Frauen im Deutschrap Wir brauchen mehr HipHop-Feminismus in Deutschland
Während viele noch über den Sexismus im Deutschrap meckern, erobern immer mehr Frauen das Business - endlich. Wir haben mit Rapperinnen und Labelfrauen gesprochen, wie deutscher Rap und Feminismus zusammenpassen.
Deutscher Rap und Sexismus haben spätestens seit Aggro Berlin eine unangenehme Kumpelei am Laufen - und die ist noch lange nicht vorbei. Aber langsam sieht es so aus, als würde sich da was bewegen. Obwohl sie in den Texten nicht immer gut wegkommen, lieben richtig viele Frauen Rap. Das scheint auf den ersten Blick ein Widerspruch zu sein, aber Rap ist viel mehr als Mütter zu beleidigen. Rap ist eine Mitmachkultur, aus der sich Frauen nicht länger aussperren lassen.
"Früher habe ich bei Savas auch in der ersten Reihe gestanden und lutsch mein Schwanz mitgeschrien."
Rapperin Antifuchs
Frauen im HipHop-Business wehren sich immer mehr dagegen, dass ihre Kultur sie offenbar so leidenschaftlich verachtet und sie tun das auf ihre eigene Weise: wie die beiden Rapperinnen von SXTN, die den Sexismus der rappenden Männer umdrehen und die "Mütter" von Rappern "ficken, ohne Schwanz". Sie wehren sich mit Humor und stoischem Durchhaltevermögen gegen eine sexistische Community. Genauso die Rapperin Schwesta Ewa, die männlichen Rapfans in Deutschland zum ersten Mal erzählt, wie es wirklich ist, als Prostituierte zu arbeiten - oder die HipHop-Journalistin Jule Wasabi.
Noch gibt es zu wenig rappende Frauen. Natascha Augustin, Kreativchefin vom Musikverlag Warner/Chapell ist aber überzeugt, dass es dank des großen Erfolgs von HipHop in Deutschland nur noch eine Frage der Zeit sei, bis es Frauen gibt, die im Rap den gleichen Erfolg haben wie Männer. Sie müssten sich dazu nur verbünden und in Crews auftreten, so Augustin. Rapperin Antifuchs, die sich immer wieder mit den Mädels von SXTN sehen lässt, sieht das genauso: "Klar kann nicht jede immer mit jeder cool sein, das muss auch gar nicht sein. Aber so wenn du etwas feierst, dann kannst du es ruhig auch sagen. Das machen die Männer ja auch ständig."
HipHop und Feminismus schließt sich nicht aus
HipHop Frauen in den USA machen es uns vor: HipHop-Feminismus ist ein Begriff, der in Amerika schon seit den 90ern kursiert. Er hebt sich ab von dem Bild, das wir von traditionellem Feminismus haben, nämlich dem Kampf, den zu großen Teilen weiße, gebildeten Frau führen. Nicht, dass dieser Kampf um Gleichberechtigung nicht wesentlich ist, aber HipHop-Feminismus nimmt für sich in Anspruch, noch mehr zu wollen. Er will alle Probleme in den Blick nehmen, die im Rap angesprochen werden, also Rassismus und Homophobie, gleichzeitig wird aber auch die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen gefordert - und zwar twerkend in High Heels.
Wenn Nicki Minaj oder Beyoncé eine neue Platte rausbringen, dann schreiben sich amerikanische Autoren die Finger wund über die feministische Bedeutung ihrer Musik. In Deutschland übernimmt die Rapperin Sookee diese Aufgabe fast im Alleingang. Sie sagt: "Feminismus ist für mich Freiheit und Gleichwertigkeit und es geht nicht darum, so zu werden wie ein Mann - sondern um Ressourcen und Sichtbarkeiten."
Wir brauchen auch in Deutschland einen HipHop-feministischen Diskurs
Sichtbar sind Rapperinnen in Deutschland also schon - wir müssen jetzt auch anfangen, sie zu feiern. Als Medien, als Rap-Fans. Und wir müssen uns an ihnen abarbeiten. Erst wenn eine HipHop-feministische Debatte endlich auch in Deutschland geführt wird, ist es auch möglich, den Sexismus im Rap in eine neue Perspektive zu rücken und das revolutionäre Potential von HipHop zu nutzen. Rap hat immer schon gesellschaftliche Probleme an die Oberfläche gebracht und einen gesellschaftlichen Wandel begleitet. Das ist unsere Chance.
Sendung: Puls Spezial "Doppel-X-Chromosom - Frauen im Deutschrap" am 09.12.2017 - ab 18 Uhr.