Felix Krull und seine Insta-Challenges Wenn Rapper zu Social-Media-Provokateuren werden
Angepinkeltes Eis oder eine menschliche Vorhaut essen – der Social Media Content des Münchner Rappers Felix Krull ist reinste Provokation. Ein Aufruf zu mehr Toleranz oder doch nur schnödes Marketing um seine Musik zu promoten?
Es gibt mindestens eine Gemeinsamkeit, die Deutschrapper wie Capital Bra, Kollegah oder die 187Straßenbande mit den Kardashians, dem Baby von Meghan und Harry oder den Teilnehmerinnen von Germany’s Next Topmodel haben: Sie sind weit über die HipHop-Nerd-Grenzen hinaus fester Bestandteil in unseren News Feeds. Skandale, Gossip oder provokante Inhalte sind oft sogar präsenter als die Musik – oder eben nur dafür da, die Musik zu promoten.
Die übertriebene Selbstinszenierung mit fetten Karren, Exzessen, Blödeleien und Drogen gehört dabei genauso zum Social Media Content wie "klassischer", öffentlich ausgetragener Beef. Seit 2017 trägt Bonez MC den Beinamen "Social Media King" und überholt in Sachen Reichweite auf Facebook und Instagram sogar BibisBeautyPalace. Ein Grund dafür ist mit Sicherheit, dass Bonez MC Grenzübertritte und Provokationen schon längst zum eigenen Image gemacht hat. Der Münchner Rapper Felix Krull gehört auch in diese Kategorie Deutschrapper – trotzdem kann man ihn schlecht bis gar nicht mit seinen Kollegen vergleichen. In Sachen Ekel- und Provokationsfaktor spielt er in einer ganz eigenen Liga.
Felix Krull und die open-minded Ekel-Assi-Strategie
In seiner Video-Reihe "99 Dinge, die (k)ein Rapper macht" gönnt er sich ein Eis, das er kurz vorher angepinkelt hat, gießt einen benutzten Tampon mit heißem Wasser auf und trinkt den "Menstruationstee", isst eine menschliche Vorhaut oder steckt sich Gegenstände in den Arsch. Der Social Media Content des Münchners, der im Superekel-Jackass-Stil daherkommt, ist voll von Körperflüssigkeiten und Hornsubstanzen. Das Ganze löst eine unbeschreiblich schräge Gefühlslage zwischen Verstörung, Schadenfreude und Fremdscham aus – eine Mischung, die nirgends so gut zu funktionieren scheint, wie im Internet. Felix Krull selbst liebt diese Art von Provokation.
"Ich habe Freude am Schocken gefunden. Und das hat mir irgendwann nicht mehr gereicht. Das soll jetzt nicht pathetisch klingen, aber ich will die deutsche Steifheit aufzurütteln."
Felix Krull im PULS Interview
Das typisch Deutsche bewegt den Rapper eigentlich schon immer. In seinen Rap-Anfängen hat er sich als überheblicher Schickeria-Schnösel inszeniert – inspiriert von der Thomas-Mann-Romanfigur Felix Krull, dem größten Hochstapler der deutschen Literaturgeschichte. Ein Großteil der Community hat die Referenz erst gar nicht verstanden und ist stattdessen davon ausgegangen, dass Felix Krull einfach ein Alman ist, der unter echtem Namen rappt. Daraus entstand für den Münchner dann die Idee, sich auf genau dieses Alman-Dasein zu konzentrieren. Auf die Gründung der Bier saufenden Öttigang folgte dann die absolute Verkörperung des Alman-Klischees in Form von Doktor Alman, dem Alter Ego von Felix Krull.
"Der beste Humor ist, über sich selbst zu lachen. Wenn sich ein Deutscher zum Beispiel mit seinen bescheuerten Eigenschaften, wie dem Säuferklischee, humorvoll auseinandersetzt. Ich treibe das auf die Spitze, um das Almantum auf die Schippe zu nehmen."
