Chorus-Only-Versionen Warum Plattenlabels jetzt nur noch Refrains ins Netz stellen

Post Malone hat es mit "Rockstar" auf Platz 1 der amerikanischen Charts geschafft – mit Hilfe eines Videos, das nur aus dem Refrain besteht und 66 Millionen Mal geklickt wurde. Eine neue Stufe der Kommerzialisierung.

Von: Daniel Czys

Stand: 20.11.2017 | Archiv

Migos | Bild: Quality Control Music

Schon seit längerem wird diskutiert, ob sich ganze Alben für Künstler überhaupt noch lohnen. Seit Streaming-Aufrufe in die Charts miteingerechnet werden, ist es für die Plattenlabels viel wichtiger, mit einzelnen Songs in den Playlisten der Streaming-Anbieter zu landen. Denn so bekommen die Songs auch Klicks, ohne explizit gesucht zu werden.

Die Endstufe der Kommerzialisierung

Der neuste Trend heißt aber: Chorus-Only-Versionen, also Songs, die nur noch aus dem Refrain bestehen und bei YouTube hochgeladen werden. So eine Version haben Migos zum Beispiel kürzlich von ihrem Song "Motorsport" hochgeladen – aufgefallen ist das Phänomen aber zum ersten Mal bei "Rockstar" von Post Malone.

Der Song knackte dieses Jahr die Nummer 1 der Top 100 Billboard Charts in den USA. Bevor der eigentliche Track bei YouTube aber überhaupt hochgeladen wurde, veröffentlichte seine Plattenfirma Republic Records – genau wie das Label von Migos, ein Sublabel von Universal – auf ihrem YouTube Channel eine Chorus-Only-Version des Songs. Diese 3:38 Minuten, die komplett nur aus dem sich immer wiederholenden Refrain bestehen, wurden 66 Millionen mal geklickt.

Für die Charts zählen die Klicks

Das amerikanische Billboard Magazin hat kürzlich eine mögliche Erklärung für diese Chorus-Only-Versionen veröffentlicht. Sie sagen: "Die Klicks für diese Version des Songs zählen genauso wie Instrumental Versionen oder Remixe des Songs in die Platzierung des eigentlichen Songs mit rein.“

Das bedeutet also: jedes Video bei YouTube, auch wenn es nur aus dem Refrain besteht, bringt dem Künstler eine höhere Chart-Platzierung. Wenn es egal ist, welche Version die Leute anklicken, macht es auch Sinn, nur den Refrain ins Netz zu stellen. Denn der geht am schnellsten in den Kopf und im besten Fall suchen die Leute danach noch die Vollversion – und klicken doppelt.

Manipulation oder geschickte Promo?

Die Labels haben also einen Weg gefunden, den Such-Algorithmus bei YouTube schon auf den Song einzustellen, bevor der überhaupt erschienen ist. Möchte der Konsument, angefüttert durch die Chorus-Only-Version, die Vollversion hören, wird er auf einen Link zu den bekannten, kostenpflichtigen Streaming-Anbietern geleitet. In den USA wurde an dieser Taktik nach dem Erfolg von Post Malone Kritik laut. Apple Music Chef Jimmy Iovine warnte davor, dass die Charts durch diese Taktik stark manipuliert werden könnten. Und das Magazin Spin vermutet sogar, dass die Endlosschleife überhaupt erst der Grund für den Erfolg von Post Malone sein könnte.

Post Malone sieht das Ganze etwas anders: "Der Song ist gut, daher ist es wahrscheinlich nicht der einzige Grund. Wenn du deinen Traum lebst, wollen es dir alle anderen weg nehmen. Fuck You!"

Die von uns angefragten Labels haben sich entweder gar nicht geäußert oder gaben an, diese Strategie nicht zu kennen. YouTube hingegen möchte gegen diese Versionen vorgehen:

"Diese Loop-Videos, die fehlleitende oder falsche Metadaten enthalten, verletzten YouTube-Richtlienien. Wir arbeiten aktiv daran, sie zu löschen. Darüberhinaus wird jeder Upload eines Songs, der nur wie der echte Song aussieht und den User gezielt täuschen soll, nicht in die Charts miteingerechnet werden."

YouTube Stament

Ob diese Strategie damit ein Einzelfall bleibt, wird man sehen - denn oft dauert es seine Zeit, bis Inhalte von YouTube gelöscht werden. Aber immerhin hat die Plattform das Phänomen erkannt und versucht der Manipulation aktiv entgegenzutreten.

Sendung: Plattenbau, 20. November 2017 – ab 19 Uhr