This is Atomic Love "Ein Film über den besten Club der Stadt"
Nach 18 Jahren Atomic Café musste der Kultclub in München 2015 schließen. Was bleibt sind Erinnerungen und Geschichten - von wilden Abenden und durchgetanzten Nächten. Jetzt festgehalten in der Doku "This is Atomic Love".
In 18 Jahren hat sich das Atomic Café in München zu einem der wichtigsten Clubs Deutschlands hochgearbeitet. Für Musik-Liebhaber der wichtigste Treffpunkt Münchens, für viele Bands ein großer Meilenstein in ihrer Karriere. Als bekannt wurde, dass der Club 2015 schließen muss, fassten sich zwei Münchner Filmemacher ein Herz und hielten die letzten Tage und die bleibenden Erinnerungen in der Doku "This is Atomic Love" fest. Nach zwei Jahren Arbeit feiert der Film jetzt auf dem Münchner DOK.fest Premiere. Wir haben mit den beiden Machern Marc Seibold und Heike Schuffenhauer, die auch für PULS als Redakteure arbeiten, über die Geschichte hinter dem Film geredet.
PULS: Es gibt ein paar Geschichten, in denen Menschen von ihrem ersten Abend im Atomic Café erzählen. Erinnert ihr euch denn noch an euren ersten Abend?
Heike: Ja, ich erinnere mich ziemlich gut an meinen ersten Abend im Atomic. Ich bin gerade nach München gezogen und hatte davor ein freiwilliges soziales Jahr in London gemacht, wo Ausgehen natürlich ganz anders zelebriert wird, als ich das vorher aus Deutschland kannte. Dann bin ich ins Atomic Café gegangen und war sehr positiv überrascht. Ich war betrunken, ich habe mit Leuten geredet, die sehr nett waren und mir auf der Toilette Lebensweisheiten erzählt haben und seitdem bin ich nicht mehr in andere Clubs gegangen, weil ich eigentlich sehr glücklich war, diesen Laden gefunden zu haben.
Marc: Ich kann mich noch daran erinnern, dass das Atomic einer dieser Läden war, wo man zum ersten Mal als junger Bub einen Schnaps vom Barkeeper ausgegeben bekommen hat. Es ist nur Schnaps, aber es bedeutet einem in diesem Moment die Welt, weil man jemanden kennt, der ein cooler Barkeeper ist und der sagt: "Hier, Junge, Schnaps. Geht auf’s Haus." Dann denkt man sich: "Geil, das ist mein Laden!" Das ist auch im Film lustig, weil die Chefs sagten, man durfte erst ab 18 rein, aber die Hälfte der Leute mit denen wir gesprochen haben, waren da erst 14 oder so. Also: man ging da sehr früh hin, obwohl man das natürlich niemandem sagen darf.
Was ist das Besondere am Atomic Café, dass man darüber einen Film macht?
Heike: Ich glaube, es zeigt sich im Film, warum man einen machen sollte. So viele Leute haben sich nach so vielen Jahren noch daran erinnert. Du hast Bands, die da 2004 oder 2006 gespielt haben und noch wussten, was das für ein Laden war.
Wie seid ihr denn an die Leute herangekommen? Habt ihr einfach einen Verteiler verschickt, ob irgendjemand noch das Atomic kennt?
Heike: Nein, wir haben geguckt, wer dort gespielt hat und weil das ein Low-Budget-Film war, waren wir stark davon abhängig, wer in München oder Deutschland ist. Aber wir haben auch geschaut, welche Bands relevant waren. Wir haben natürlich auch Black Rebel Motorcycle Club angefragt und dann auch eine Antwort bekommen. Die meinten nur: "Wir schauen mal...". Aber das war es dann leider. Wir waren uns auch nicht sicher ob wir für Black Rebel Motorcycle nach Amerika geflogen wären...
