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Def Jam Germany Die dunklen Tage des Deutschrap

Def Jam ist offiziell das erfolgreichste HipHop-Label aller Zeiten - keine große Überraschung. Doch nicht alles, was das New Yorker Label angefasst hat, wurde zu Gold. So wie der deutsche Ableger Def Jam Germany zum Beispiel.

Von: Malte Borgmann

Stand: 27.10.2015 | Archiv

Def Jam ist das erfolgreichste Label aller Zeiten | Bild: BR

Matt Daniels, unser liebster Big-Data-HipHop-Nerd hat mal wieder die Analysetools angeschmissen. Nachdem er bereits letztes Jahr das Vokabular einzelner Rapper untersucht hat, widmet er sich in seiner neuesten Studie den US-HipHop-Labels. Die Fragestellung dabei: Welches war das erfolgreichste? Die wenig überraschende Antwort: natürlich Def Jam. Das New Yorker Label, das von Rick Rubin und Russel Simmons 1984 gegründet wurde, ist schließlich für den HipHop das, was Motown für den Soul war - nämlich das Label. Von den Beastie Boys über Public Enemy, Jay Z und Kanye West bis hin zu Rick Ross und Rihanna - um die Entwicklung von HipHop und R'n'B hat sich wohl kein anderes Unternehmen so verdient gemacht wie Def Jam. Aber nicht alles aus dem Hause Def Jam wurde zu Gold. Der deutsche Ableger Def Jam Germany steht zum Beispiel eher für ein Kapitel Deutschrapgeschichte, das viele wohl lieber vergessen würden. Dabei begann alles ganz gut.

Gold-Digger-Stimmung im deutschen HipHop

Um die Jahrtausendwende erlebt der deutsche HipHop eine kommerzielle Hochphase von bis dato ungeahnten Ausmaßen. Reihenweise wechseln einstige Realkeeper wie Freundeskreis, Samy Deluxe oder Absolute Beginner zu den bösen Majors und verkaufen Einheiten im fünfstelligen Bereich. Das Bo und DJ Tomekk entern mit ihren Singles "Türlich Türlich" bzw. "Rhymes Galore" die Top Ten. Zur Erinnerung:

Viva, MTV und Bravo stürzen sich auf den Deutschrap-Hype und die großen Plattenfirmen überschwemmen den Markt mit heute zu Recht vergessenen Eintags-Cash-Cows wie Cappuccino, Der Wolf oder Nico Suave. Das Rudel tollt, der Rubel rollt, aber hallo. Inmitten dieser ausufernden Gold-Digger-Stimmung entscheiden einige Plattenfirmen-Executives dies- und jenseits des Atlantiks, dass es an der Zeit wäre eine deutsche Version des damals schon legendären Labels Def Jam ins Leben zu rufen. Angeblich ist es Andreas "Bär" Läsker, der die Connections klar macht zwischen den amerikanischen Def Jam Bossen und den deutschen Universal-Büros und das Projekt "Def Jam Germany" Anfang der 2000er in die Wege leitet. Läsker scheint dafür der richtige Mann, hat er doch als Manager der Fantastischen Vier bereits kommerziell erfolgreichen Rap vermarktet, als die anderen Rapper noch im Zug zu Jams gefahren sind.

Keine Vision, keine Hits, kein Erfolg

Innerhalb kürzester Zeit schwingt er sich unter einigermaßen undurchsichtigen Umständen zum Präsidenten von Def Jam Germany auf. Im Grunde aber hat Läsker leider keine Ahnung von HipHop: Relativ wahllos signt er alles weg, was noch nicht vertraglich an ein anderes Label gebunden ist. Darunter ist fürchterlicher Schrott wie Phillie MC oder Glanz FX, die heute niemand mehr kennt und auch durchaus korrekte Acts wie Konkret Finn oder die Spezializtz. Eine klare Vision aber lässt Def Jam Germany schmerzlich vermissen.

Am Bittersten: Def Jam Germany ist an King Kool Savas dran, dem damals aussichtsreichsten Newcomer des Landes - doch der Deal scheitert. Über die Gründe gehen die Meinungen auseinander. Fakt ist: Savas' Klassiker "Der Beste Tag meines Lebens" erscheint bei Sony BMG und nicht bei Def Jam. Die Acts, die man gekriegt hat, bleiben dagegen weit hinter den überzogenen Verkaufserwartungen zurück. Und Andreas "Bär" Läsker kotzt sich währenddessen in Interviews über die eigene Klientel aus:

"Der deutsche HipHop steckt in einer Krise. Das hat meiner Meinung nach zwei Gründe: Rein inhaltlich interessiert es hunderttausende potenzielle Konsumenten nicht, was irgendwelche inzestuösen, auf Sofas kiffende Spastiker sich gegenseitig zu erzählen haben. Trotz der vielen Silben ist ihr Zeug leider sehr einsilbig. Zum zweiten ist es für HipHop-Fans extrem cool, keine CDs zu kaufen, sondern sie zu klauen oder zu brennen."

- Andreas Läsker

Im Grunde hatte Läsker ja Recht: Der deutsche HipHop steckte in einer Krise. Aber das lag eben auch an Leuten wie ihm, die den Markt mit unausgegorenem und künstlich aufgeblasenem Dreck übersättigten. Rick Rubin und Russell Simmons, die Gründer von Def Jam US, waren zwei geschäftstüchtige Rapenthusiasten. Def Jam Germany wurde gegründet von einem rapverachtenden Geschäftsenthusiasten. Im Juni 2002, nach gerade mal zwei Jahren, schlossen die Def Jam Germany Büros in Berlin, Kreuzberg ihre Pforten. Die erste große Deutschrapblase war geplatzt. Und einige Blocks weiter warteten schon ein paar Ghettokids darauf, die Überreste einzustampfen. Die Ära Aggro sollte beginnen.


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Deutschrapnerd, Dienstag, 27.Oktober 2015, 17:54 Uhr

1. Faktencheck:

Also, wenn man schon so großkotzig und historisch relevant über Deutschrap-Geschichte schreiben will, dann bitte gscheit:

- was zur Hölle bedeutet denn bitte "einstige" Realkeeper? Gibt man mit einer Unterschrift bei Majors das Realsein an der Garderobe ab?

- außerdem verkauften Freundeskreis und die Beginner locker sechsstellig, Beginner 250.000, FK 300.000

- Nico Suave in eine Reihe zu stellen mit Der Wolf und Cappuccino setzt dem ganzen die Krone auf: Jemanden mit Features von und mit Eins,Zwo, Samy Deluxe/Dynamite Deluxe, Blumentopf, usw... als Eintags-Cash-Cow zu bezeichnen, lässt nur vermuten, dass der Autor Deutschrap erst seit 2010 kennt