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Mittelschichtsrapper und das große Geld "Wirf mit Geld als ob es Brot wäre!"

Schampus, 200-Euro-Bündel und feiner Zwirn: Deutsche Mittelschichtsrapper fantasieren von unermesslichem Reichtum wie einst die Gangstarapper vor ihnen. Warum? Ein politischer Erklärungsversuch.

Von: Malte Borgmann

Stand: 26.08.2015 | Archiv

Rapper Lgoony mit Geld und BlingBling Kette | Bild: Screenshot Youtube/ Lgoony

Die Welt des Carlo Waibel ist eine sorglose: Alles ist Easy, ein Traum und generell eher so Whatever. Wie zum Teufel macht der das nur? Natürlich ist das eine rhetorische Frage, denn Carlo Waibel hat uns die Antwort längst gegeben und sie ist obendrein denkbar einfach: Carlo Waibel, besser bekannt als Cro, muss sich keine Sorgen machen, denn er ist jung und hat einen Haufen Geld:

"Ost, West oder Nord. Hab den Jackpot an Board,
Will von hier über London, direkt nach New York
Denn ab Heute leb' ich jeden Tag als ob ich morgen tot wäre
Laufe durch den Park und werf mit Geld als ob es Brot wäre. (Yeah!)
Nur noch Kaviar, Champagner oder Schampus
Baby ich erfüll dir wirklich jeden Wunsch mit Handkuss,
Frühstück in Paris und danach joggen auf Hawaii
Und um das Ganze noch zu toppen gehen wir Shoppen in LA"

- Cro, Einmal um die Welt

Mit Geld protzen – das kannte man als Stilmittel doch eigentlich nur von den Straßen- und den Dipsetrappern. Rapper also, die aus dem Ghetto sind und mindestens kleinkriminell bzw. ernsthaft versuchen den Eindruck zu erwecken, sie wären es. Cro aber ist ein Mittelschichtsrapper, wie er im Buche steht:

Geboren in der Nähe vom wohlhabenden Stuttgart, Ausbildung zum Grafikdesigner, mittlerweile Werbeträger für Ottonormalmarken wie H&M, McDonalds oder Axe. Und trotzdem rennt er in seinen Songs ganz unschwäbisch durch den Park und wirft mit Geld, so wie einst Sido im Club. Und Cro ist damit nicht allein. Hustensaftjüngling, Crack Ignaz und wie sie alle heißen: Künstler der jungen Swagrap-Bewegung pflegen eine sehr verschwenderische Einstellung zum Geld. Der Kölner LGoony ist einer der Shootingstars der Szene:

"Ich bin so reich
Millionen Euro in der Schweiz
Ich gucke auf mein Konto
Und ich sehe ich bin reich
Ich bin der Shit
100.000 Euro on my wrist
Haters sind nur neidisch
Das seh ich an ihrem Blick"

- LGoony, Millionen Euro

Auch wenn LGoony ab und zu über Hoods und Gunshots rappt – mit Gangstarap hat das nichts zu tun. Soll es auch gar nicht. LGoonys Videos zeigen einen dünnen Abiturienten mit Gucci-Bandana, der vor der Sparkasse steht und falsche 100-Euro-Scheine durch die Gegend wirft.

Mitte der Neunziger hätte einer wie LGoony wohl nicht über seine Schweizer Konten, sondern über seine freshen Styles und dopen Skills gerappt, eventuell noch einen politisch engagierten Song gegen Nazis oder so. Und, ja gut, dass er schicke Airmax trägt, das hätte er vielleicht auch mal erwähnt. Aber dieses Maß an Prunksucht? Was ist passiert?

Ein Erklärungsversuch: Agenda 2010 und Hartz IV

2003 startet die rot-grüne Regierung unter Schröder mit der Agenda 2010: Um- und Abbau des Sozialwesens, weg vom „Wohlfahrtsstaat“, hin zu mehr Eigeninitiative. Fordern statt Fördern lautet die Devise. Mit den Hartz-Gesetzen war der Neoliberalismus endgültig angekommen in Deutschland. Zu spüren bekamen das zunächst die prekären Schichten. Und siehe da: Ebenfalls 2003 erscheint Bushidos Debüt „Vom Bordstein bis zur Skyline“. Ein Jahr später folgt Sido mit „Maske“. Auch der Gangstarap war endlich angekommen in Deutschland. Mit all seinen extremen finanziellen Gegensätzen: Bordstein vs. Skyline. Mein Block vs. Fuffis im Club. Armut vs. Exzess.