Marc: Für die Kaiser Chiefs sind wir dann nach Berlin gefahren, weil sie dort auf einem großen Festival gespielt haben. Das war auch der Moment, indem ich begriffen habe, wie wichtig dieser Laden eigentlich war. Die Kaiser Chiefs spielten dort vor mehreren 10.000 Leuten und hatten Welthits. Wir hatten nur einen Fünf-Minuten-Slot und haben gehofft dass sie Floskeln, wie "geilster Club" oder so verwenden. Stattdessen erzählten sie vom Atomic Café, als wären sie gestern erst da gewesen. Das war letzes Jahr - gespielt haben sie da zuletzt im Jahr 2006 - und konnten sich noch an den Glitzervorhang erinnern und wie der Backstagebereich ausgesehen hat. Da versteht man dann zum ersten Mal: Krass - selbst für Bands, die jede Woche woanders auftreten auf der Welt, sind so kleine Läden einfach wichtig. Das war ein schöner Moment.
Der Glitzervorhang taucht ja auch immer wieder auf. Wisst ihr was aus dem geworden ist, wer den hat?
Heike: Der ist in Stücken bei ganz vielen Leuten gelandet. Gegen Ende des Atomics haben sie echt Leichenfledderei an diesem Vorhang vorgenommen. Die Besitzer meinten, sie hätten auch jedes Mal noch ein Stück abgeschnitten, weil er so zerfetzt aussah. Viele Leute haben ihn daheim. Ich habe immer gesagt, ich hätte total gerne ein Stück, hab aber leider keins.
Das Atomic war ein Ort für sehr unterschiedliche Leute und auch sehr unterschiedliche Genres. War es schwer einen Fokus zu finden oder ging es mehr um Verfügbarkeit?
Heike: Ne! Es war schwer einen Fokus zu finden, verdammt schwer. Unsere erste Version war eineinhalb Stunden nur Gerede. Wir waren in viele Töne verliebt und mussten uns dann schweren Herzens davon trennen. Natürlich ist es mit 18 Jahren Clubgeschichte wahnsinnig schwer sich auf eine bestimmte Sache zu konzentrieren.
Marc: Man sieht das ja alleine schon bei uns beiden. Ich habe das Atomic zum ersten Mal als Hip-Hop Club kennengelernt. Freunde von mir hatten dort einen Hip-Hop Abend jeden Donnerstag. Für viele Leute war das nur ein 60's-Laden, sie wussten gar nicht, dass dort auch Hip-Hop gespielt wurde.
Heike: Ich wusste das aber auch nicht.
Marc: Wir lassen schon alle zu Wort kommen, aber es wird sicher ein paar Leute geben, die meinen, man hätte den einen Abend von 2001-2002 nicht erwähnt.
Heike: Ja genau, diesen Abend, den es alle 4 Wochen gab. Und man darf nicht vergessen, dass ich aus der Indie-Schiene komme. Ich habe den Film gemacht, deshalb liegt da der Fokus drauf.
Wie ist es jetzt eigentlich zwei Jahre nach der Schließung? Vermissen die Leute den Club noch stark?
Marc: Man merkt schon, wie stark die Sehnsucht in der Stadt vorhanden ist, weil noch nichts dazugekommen ist, was vergleichbar wäre. Diese Institution, die dieser Laden war, die fehlt - auch jetzt noch. Das ist allerdings Glück für uns, weil dadurch der Kinosaal voll ist. Aber schade für die Stadt, dass es nichts Neues gibt.
Gerade am Schluss des Films haben die Betreiber durchblicken lassen, dass sie ein bisschen enttäuscht darüber waren, mit welcher Resignation die Schließung von manchen Leuten hingenommen wurde. Könnt ihr das nachvollziehen oder seid ihr der Meinung, dass das ein Kapitel war, dass langsam mal zum Ende kommen musste?
