Kürzer, schneller, aktueller Schafft Kanye gerade eine neue Form von Album?
Kanye West ballert gerade ein Album nach dem anderen heraus. Alle mit nur sieben Tracks, extrem aktuellen Texten und teilweise in extrem kurzer Zeit produziert. Revolutioniert er damit das Album, wie wir es bisher kannten?
Es ist Yeezy-Season: Im Wochentakt kommen gerade die Alben aus der Kanye-Westschen Beatschmiede. Pusha T, Kid Cudi, Kanye West selbst und jetzt auch Nas. Was die Platten alle gemeinsam haben: Sie haben nur noch sieben Songs. Das ist auf jeden Fall ein ziemlicher Bruch mit unseren Erwartungen. Darf Kanye das?
Ab wann ist ein Album ein Album?
Wenn es nach den Richtlinien der deutschen Charts geht, dann gelten auch sieben Tracks schon als Album. Dafür reichen nämlich mindestens fünf Songs und eine Laufzeit von 23 Minuten.
Trotzdem: Ein Durschnitts-Album hat zwölf Songs und ist gut eine Dreiviertelstunde lang. Eine Norm, der oft die Verträge mit den Labels zugrunde liegen. Oder anders: Damit kein Musiker seinen Vorschuss versäuft, sich moantelang nicht blicken lässt und dann zum Abgabedatum mit genau einem Song da steht, den er als "Album" deklariert, gibt es festgelegte Längen für LPs. Liegt ein Künstler darunter, müssen weitere Songs produziert werden. Und anders herum: Jeder Song zu viel wird nicht extra bezahlt.
Das gilt natürlich alles nicht für Kanye West, der ja sein eigener Label-Chef ist. Er kann so viele Songs auf ein Album packen, wie er will.
Warum eigentlich immer genau sieben Tracks?
Kanye West hat die Zahl Sieben für sich entdeckt. Grund ist ein Foto von Michael Jackson, auf dem er eine Jacke trägt, bestickt mit drei mal der Zahl sieben. Muss reichen oder?
Tatsächlich wird die Nummer Sieben aber von spirituell veranlagten Menschen mit dem Göttlichen in Verbindung gebracht, eine Deutung, der sich Kanye West anschließt. Er nennt die Sieben auch die Nummer der "Fertigstellung". Insofern nur logisch, ein Album mit sieben Tracks komplett zu machen.
Kanye doktort an der Form des Albums herum - zum Glück
Die Herangehensweise von Kanye zeigt, dass das Album als Kunstform für ihn immer noch relevant ist - sie sich aber ändert.
Kanye-Alben sind gerade aktueller den je. Sie erinnern eher an Podcast-Folgen, als an klassische Alben. Auf "Daytona" von Pusha-T ist ein Disstrack an Drake, sein Solo-Album "Ye" hat er zwei Wochen vor Veröffentlichung komplett umgeschmissen und neu gemacht. Außerdem sind die Tracks auf Kanyes Alben seit "The Life Of Pablo" nie so richtig fertig. "I thought About Killing You", den ersten Song auf "Ye", hat er jetzt schon wieder geändert.
Fun Fact an der Stelle: Historisch war es gar nicht unüblich, Stücke immer wieder anzupassen. Mozart und Händel haben auch an ihrer Musik weitergearbeitet, wenn sie dem Publikum nicht gefallen hat. Das passt aber auch total in unsere Zeit: Um einen Song auf einem Album zu ändern, muss ein Künstler nicht mehr die komplette Lieferung an CDs einstampfen, die Band noch mal ins Studio rufen und alles neu machen. Er packt das Ding einfach neu online und fertig.
Ändert sich das Album jetzt für immer?
Das nachträgliche Ändern von Songs bleibt wahrscheinlich den ambitionierteren Künstlern vorbehalten. Den anderen ist es wahrscheinlich die Mühe nicht wert.
Ob das 7-Song-Album von Kanye West jetzt Schule macht, hängt am Ende wahrscheinlich davon ab, ob die Labels ihre Verträge dementsprechend anpassen. Vorteile gibt es schon: Wie viele Alben gibt es mit nur vier bis fünf guten Songs, der Rest ist Füllmaterial? Das sind einige. Kürzere Alben könnten zumindest mit dieser Unart Schluss machen.
Sendung: Filter vom 13.06.2018 - ab 15 Uhr