Lektüreschlüssel: POP RINs "Monica Bellucci" als zeitgenössische Gedichtinterpretation
Es regnet Pillen und alle sind allein: Ist der Song "Monica Bellucci" von Cloud-Rapper RIN wirrer Schmarrn oder avanciert der Babo aus Bietigheim zum schwäbischen Drake? Der "Lektüreschlüssel: POP" nimmt sich der Sache an!
Wie Eros, geläutert nach einer Paartherapie: Die erste Platte des Bietigheim-Bissinger Rappers RIN ist ein Leitantrag der Sehnsucht, ein Manifest der gebrochenen Herzen, ja der Lusttropfen unter den Debütalben. Wir haben das heißblütige "Monica Bellucci", die aktuelle Single-Auskopplung seines Meisterstücks "Eros", einer zeitgenössischen Gedichtanalyse unterzogen: Das melancholische Poem des schwäbischen Dichterfürsten und Pillen-Gigolos erzählt schonungslos offen von den Sehnsüchten einer geschundenen Seele, einer beschwipsten Jungfrau in höchsten Nöten.
"Shawty ist so high und sieht Liebe überall, ey yeah
Shawty ist so high und die Liebe überall, ey yeah."
Rin, Monica Bellucci
Exemplarisch für die rin'sche Poesie auf "Eros" beschreibt das lyrische Ich in "Monica Bellucci" eine Welt, dessen Bewohner mehr sediert als wach durch eine urbane Vorhölle aus Techno-Clubs, Vintage-Stores und Dealer-Bruchbuden torkeln. Die junge Frau, die das lyrische Ich besingt, scheint in der Großstadt vollkommen verloren zu sein auf der bitterlichen Suche nach Nähe und Gemeinschaft. Einzig per Telefon tritt sie in Kontakt zu einer unwirklichen, im Pillenrausch nur schemenhaft existenten Außenwelt:
"Shawty ruft mich an,
Shawty ruft mich an
Nokia 8210
Sie ist in der Schlange vorm Boiler Room,
Sie ist in der Schlange vorm Boiler Room
Sie will Gästeliste rein, ey
Sie will Gästeliste rein, ey
Sie will zu Skepta ins Berghain,
Sie will zu Skepta ins Berghain
Sie ist so allein, will ein Teil, ey"
Rin, Monica Bellucci
Das klassische Motiv einer "Damsel in Distress", einer "Jungfrau in Nöten", wie man es aus der antiken Literatur oder aus Märchen wie Dornröschen kennt, deutet sich an. In der zweifachen Repetito wiederholt das lyrische Ich wie ein Echo die existenziellen Wünsche der beschriebenen Frauenfigur. Der männliche Held wird dann zur Hilfe - an sein Nokia 8210 - gerufen: In der Welt, die RIN beschreibt, gibt es aber keine Hoffnung, die Unschuld ist längst verloren. In dieser Geschichte gibt es kein Happy-End und die Figuren verbleiben allein, hip und betäubt:
"Shawty fühlt sich so allein
Und deshalb schmeißt sie noch ein Teil, oh no
Shawty fühlt sich so allein
Und deshalb schmeißt sie noch ein Teil, no no."
Rin, Monica Bellucci
Der gefallene Engel bekommt vom Erzähler eine sensible Backstory verliehen, wie sie auch einer Reality-Soap-Figur eines Privatfernsehsenders würdig wäre: Die persönliche Hölle des einsamen, verwirrten Burgfräuleins auf Sinnsuche kommt nicht von ungefähr:
"Nie Liebe von daheim (nie Liebe)
Hatte nie Liebe von daheim (keine Liebe), no no, no no, no no
Ey yeah, nie Liebe von daheim (keine Liebe)"
Rin, Monica Bellucci
Im letzten Abschnitt entlarvt die kreiselnde Struktur des Textes den ausweglosen Horror des 3-Tage-Wach-Hedonismus: Nach dem Zusammenbruch beginnt die Tortur ganz selbstverständlich von vorne, es gibt keinen Exit, keine Rettung für Niemanden.
"Shawty ist so high und sieht Liebe überall, (no no) ey yeah, (no no)
Shawty ist so high und die Liebe überall, (no no) ey yeah, (no no)"
Rin, Monica Bellucci
Sendung: Filter, 4. September 2017 - ab 15 Uhr