Klickrad, dreh‘ dich Warum ich meinen iPod immer noch liebe
Im Hype-Film "Baby Driver" fährt der Protagonist den Fluchtwagen für Bankräuber und hört über seinen iPod ständig Musik. Unser Autor macht es ähnlich - zumindest den Part mit dem iPod. Eine Liebeserklärung an das Apple-Gerät.
Es gibt bis heute wenig Geräusche, die so beruhigend auf mich wirken wie der Sound des Klickrads. Auch in meiner Hand fühlt sich das Teil vertraut an: die matte Vorderseite, die abgerundeten Ecken, die Rückseite, die früher mal glatt war, die Verriegelungs-Taste oben links. Kein Gerät hat mich so lange begleitet und mir so viel emotionalen Beistand geleistet wie der iPod Classic.
Der allererste erscheint im Oktober 2001. Der Slogan damals: "1000 Songs – in deiner Tasche". Zwei Jahre später kriege ich meinen ersten iPod zu Weihnachten geschenkt. Da bin ich der Musik schon hoffnungslos verfallen und verbringe die Feiertage erstmal damit, meine liebevoll zusammengekaufte CD-Sammlung auf dieses weiße, handtellergroße Plastikding zu übertragen.
Mein erster iPod
Diese CDs habe ich seitdem nie wieder angefasst. Meinen iPod dagegen nehme ich überall mit hin – zu jeder Busfahrt, jeder Reise, jeder Situation kann ich mir den Song aussuchen, der am besten passt. Bei jeder Party schleiche ich mich an diejenige heran, die das AUX-Kabel verwaltet und murmele verschwörerisch: "Ich hab‘ meinen iPod dabei!"
Mein Leben passiert im Hintergrund, während im Vordergrund Musik läuft. Die Festplatte meines iPods spiegelt meine Persönlichkeit wider: Am Anfang ist sie gefüllt mit Emo-Kram wie Dashboard Confessional, My Chemical Romance und Taking Back Sunday, über die Jahre kommen Alben von David Bowie, MF Doom und Tegan and Sara dazu.
Mp3-Player sind mittlerweile durch Streamingdienste und Smartphones ersetzt worden. Aber nennt mich altmodisch: mit einem Handy Musik hören ist a) lame und b) hart schlecht für die Batterie. Dass auf dem iPod der Speicherplatz begrenzt ist, finde ich irgendwie charmant. Das führt dazu, dass ich mich regelmäßig mit meiner Musiksammlung auseinandersetze, um Platz für Neues zu schaffen – und ich dadurch alte und neue Songs bewusster höre. Dieses kleine Ding ist meine Geheimwaffe gegen gesponserte Playlists und Algorithmus-DJs.
Als Apple den iPod Classic vor drei Jahren aus den Läden nahm und mein Exemplar kaputt ging, gab es für mich nur eine Option: im Netz für viel zu viel Geld einen gebrauchten kaufen. Aber ich wollte auf keinen Fall meine sorgsam kuratierte digitale Musiksammlung aufgeben. Und wer weiß, wann ich Playlists wie "Poolparty Italien 2011" oder "Papa Joggen" wieder brauchen kann?
Der iPod – das digitale Äquivalent zum Grammophon
Es ist schon witzig, wie im Film "Baby Driver" der iPod als archaisches Relikt portraitiert wird, das nur noch von zwanghaften Musiknerds benutzt wird – das digitale Äquivalent eines Grammophons quasi. Aber wie der Protagonist Baby verbinde auch ich mit diesem Gerät immer noch etwas ganz Grundlegendes: die Freude daran, Musik zu entdecken, sie einzuordnen und sie zu hören. Ich hoffe nur sehnlichst, dass ich noch mal Nachschub herbekomme, wenn mein aktuelles Modell den Geist aufgibt.
Sendung: Plattenbau vom 20.07.2017 ab 19 Uhr