Felix Krull im PULS Interview
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DR. ALMAN - Wunderheilung in allen Lebenslagen! // ALMAN TV
Als Doktor Alman gönnt sich Felix Krull die vollkommene Narrenfreiheit und übertritt ganz bewusst die Grenze zur Geschmacklosigkeit. Er selbst wirkt fast stolz auf seine Videos und bezeichnet das, was er macht, als seine "kreative Hochphase". Er glaubt auch, dass die HipHop-Community ihn in dieser Form anders wahrnimmt – endlich so, wie er auch ist:
"Ich bin ein ganz einfacher Typ. Das konnten die Leute am Anfang nicht so ganz einordnen und dachten, dass ich ein Schnösel bin, der im Rap Fuß fassen will. Ich glaube, dass das den Leuten durch das, was ich jetzt mache, klarer wird."
Felix Krull im PULS Interview
Klar, eigentlich könnte man den Rapper schnell abstempeln, als einen, der Aufmerksamkeit will und vor nichts zurückschreckt. Doch Felix Krull macht es uns nicht ganz so leicht. Denn was ihn durchweg von anderen Rappern unterscheidet: Er versucht in seinen Videos ein Zeichen für Offenheit und Toleranz zu setzen – gegen Homophobie und Machogehabe. Er bezeichnet sich selbst als bisexuell und küsst in seinen Insta-Stories auch mal einen seiner Kollegen. Aber natürlich gibt er auch offen zu, dass man durch solche Provokationen viel mehr Aufmerksamkeit bekommt.
"Ich denke, dass es keinen Künstler gibt, der auf seine Bekanntheit verzichten will. Das ist wahrscheinlich sogar der Grund, warum man Künstler wird. Ich finde, dass da immer alle so rumpopeln und nicht dazu stehen können, dass sie berühmt werden wollen. Da habe ich überhaupt keine Hemmungen. Deswegen sind die neuen Videos irgendwo auch Marketing, ganz klar."
Felix Krull im PULS Interview
Der Münchner steht zu seiner Strategie und er hat verstanden, dass man herausstechen muss, um als Deutschrapper Erfolg zu haben.
"Dadurch, dass man im Social-Media-Zeitalter als Artist mehr leisten muss als früher, dachte ich mir, dass sowas ein cooler Content neben der Musik wäre. Und mir macht das auch super viel Spaß. Ich habe mich schon immer mehr als Entertainer als nur als Rapper gesehen."
Felix Krull im PULS Interview
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✖️ FELIX KRULL - BIER (prod. by NURO) ✖️
Deutschrap und Social Media – ein Toxic Relationship?
Die Devise "Harder, Better, Faster, Stronger" könnte längst in "hässlicher, krasser, geschmackloser, provokanter" umgedichtet werden. Denn wer im Rap Game auffallen will, muss im Social Media Game immer wieder eins draufsetzen und für neuen Gesprächsstoff sorgen. Felix Krull sieht sich als Vorreiter dieser Schock-Bewegung im Deutschrap. Er glaubt, dass es früher oder später auch Nachahmer geben wird, die seine Idee weiterspinnen. Bis dahin lebt er seine künstlerische Freiheit wie gewohnt aus.
"Das Motto 'ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert' trifft wirklich absolut auf mich zu. Ich bereue das in keinster Weise und freue mich extrem auf das, was in Zukunft noch kommt."
Felix Krull im PULS Interview
Wenn die 99 Challenges beendet sind, kommt mit dem "Alman Tape 3" im Sommer 2019 ganz zufällig auch neue Musik raus, mit der die Öttigang dann auf Tour gehen wird. Marketing next Level! Am Ende ist es aber nicht das, was einen bitteren Beigeschmack hinterlässt, sondern die Frage, wo das Ganze hingehen wird, wenn Felix Krull danach nochmal eins draufsetzt – oder wirklich ein anderer Rapper kommt und in den Battle um den provokantesten Social-Media-Auftritt einsteigt.
Sendung: Plattenbau vom 26.06.2019 – ab 19.00 Uhr