschlandweit bekannter Salafisten-Prediger, der gemeinsam mit Glaubensbrüdern im Herbst 2014 durch das nordrhein-westfälische Wuppertal marschierte, um junge Muslime vom Alkoholkonsum sowie dem Besuch von Spielhallen und Bordellen abzuhalten.
Bei ihrer Aktion trugen die selbsternannten Sittenwächter orangene Warnwesten mit der Aufschrift "Shariah-Police", vergleichbar mit jenen Kleidungsstücken, die Ermittler bei den Angeklagten aus der Oberpfalz fanden. Ist die Warnweste eine Art Kultobjekt in Salafisten-Kreisen? Ein Ermittler des Landeskriminalamtes hat auf den sichergestellten Kleidungsstücken eine Unterschrift entdeckt. Vom wem diese stammt, kann er an diesem dritten Verhandlungstag vor dem Oberlandesgericht München allerdings nicht sagen. Die unleserliche Unterschrift erinnere ihn aber an Autogramme von Fußballstars.
Der Ehemann im Krieg
Die Ermittler fanden aber noch mehr als nur eine Leidenschaft für Salafisten-Prediger. Eine Spur führt zur Frau von Fatih K. und einem Kurs, den sie belegte, um Arabisch zu lernen. Diesen hat sie dann aber wohl abgebrochen – und zwar in der Zeit, in der sich ihr Mann in Syrien aufgehalten haben soll. Darauf lässt eine von den Ermittlern entdeckte Online-Nachricht an die Lehrerin des Kurses schließen. Der Richter verliest die Nachricht. In dieser schildert Fatih K.s Frau, dass sie während einer Schwangerschaft eine harte Zeit durchgemacht habe und deshalb am Kurs nicht teilnehmen konnte.
Ihr Mann, so heißt es in der Online-Nachricht, habe sich in dieser Phase in einem Land aufgehalten, in dem Krieg herrsche. Aus Sicherheitsgründen sei zu ihm kein Kontakt möglich gewesen. Nun sei er "Alhamdulillah" (Alles Lob gebührt Allah) zurückgekehrt. Er habe allerdings nicht nach Deutschland gekonnt und deshalb zunächst bei seiner Mutter in Österreich gelebt. Die Frau erzählt, sie sei ihrem Ehemann nach Tirol gefolgt. Die Wohnverhältnisse bei der Schwiegermutter seien sehr beengt gewesen.
Irgendwann muss dann Fatih K. aber in die Oberpfalz zurückgekehrt sein. Der Bayerische Rundfunk traf den Angeklagten bei Recherchen im Frühjahr 2016 vor dem "Islamischen Zentrum Weiden", eine Moschee, die der Verfassungsschutz als salafistisch einstuft. Am 18. April geht die Verhandlung vor dem Oberlandesgericht München weiter.