Kanye West - 808s & Heartbreak Warum 808s & Heartbreak ein Meilenstein des Hiphop ist
Drake, Lil Yachty, Ufo361- ihren Sound hat Kanye West mit seinem vierten Album um zehn Jahre vorweggenommen. Sein Autotune-Herzschmerz-„Rap“ war ein Bruch mit seinem eigenen bisherigen Stil - und wegweisend für die Zukunft.
Diesen Sommer war offiziell Yeezy Season. Im Juni erschienen insgesamt fünf von Kanye West produzierte Alben: eine Kollabo-Platte mit Kid Cudi, ein Nas-Album, ein Pusha-T-Album, ein Album von Teyana Taylor und natürlich ein neues Kanye-Soloalbum namens "Ye". Während das Warten auf "Yandhi", das noch für dieses Jahr angekündigte nächste Soloalbum, weitergeht, erinnert sich gerade die Rap-Welt an den "old Kanye" - und zwar an den, der vor fast genau zehn Jahren mit "808s & Heartbreak" einen Meilenstein des Hiphop veröffentlichte.
Als Kanye dem Album das Video zu "Love Lockdown" vorausschickte, waren viele Fans verstört - warum trägt der auf einmal Anzug? Warum singt der und rappt nicht mehr? Und was soll dieser Autotune-Effekt?
2018 ist dieser Sound - ein zwischen Rap und Gesang hin- und her wechselndes, durch Autotune verfremdetes, melodisches Gesäusel, auf dicke Synthie-Schwaden gelegt - im HipHop überall. Egal ob Future, Young Thug oder Lil Yachty in den USA oder Ufo361, Yung Hurn und Haiyti bei uns im deutschsprachigen Raum, sie alle schlurfen auf dem Weg daher, den Kanye mit "808s" geebnet hat.
Autotune als Verstärker der Gefühle
Dieser neue Sound war eine harte Abkehr vom Sample-lastigen "Chipmunk-Soul"-Stil, den Kanye auf seinen ersten drei Alben perfektioniert hatte. Er entsprang einer tiefen persönlichen Krise: 2007 starb erst Kanyes geliebte Mutter Donda West nach einer missglückten Schönheits-OP, dann ging seine Verlobung mit der Designerin Alexis Phifer in die Brüche. Kanye war zwar berühmt und reich, aber zutiefst einsam und verletzt.
"What I want people to realize at this point is I don't give a fuck. That's why I made this album. If I gave a fuck, I wouldn't use Auto-Tune. I'm using Auto-Tune because I don't give a fuck. I like the way it sounds."
– Kanye West im Fader-Interview, 2008
Sänger wie T-Pain hatten den Autotune-Effekt bereits im R&B etabliert, Kanye West sprang auf den Zug auf und nutzte ihn, um die Wirkung seiner hochemotionelen Texte und seiner eingängigen Melodien nochmal zu verstärken. Der damals noch aufstrebende Drake reagierte prompt; coverte erst auf seinem 2009er Mixtape den "808s"-Opener "Say You Will" und legte dann mit "Take Care" (2011) sein eigenes Emo-Rap-Album nach. Die melancholische, kalte Klanglandschaft von "808s & Heartbreaks" hallt auch auf dem Soundtrack zum Kultklassiker "Drive" nach.
Das Album war auch das erste, das Kanye nicht mehr über einen längeren Zeitraum komponierte, sondern innerhalb von nur drei Wochen instinktiv zusammenschraubte - mit Hilfe des Roland TR-808-Drumcomputers, dessen maschinelle Sounds nochmal verzerrt wurden, um den Songs ein möglichst knirschendes Gerüst zu geben. Dieser bewusste Einsatz von Lärm und das zackige, manische Arbeitstempo wurde auf den Nachfolgern "Yeezus" (2013) und "The Life of Pablo" (2016) zur Methode.
Man könnte argumentieren, dass Kanye den Schmerz, der ihn zu "808s & Heartbreaks" inspirierte, nie wirklich verwunden hat. Wenn er bei Twitter 40 Posts in einer Stunde absetzt oder Donald Trump umarmt - den viele für einen Rassisten halten - dann wirkt er oft immer noch wie ein unsicherer, einsamer Kerl, der um Aufmerksamkeit und Respekt ringt. So zugängliche und verletzliche Musik wie auf "808s & Heartbreak" hat Kanye West aber seitdem nur noch selten gemacht.
Sendung: Filter vom 26.11.2018 - ab 15 Uhr