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Crowdfunding Der Klingelbeutel des Pop

Statt in Aktien zu investieren, kann man auch seine Lieblingsband unterstützen. Denn seitdem die Musikindustrie den Bach runtergeht, suchen sich Musiker neue Wege, ihre Platten zu veröffentlichen. Einer davon ist Crowdfunding, mit dem auch so etablierte Künstler wie Patrick Wolf und Princess Superstar ihre Fans locken. Eine Win-Win-Situation für beide Seiten?

Stand: 13.10.2010 | Archiv

Crowdfunding: Fans finanzieren die Platten ihrer Lieblingsbands. | Bild: colourbox/BR

"Patrick Wolf finanziert neues Album durch Vorabzahlungen von Fans". Oder: "Gang of Four verkaufen Blut-Ampullen, um Geld für neue Platte zu sammeln." Solche Meldungen sieht man in den vergangenen Jahren immer häufiger. Seit die Musikindustrie auf dem Zahnfleisch geht, suchen Bands intensiv nach neuen Finanzierungsmethoden – und entdecken Crowdfunding als innovative Alternative der Geldbeschaffung.

Die technische Entwicklung tut ihr übriges: Plattformen, die es Bands ermöglichen, Marketing und Management zum größten Teil an ihre Fans zu delegieren, schossen aus dem Boden und genossen reges Medieninteresse. Eine der Plattformen, die sich auf Crowdfunding spezialisiert hat, ist Pledge Music. Das seit gut einem Jahr existierende Unternehmen ist damit am erfolgreichsten. 77 Prozent ihrer Künstlerkunden erreichen ihre finanziellen Ziele, nämlich eine Platte zu produzieren oder auf Tour zu gehen. Als Gegenwert bekommen die Fans für ihr Geld Schmankerl wie Pizzaessen mit der Band oder einen privaten Songwriting-Workshop.

10.000 Dollar für einen Striptease

Manch Musiker schießt dabei aber übers Ziel hinaus: Die New Yorker Rapperin Princess Superstar verspricht demjenigen, der 10.000 Dollar locker macht, einen burlesken Striptease an. Momentan hat noch keiner angebissen, aber das ist ihr eigentlich ganz recht: "Das habe ich eher als eine Art Marketing-Trick gemacht. Eigentlich wollte ich den Preis auf 100.000 Dollar festlegen, denn ich will das jetzt nicht unbedingt machen!"

Erstaunlich, aber wahr: Über so reißerische Methoden lassen sich Fans nicht mobilisieren. Lediglich Medien greifen solche Meldungen gerne auf. Fans wollen direkt angesprochen werden und regelmäßig in den Bandkosmos eingebunden sein - durch Twittermeldungen und andere kontinuierliche Kommunikation. Das weiß auch Pledge-Music-Gründer Benji Rogers. "Man sollte von Anfang an im Auge haben, was genau deine Fans bekommen werden – und das sollten tolle Erfahrungen sein."

"Man möchte die Band schwitzen sehen"

Prinzipiell kann also jede Band Crowdfunding nutzen – vorausgesetzt, sie wendet es richtig an und bleibt dabei authentisch. Das sagt zumindest Tobias Lorenz, der für Marketing und Kooperationen bei der Crowdfunding-Seite Sellaband zuständig ist. Auch er ist sich bewusst, dass für Musik allein kaum jemand mehr bezahlen will: "Man möchte Teil von der Band sein, man möchte vorne stehen, man möchte sehen, wie die spielen, wie die schwitzen, wie die sich auspowern."

Public Enemy-Rapper Chuck D.

Den eh schon lädierten Plattenfirmen macht Crowdfunding keine Konkurrenz - auch wenn frühe Fürsprecher wie Chuck D von Public Enemy damit die Musikindustrie revolutionieren wollten. Vielmehr, so Label- und Crowdfunding-Vertreter, wird es in naher Zukunft mehr Kooperationen zwischen Plattenfirmen und Crowdfunding-Plattformen geben. Eins ist aber klar: Wer das große Geld scheffeln will, für den ist Crowdfunding definitiv nicht das richtige Geschäftsmodell. Die Plattform Sellaband musste Anfang 2010 mit Hilfe privater Investoren neu gestartet werden, und weder sie noch Pledge Music machen momentan Gewinn. Aber um Profit geht es beim Crowdfunding ja eh nicht - sondern darum, seine Musik überhaupt veröffentlichen zu können.


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