Die Angst vorm Abstieg und der Traum vom Aufstieg

2009 bekam dann aber auch die Mittelschicht erstmals die Folgen der neoliberalen Politik massiv zu spüren: der deregulierte, völlig entfesselte Finanzsektor stürzte die Welt in eine Wirtschaftskrise. Durch das Straucheln der Großbanken standen auch in Deutschland tausende mittelständische Anleger plötzlich vor dem Ruin. Abstiegsängste wurden aufeinmal sehr real und greifbar. Bloß nicht abhängen lassen, lautete die Devise. Dranbleiben, aufschließen zu jenen, die so wohlhabend sind, dass ihnen auch eine Wirtschaftskrise nichts mehr anhaben kann. Und wenige Jahre später rappen jetzt also auch Kids aus gutbürgerlichem Hause über obszönen Reichtum, brüsten sich mit materiellen Gütern, die sie nicht besitzen und wohl auch nie besitzen werden. Eine Art künstlerisches Stockholm-Syndrom, wenn man so will.

"Baby, bitte mach dir nie mehr Sorgen um Geld
Gib mir nur deine Hand, ich kauf dir morgen die Welt."

-Cro, Einmal um die Welt

Wie die Gangstarapper vor ihnen identifizieren sich jetzt auch die Mittelschichtsrapper und ihr Publikum mit den Verschwendern, mit den Gierigen. Mit jenem System also, das überhaupt erst dafür sorgt, dass man solche Geldsorgen hat.


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Kommentieren

Nik, Sonntag, 30.August 2015, 23:05 Uhr

3.

Das ist versace und kein gucci nikka

Roman, Mittwoch, 26.August 2015, 20:03 Uhr

2. Die Kinder sind doch nur billige Kopien

AGGRO Grünwald wussten schon 2008 wie man mit Papis Bentley über die Leopoldstraße cruised ;)

Verena , Mittwoch, 26.August 2015, 19:26 Uhr

1.

1. er heißt Carlo Waibel. Gute Recherche! ????
2. er komm nicht mal aus dem "wohlhabenden" Stuttgart
3. Carlo ist wohl der aller aller letzte, der hier mit Geld protzt.
Alles in allem ein Suuuuuuper Beitrag. Das nächste Mal einfach erst sich erkundigen, wie die Sachen stehen.

  • Antwort von Malte von PULS, Donnerstag, 27.August, 13:15 Uhr

    Hi Verena,

    danke für deinen Kommentar!
    1. Beim Namen hat sich ein Rechtschreibfehler eingeschlichen. Wurde korrigiert, danke für den Hinweis!
    2. Cro wurde in Mutlangen geboren. Das gehört zum Regierungsbezirk Stuttgart und zur Randzone der Metropolregion Stuttgart. Später hat er dann auch direkt in Stuttgart gelebt, dort seine Karriere als Musiker begonnen und er wohnt dort (Stand letzten Jahres) immer noch. Dass Cro aus Stuttgart kommt, kann man also schon sagen, finde ich. Dass er dort geboren wurde, ist vielleicht etwas ungünstig formuliert. Haben wir ebenfalls verbessert, danke!
    3. Zumindest in seinen Songs protzt Cro definitiv schon mal ganz gerne mit Geld. Siehe "Einmal um die Welt".

  • Antwort von Peter, Donnerstag, 27.August, 14:37 Uhr

    Wenn du mal richtig lesen würdest, dann könntest du sehen, dass da "in der Nähe" von Stuttgart steht - Mutlangen ist keine Stunde von Stuttgart entfernt.
    Und wenn du die rosa Fanbrille abnehmen und die Belege nüchtern durchlesen würdest, dann würdest du dich vielleicht mit pseudo-sarkastischen Kommentaren zurückhalten.