Psychedelische Effekte, Loops und Höfner Bass Das sind die Zutaten des Tame-Impala-Sounds
Vom Neo-Psychedelic-Rock zum ganz großen Pop: Kevin Parkers Projekt Tame Impala ist einer der stilprägendsten Acts der 10er Jahre. Superstars wie Travis Scott oder Lady Gaga holen sich den Australier ins Studio, weil sie seinen Trademark-Sound wollen. Wir zeigen euch, woraus der besteht.
2008 erscheint die selbstbetitelte Debüt-EP von Tame Impala. Hinter dem Projekt steckt der damals 22-jährige Kevin Parker, ein junger Musiker, der in seiner Heimatstadt Perth an der australischen Westküste in diversen Rock-Bands aktiv ist. Tame Impala ist eigentlich eine reine Spaß-Geschichte. Heute erscheint mit "The Slow Rush" das mittlerweile vierte Album von Tame Impala – und in den dazwischenliegenden zwölf Jahren ist viel passiert: Kevin Parker, der langhaarige Loner aus Perth, lebt mittlerweile in Los Angeles und ist ein viel gefragter Mann. Tame Impala sind für die 2010er-Jahre das, was die White Stripes und die Strokes für die 00er waren: DIE stilprägende Indieband (auch wenn Tame Impala streng genommen ein One-Man-Projekt ist), die auch völlig genrefremde Hörer auf dem Schirm haben – weil die Songs so gut sind und der Soundentwurf so einzigartig.
Tausende Bands weltweit eifern – bewusst oder unbewusst – dem Tame-Impala-Sound nach und die großen Popstars wie Rihanna, Travis Scott oder Lady Gaga holen sich Kevin Parker höchstpersönlich ins Studio, um von seinem Erfolgsrezept zu profitieren. Auch wenn Kevin Parker mit dem letzten Album "Currents" den Psych-Rock bereits hinter sich gelassen hat und die Gitarre immer mehr den Synthesizern gewichen ist, gibt es einige Kernelemente, die für diesen speziellen Tame-Impala-Trademark-Sound sorgen, den man sofort wiedererkennt.
Der Höfner Bass
Ende 2018 kommt es in Kalifornien zu großen Waldbränden. Kevin Parker befindet sich gerade in Malibu und arbeitet an seinem neuen Album, als er von den Feuern überrascht wird. Überstürzt muss er das Haus, in dem er ein kleines Home-Studio eingerichtet hat, verlassen. Das Gebäude brennt nieder. Auf Instagram postet er ein Foto seines Equipments und schreibt dazu: "RIP to all this gear (and someone’s beautiful house) in Malibu. I made it out with my laptop and the Hofner. My heart breaks for the wildlife."
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tameimpala
RIP to all this gear (and someone’s beautiful house) in Malibu. I made it out with my laptop and the Hofner. My heart breaks for the wildlife😞
Was also rettet er? Klar, den Laptop mit den Aufnahmen. Und: "The Hofner", seinen Höfner 500/1 Violin-Bass, den er auch auf dem Backcover von Lonerism in den Händen hält. Die Geschichte unterstreicht, wie wahnsinnig wichtig dieses Instrument für Kevin Parker ist. Der Höfner 500/1 ist auch bekannt als "Beatles-Bass" – er war das bevorzugte Instrument von Paul McCartney. Der mochte den Höfner aufgrund seines kleineren Griffbretts und der geringeren Saitenspannung. Das machte es McCartney, der ja ursprünglich Gitarrist war, leichter, melodisch komplexe und filigrane Basslinien zu spielen. Außerdem hat der Höfner einen sehr prägnanten Sound: Einerseits erinnert er an den tiefen, treibenden Klang eines akustischen Kontrabass, gleichzeitig hat er dieses wunderbar holzige, knackige Plocken beim Anschlag. Und das hört man in fast allen Tame-Impala-Hits. Von "Why Won’t You Make Up Your Mind" über "Feels Like We Only Go Backwards" bis "Lost In Yesterday" – oder auch mal verzerrt wie bei "Elephant".