Heike: Was im Film ganz gut verdeutlicht wird und was ich auch gut nachvollziehen kann, ist, dass die beiden Betreiber sehr verschieden sind. Der Eine ist darüber sehr enttäuscht, dass niemand etwas dagegen tut, der Andere nimmt es hin und will es mit einer letzten Party beenden. Was ich auch heraushöre ist, dass sich das Ausgehen vielleicht etwas verändert, weil sich Musikkonsumgewohnheiten ändern und man nicht mehr so spezialisiert ist. Deshalb stimme ich den Leuten irgendwo zu, wenn sie meinen, dass das Atomic länger überleben hätte können. Aber da ja keine Indie-Clubs nachkommen, ist vielleicht die Nachfrage danach nicht mehr so hoch. Wobei das Atomic immer voll war.
Marc: Also mich hat es schon gewundert, dass es dann so hingenommen wurde. Für die "Schwabinger 7" gab es gefühlte drei große Festivals in Schwabing - und für das Atomic nicht...
Heike: Also der Raum steht ja noch frei...
Marc: Das ist auch noch bitter, man geht an dem ehemaligen Atomic Cafe vorbei und dort ist ja noch nicht mal der versprochene Kleiderladen. Da wo das Atomic war, ist jetzt einfach ein leerer Raum. Das tut dann nochmal mehr weh, wenn man sieht, dass da nicht mal mehr ein Drogeriemarkt daraus geworden ist.
Heike: Der Tresen steht jetzt im Stadtmuseum, jeder hat ein Stück Glitzervorhang, also man könnte das Atomic ja nochmal aufmachen...
Es gibt sehr viele Anekdoten in diesem Film. Was ist eure liebste Atomic-Geschichte?
Heike: Ich war ja beim ersten Libertines Konzert, von dem alle erzählen, aber ich kann mich nicht mal mehr an das Konzert erinnern, weil ich unbedingt mit hohen Schuhen hingehen wollte, und dann nur auf dem Sofa sitzen konnte. Jetzt beim Filmemachen, haben wir ein Foto gefunden, auf dem ich ganz hinten versteckt zu sehen war. Also war ich doch da, obwohl ich mich nicht mehr daran erinnern kann.
Marc: Wir haben jetzt glaube ich schon 2-3 Jahre an diesem Film gearbeitet. Deswegen weiß ich schon gar nicht mehr, was meine Geschichten waren. Sie sind so stark mit denen von den Anderen verschmolzen. Ich weiß schon gar nicht mehr, was mein Leben ist.
Heike: Warst du der, über den ich immer rübergestiegen bin, weil er vor der Toilette saß und Mädchen aufreißen wollte?
Marc: Nein, das war Mehmet Scholl. Die Markus-Kafka-und-Mehmet-Scholl-Geschichten finde ich übrigens sehr lustig. Wo dann Kafka hintenraus immer von wilden Partynächten erzählt hat, obwohl der Scholl zu dem Zeitpunkt auch noch Profisportler war. Diese Szenen mag ich sehr gerne.
Wie geht es jetzt weiter mit dem Film?
Heike: Premiere ist auf dem DOK.fest am 05. Mai. Danach wird dann noch gefeiert im Drug Store: "This is Atomic Night". Wir feiern mit DJs aus dem Atomic und natürlich den ganzen Leuten, die bei der Premiere waren. Dann haben wir noch zwei Termine auf dem DOK.Fest, und danach schauen wir dass wir den Film sonst noch verbreiten können.
Marc: Mit Sicherheit wird man über den ganzen Sommer den Film auf Festivals und Events in der Stadt und um die Stadt herum sehen. Jeder kann ihn irgendwie sehen, da bin ich mir sicher.
Alle Termine von "This is Atomic Love" auf dem DOK.fest
Premiere: Freitag, 05.05. um 21.30 Uhr im City Kino 1
Donnerstag, 11.05. um 21.30 Uhr in der HFF
Samstag, 13.05. um 21 Uhr im Arri Kino
Sendung: Filter, 27.04.2017 ab 15.00 Uhr