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Buch // Deutschpop halt's Maul! Drei Gründe, warum deutscher Pop uncool ist

Der Autor Frank Apunkt Schneider liebt steile Thesen zum Deutschpop - wir auch! Hier sind die spannendsten Ideen aus seinem Buch "Deutschpop halt's Maul! Für eine Ästhetik der Verkrampfung", runtergebrochen auf Small-Talk-Modus.

Von: Katja Engelhardt

Stand: 12.08.2015 | Archiv

Deutschpop halt's Maul Cover | Bild: Ventil Verlag

"Deutschpop halt's Maul!" - das ist doch mal eine Ansage. Trotzdem holt Autor Frank Apunkt Schneider in seinem neuen Buch nicht einfach zum Rundumschlag gegen Pop aus Deutschland an sich aus. Stattdessen bremst er die Euphorie über die Tatsache, dass deutsche Musik derzeit so erfolgreich ist. Er glaubt Politik, Künstler und Fans haben sich von einem heimattümelnden Deutschpop-Tagtraum einlullen lassen. Wir haben drei steile Thesen aus dem Buch, das die schwarz-rot-goldene Blase platzen lassen soll, für euch zusammengefasst.

1. Die Politik instrumentalisiert deutschen Pop

Frank Apunkt Schneider widerspricht dem Mythos der deutschen Popgeschichte, der gerade von Popbeauftragten oder dem Kulturstaatssekretär Tim Renner aufgebaut werden soll. Sie propagieren die Idee einer gradlinigen und innovativen deutschen Popgeschichte. Sie soll die Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg verstärken, ein positives Image aufbauen und dabei helfen, die eigene Geschichte aufzuarbeiten. Nach Frank Apunkt Schneiders Ansicht hatten große Teile der deutschen Popgeschichte nach 1945 eine komplett gegenteilige Funktion. Der Einfluss der Alliierten und ihrer mitgebrachten Popmusik war früher eine Möglichkeit, mit der deutschen Identität zu brechen. Man konnte Jazzer sein, Punker, alles. Nur klassisch deutsch musste niemand sein. Auch in den Texten der deutschen Popszene wurde Deutsch kaum als Sprache benutzt: Englisch wurde Sehnsuchtssprache, in die alles hinein interpretiert werden konnte. Die aktuelle Popmusik hat sich mit all diesen Widrigkeiten, der deutschen Sprache, Verantwortung und Reflexion, scheinbar vollkommen versöhnt und feiert sich selbst.

2. Der aktuelle Deutschpop ist zu 90% nationale Gefühlsduselei

"Das kann uns keiner nehmen", "Ein Hoch auf uns" - Frank Apunkt Schneider kritisiert, dass Bands wie Revolverheld oder Künstler wie Andreas Bourani ständig für das "Wir" texten, für das große homogene Kollektiv, das es sich in einem Gemeinschaftsgefühl gemütlich macht, so als ob permanent WM wäre. Selbstverständlich muss das keine Agenda der Musiker sein. Frank Apunkt Schneider sagt trotzdem: "Ich bin aber kein 'wir' und du bist es auch nicht." Je mehr Texte alle Hörer vereinnahmen oder das versuchen, desto schwieriger wird es, sich loszulösen, selbstständig zu denken und Individuum zu sein.

3. Kraftklub und Frei.Wild brauchen sich gegenseitig

In der Diskussion um Frei.Wild nimmt Frank Apunkt Schneider die Beobachterperspektive ein. Er sagt: Wenn Kraftklub, Mia, Jupiter Jones und Co. sich von Frei.Wild distanzieren, dann nützt das dem Außenseiter-Image der umstrittenen Band aus Südtirol. Gleichzeitig grenzen sich Bands wie Kraftklub aber auch damit ab und festigen somit ihre eigene Identität als "gute Popdeutsche". Eine Win-Win-Situation.

Fazit: Von steilen und spannenden Thesen gibt es in "Deutschpop halt's Maul" noch viel mehr zu entdecken. Weil es sich liest wie eine Sammlung von mehreren Essays, ist es nicht die klassische Lektüre, mit der man sich angeschickert in die Hängematte verkriecht. Mit Witz und Cleverness wird das Buch aber jeden begeistern, der für Musik brennt. 


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Wanda, Freitag, 14.August 2015, 17:14 Uhr

1. uncooler Deutschpop

- man kann alles hochthematisieren, selbst den "Deutschpop". Dabei ist alles ganz simpel: man vergleiche diesen Krampf mit der internationalen Konkurrenz, dann wird schnell klar, dass es sich bei fast allem in der Regel um missratene UK/US-Kopien handelt bzw. man versucht auf irgendeine Welle als Nichtschwimmer mitzuschwimmen.
Das Lächerlichste und Provinziellste überhaupt: wenn irgend ein deutscher oder z.B. deutsch-türkischer Künstler die us-ghetto geprägten Stile imitiert, mit gespreizten Fingern, Dumpfbacken-Vokabular, quersitzenden Baseballkappen und vermeintlich schwarz-rhytmischem Gehopse: unfreiwillig komisch und qualitativ ätzend...