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Tame Impala - Elephant (Official Video)
Wer mit offenen Ohren Radio hört, merkt, wie viele andere Bands sich in Sachen Bass von Tame Impala haben inspirieren lassen. Auf der Bühne sieht man den Höfner zwar selten, weil er live recht störanfällig ist, aber im Studio erlebt er seit Tame Impala bei vielen Indiebands ein kleines Revival. Ein Beispiel unter vielen: Von Wegen Lisbeth. Dieser hochinfektiöse Basslauf in "Wenn Du Tanzt" – das ist ebenfalls ein Höfner.
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Von Wegen Lisbeth - Wenn du tanzt (Offizielles Musikvideo)
Die Drums
Im Internet gibt es dutzende Videos und Blog-Einträge, die versuchen, das Geheimnis hinter Kevin Parkers Drumsound zu entschlüsseln. Wie schafft es der Mann, dass sein Schlagzeug so warm, trocken und retro klingt, gleichzeitig aber diesen saftigen Punch hat? Kurze Antwort: 60er-Jahre-Vintage-Ludwig-Drumset, unkonventionelle Mikrofonierung, ganz viel Kompression. Wem das noch nicht nerdy genug war, weiterführende Informationen gibt's zum Beispiel hier.
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The Tame Impala Drum Sound: How to Mic, Mix, & Select Drums | Reverb
Die psychedelischen Effekte
Kevin Parker liebt das Effektarsenal des Psychedelic-Rock: Badewannen voll Hall, massenhaft Delays und Echos, Fuzz-Distortion und Overdrive – und immer wieder Flanger. Bei Flangern wird das Original-Tonsignal verdoppelt, wobei das zweite Signal mit einer winzigen zeitlichen Verzögerung abgespielt wird. Dabei verändert sich die Länge der Verzögerung kontinuierlich, das heißt, das Original und der kopierte Sound nähern sich zeitlich an und entfernen sich wieder voneinander – alles im Millisekundenbereich. Wenn man den Flanger richtig aufreißt, klingt das am Ende so, als würde einen die Musik rauschend umkreisen. Solche Strudel-Effekte gibt’s immer wieder bei Tame Impala, auf dem neuen Album zum Beispiel im Mittelteil des letzten Songs "One More Hour".
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Tame Impala - One More Hour (Official Audio)
Die Loops
Auf der Bühne ist Tame Impala eine sechsköpfige Band, im Studio ein Ein-Mann-Projekt, bei dem Kevin Parker alle Instrumente selbst spielt. Dabei nutzt er die Aufnahme-Software Ableton Live, die gerade bei Produzenten im Dance- und Elektronik-Bereich beliebt ist, weil sich mit ihr kurze Sound- und Beat-Schnipsel sehr leicht loopen, also unendlich wiederholen lassen. Diese Loops können dann relativ einfach übereinandergeschichtet und verfremdet werden. Genau so arbeitet auch Kevin Parker: Er spielt ein paar Takte an einem Instrument, loopt diese, setzt sich ans nächste Instrument, spielt den nächsten Loop ein und so weiter. Wie das aussieht, zeigt ein schönes Behind The Scenes-Video von den Aufnahmen zum letzten Tame-Impala-Album "Currents" (inklusiver beneidenswerter Aussicht).
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Tame Impala - Currents Collectors Edition
Das heißt also: Kevin Parker hat ein paar schöne Vintage-Instrumente, arbeitet aber mit ihnen im Studio so, wie es HipHop- oder Elektronik-Produzenten tun würden: Kurze Sequenzen aufnehmen, loopen, übereinanderschichten, Elemente hinzufügen und wieder entfernen. Ganz extrem hört man das zum Beispiel im Song "Let It Happen", wo es kurzzeitig so klingt, als hätte die Platte einen Hänger – und dann setzen plötzlich die Streicher ein. Oder auch im Opener von "Lonerism", wo sich das titelgebende geflüsterte Mantra "Try to be above it" durch den ganzen Song zieht.
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Tame Impala - Let It Happen (Official Audio)
Dass Kevin Parker, der Psychedelic-Rock-Nerd aus Perth also mittlerweile mit HipHop-Artists wie Travis Scott im Studio steht, ist also gar nicht so abwegig, sondern eigentlich ziemlich folgerichtig.
Sendung: Plattenbau am 13.02.2020 - ab 19.00 Uhr