Ruhmeshalle Freundeskreis - Quadratur des Kreises
1997 passierte, was niemand für möglich gehalten hätte: Stuttgart war die coolste Stadt Deutschlands. Was der Underground immer befürchtet hatte, war eingetreten. HipHop war massenkompatibel. Und ein Lieferant für Liebeslieder.
Es ist 1997 und VIVA spielt noch Musik. Ich werde weder durch Klingeltonwerbung verstört, noch dazu aufgefordert mir den neuesten Hit von Schnuffel, dem süßen Hasen auf mein Handy zu laden. Die Welt ist schön. Gerade läuft ein amerikanisches, auf Hochglanz poliertes HipHop-Video. Von diesem Budget hätte man genauso gut eine deutsche Kleinstadt auf dem Südpol nachbauen können. Leichtbekleidete Damen kichern sich durchs Video und sind offensichtlich beeindruckt von... allem. Ein gewohntes Bild.
Mit dem Ohr auf der Schiene der Geschichte
Ein neues Video beginnt und jemand rappt auf Deutsch. Es geht um Geschichte. Wie kann das denn sein? Ich warte auf die Einblendung des Bandnamens. Freundeskreis.
Ein paar Wochen später ist die Band aus Stuttgart mit ihrem Debütalbum "Quadratur des Kreises" in aller Gymnasiasten Munde. Max Herre, Don Phillipo und DJ Friction schaffen es, den sonst so geschlossenen HipHop-Zirkel für die breite Masse zu öffnen. Als im Sommer dann auch noch die Single "A-N-N-A" ausgekoppelt wird, gibt es sowieso kein Halten mehr. HipHop ist plötzlich völlig legitim für alle, fast schon romantisch.
Komik ist Tragik in Spiegelschrift
Man kritzelt "Komik ist Tragik" in Spiegelschrift in seine Schulordner und fühlt sich seltsam verstanden. Bildungsbürgertum gespickt mit politischen Zitaten und ein wenig Lyrik aus dem Leistungskurs Deutsch. Freundeskreis schaffen es dem Rap einen Scheitel zu ziehen und eine Brille aufzusetzen. Zudem hat HipHop mit Freundeskreis-Gründer Max Herre endlich einen Posterboy. Die Bravo setzt dem Ganzen die Krone auf, als sie Max Herre zum "Jesus von Benztown" krönt. Die Jungs wollen sein wie er, weil er trotz putziger Locken arschcool ist und die Mädchen sind hingerissen.
Baby, wenn du down bist
Die Band lässt sich vom Hype um derlei Äußerlichkeiten wenig beeindrucken und arbeitet weiter an ihrem eigenen Entwurf von HipHop. Selbst live setzen sie ihre unkonventionelle Herangehensweise fort und gehen, im Gegensatz zu anderen HipHop-Acts, mit Liveband auf Tour.
Reggae, Jazz, Soul finden sich auf ihrem Debütalbum ebenso wie Dadaismus und ein Cover von Udo Lindenbergs "Baby, wenn ich down bin". Das dürfte ihnen aus der HipHop-Szene nicht unbedingt flirrende Liebesbriefe eingebracht haben.
Eigentlich könnte man mal wieder ein paar Kassetten aufnehmen. Und sich dabei vorstellen, dass "A-N-N-A" nicht als Jamba-Klingelton erhältlich ist. Aber wie so vieles gleicht wohl auch diese Idee der Quadratur des Kreises.