Interview mit Kaas über den Markenhype im Rap "Ich tu mich schwer für neue Klamotten so viel Geld auszugeben"
Rapper Kaas ist der Paradiesvogel des deutschen Hip-Hop. Im Interview verrät er, was er vom Markenhype im Deutsch-Rap hält, warum er mehr auf Second Hand steht und welches Kleidungsstück seine Seele widerspiegelt.
Indianerfederschmuck auf dem Kopf, eine Herzchen-Augenklappe umgeschnallt oder Rastas in allen Farben des Regenbogens geflochten – Kaas fährt ganz sicher nicht den 0815-Hip-Hop-Style. Egal ob solo oder mit den Orsons, der Rapper aus Reutlingen ist für seine äußerst kreativen Outfits bekannt. Der Second-Hand-Fan hat aber auch Verständnis für seine markengeilen Kollegen.
PULS: Kaas, du hast vor 11 Jahren dein erstes Album "BQ 4 Life" rausgebracht, du bist also schon eine ganze Zeit im Rap-Game und hast Trends kommen und gehen sehen. Wie wichtig ist dein Style für dich?
Kaas: Mein Style ist mir schon sehr wichtig. So als Ausdrucksform und auch als ein Stück Kunst. Ich lass mir da gerne was einfallen. Ich entwickle meinen Style so, wie ich auch ein Lied entwickle.
Braucht man deiner Meinung nach Markenklamotten für einen coolen Style?
Nee, überhaupt nicht. Also es kommt natürlich darauf an, was man am Ende ausdrücken möchte. Ich selber bin da sehr emotional und gehe nach dem Gefühl und nach der Stimmung, die ich ausdrücken möchte.
PULS: Gerade momentan spielen Marken eine immens große Rolle im Deutsch-Rap. In den Texten deiner Kollegen werden ständig Markennamen gedroppt und in den Videos dazu werden die teuren Klamotten in die Kamera gehalten. Du machst beides nicht. Wieso nicht? Ist das eine bewusste Anti-Haltung?
Kaas: Ich habe das nie zum Thema gemacht in meinen Texten. Aber ich habe volles Verständnis dafür, wenn man das macht. Ich finde das auch legitim im Rap. Da geht‘s ja auch viel darum, sich mit seinem Erfolg zu brüsten – raus aus dem Ghetto sozusagen. Und das so stumpf über Marken zu machen, hat halt Tradition im Hip-Hop. Vieles ist natürlich auch vom amerikanischen Hip-Hop beeinflusst. Das wird in Deutschland einfach gerne übernommen.
Puls: Findest du, es schadet dem Hip-Hop, wenn es in den Songs gefühlt nur noch um Marken geht? Rapper wie RIN müssen dafür gerade ziemlich Kritik einstecken. Läuft Deutsch-Rap Gefahr, zur Dauerwerbesendung zu werden?
Kaas: Gerade, wenn wir RIN betrachten: Der ist halt einfach ein modischer Typ. Der würde auch ohne Rap Gottes viel Geld ausgeben für irgendwelche Klamotten. Und wenn das dann seine Kunst beeinflusst, dann soll seine Kunst davon beeinflusst sein. Ich finde das nicht schlimm. Das muss man auch differenzieren bei jedem Künstler: Der eine ist so der Modetyp, die anderen meinen das eher witzig. Und natürlich gibt‘s auch ein paar Typen, die das echt einfach unreflektiert geil finden. Gerade im Schreibstil ist das so ein Trend, der auch wieder vergehen wird. Aber es gibt noch genügend andere Bewegungen, die immer noch die Hip-Hop-Werte hochhalten. Das ist alles cool so. Ich finde, das darf man nicht so ernst nehmen, das ist irgendwie ein Spaß, eine kleine Abenteuerreise. Man träumt davon, reich zu sein. Die könnten auch sagen 'Ich hab‘ im Lotto gewonnen'. Jeder wüsste, die haben nicht im Lotto gewonnen, aber wenn du dir das Lied anhörst, hast du kurz auch das Gefühl, im Lotto gewonnen zu haben – und das macht Spaß.
PULS: Und wie ist es bei dir? Gönnst du dir auch Designer-Sachen?
Kaas: Ich bin eher so Second-Hand-Käufer. Also ich tu‘ mich schon schwer, für neue Klamotten so viel Geld auszugeben. Ich bin sehr sparsam erzogen worden und bin dann immer so: 'Wow, die Schuhe kosten wie viel Euro?!‘
PULS: Da bedienst du jetzt aber schon so ein bisschen das Schwabenklischee.
Kaas: A bissle. Deshalb kauf ich mir dann lieber stinkige Gebraucht-Sneakers. Wobei, ich finde Designerklamotten schon auch geil. Die Sachen sind natürlich wagemutiger und extravaganter. Das zieht mich schon sehr an. Deswegen finde ich das schon sehr schön teilweise, was die High-End-Designer so machen. Aber das Geld…das ist schon irrsinnig.
PULS: Und du bist nie schwach geworden?
Kaas: Also einmal in meinem Leben hab‘ ich mir ein Designerstück gekauft. Das war ein Pulli von Adidas in Kooperation mit irgendeinem fetten Designer. Den musste ich mir kaufen. Einfach so, weil der meine Seele widergespiegelt hat. Ich habe den Pullover unbedingt gebraucht, das war so ein Moment in Zeit und Raum, der einfach gepasst hat.
Mehr über den Markenhype im Rap hört ihr in unserem Podcast:
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Marken-Namedropping ist aus dem Hip-Hop nicht mehr wegzudenken: Gucci, Adidas, Supreme? Kaum ein Rapper, der nicht seine Klamotten in die Kamera hält. Warum spielen Marken im Rap so eine Rolle?