Experimental-Pop in Bayern New Weird Bavaria
Sie verbiegen Sounds, verwischen Songstrukturen und sprengen Genregrenzen. Viele junge bayerische Solokünstler suchen sich zurzeit ihre eigenen Wege durch den postmodernen Musikdschungel. Willkommen in New Weird Bavaria.
2011 wird's weird in Bayerns Musikszene! Schon im April erschien das Album "This Boy Is All Twisted Up Inside" von Schimmy Yaw aus Fürth, jetzt legen fast zeitgleich Angela Aux aus dem Chiemgau und Joasihno aus Eichstätt mit ihren Debüts nach.
Alle drei sind musikalische Multitasker, die im heimischen Wohnzimmer mit Loop-Station, Sampler und alten Kinderinstrumenten experimentelle Klanggebilde basteln, die sie im nächsten Moment mit einer neuen Idee wieder umblasen. Die Musik entsteht beim Machen: "Make Music To Have Ideas To Make Music To" nennt das Angela Aux. Der 27-jährige Münchner will für seine Musik sogar einen neuen Begriff etablieren: "New Weird Bavaria" – ein nicht ganz ernst gemeintes Genre, das an "New Weird America" und Bands wie Animal Collective, CocoRosie oder Ariel Pink erinnert.
"In der Independent-Musik ist gerade eine sehr spannende Zeit. Es wird mehr am Klang gearbeitet. Das finde ich sehr positiv", sagt Markus Acher von 13 & God und The Notwist. Seiner Meinung nach haben aktuell vor allem die Experimental-Rocker von Animal Collective viele Experimente im Pop angestoßen.
"Die haben so einen ganz eigenen Klangkosmos, den man jetzt überall hört. Das ist ein Zeichen, das etwas Eigenes entstanden ist." Animal Collective bedienen sich aber natürlich auch aus einem breiten Fundus der Popgeschichte. Ohne Krautrock würden die New Yorker ganz anders klingen. Wichtig für Krautrock war Ende der 60er-Jahre auch das Münchner Bandkollektiv Amon Düül 2 – sie schmeißen das Regelwerk des Rock umeinander, experimentieren mit Rückkopplungen, afrikanischen Bongos und bayerischem Gejodel. Die komplette Musikhistorie ist voller Experimente.
Bandloops, Störgeräusche, Melodienverweigerung. Egal ob Beatles, Can oder Frank Zappa: Kluge Künstler experimentieren ständig. Und wenn sie Glück haben, machen sie sich damit unsterblich. Bayern als Experimental-Pop-Standort wurde in den vergangenen Jahren auf die Weilheimer Szene um die Acher-Brüder reduziert, die ohne Frage viele Türen geöffnet haben.
Doch jetzt emanzipiert sich der Rest Bayerns: In Ingolstadt ist Uphill Racer seit Jahren eine feste Nummer, noch ein Eck weiter nördlich etabliert sich das Fürther Label Fat Orange zusehends als bayerische Weird-Brutstätte. Künstler wie Schimmy Yaw und Agikakaluna! sind jetzt schon ganz groß. Wir sind gespannt, was sonst noch kommt.