Tracks der Woche #40/18 Another Sky, Little Simz, Hannah’s Little Sister, Jace feat. OG Keemo, Whethan feat. HONNE
Die Tracks der Woche stecken mitten in der "Sturm und Drang"-Phase: ihr frischer Sound bricht mit alten Konventionen und die Texte sind mal angriffslustig, mal apathisch, mal provokant.
Another Sky – Chillers
Wenn bei einer neuen Band immer wieder Radiohead als Soundvergleich herangezogen wird, dann lässt das den eingefleischten Indie-Fan erstmal aufhorchen. Und bei Another Sky lohnt es sich wirklich hinzuhören, denn die vier Londoner haben schon zu Beginn ihrer Karriere ein sehr ausgefeiltes Klangkonzept am Start. Das liegt auch an der einfühlsamen Stimme von Sänger Vincent Catrin, die vor allem in den Höhen zu Erstaunlichem fähig ist. Die Songs von ihrer ersten EP "Forget Yourself" scheinen durch den Raum zu schweben, transportieren aber trotz dieser Leichtigkeit auch eine innere Zerrissenheit. Die neue Single "Chillers" scheint da erstmal aus dem Raster zu fallen: Sie startet mit unbeschwerter Akustikgitarre und wird weite Teile von energetischen Vocals getragen. Aber auch bei "Chillers" braut sich was zusammen - und bald kommt wieder dieses leicht beklemmende Gefühl durch, das dem Song seinen Drive verleiht.
Little Simz – Offence
Wer Bock hat auf kreativen Rap fernab vom Einheitsbrei, der kommt bei Little Simz absolut auf seine Kosten. Ihr neuer Track "Offence" strotzt nur so vor innovativen Ideen: das Grundgerüst bilden die Drums, ein derber Bass und verspielte Flöten. Für den Feinschliff sorgen dann leicht hektische Streicher, der bossy Frauenchor und gesampelte Cartoon-Sounds. Trotz der vielen Klangeindrücke konzentriert man sich zwangsläufig auf die Stimme von Little Simz, die in tadellosem Flow Zeilen wie "I’m Jay-Z on a bad day, Shakespeare on my worst days” vorträgt. Und bei der Britin ist das mehr als die Rap-typische Arroganz, denn auch Größen der Szene wissen ihre Skills zu schätzen: für Lauryn Hill war sie schon Vorband und in einer BBC-Radiosendung spricht Kendrick Lamar in den höchsten Tönen von ihr. Mit ihrem Album "Stillness In Wonderland" hat sie die Latte schon ziemlich hoch gesetzt, mit "Offence" legt sie aber noch eine Schippe drauf.
Hannah’s Little Sister – 20
20 ist nicht unbedingt ein einfaches Alter: irgendwie ist man gefühlt schon total selbstständig und gleichzeitig fragt man sich, was man jetzt denn eigentlich so erreichen will im Leben. Das kann einen ziemlich unter Druck setzen. Und genau diesem Gefühl haben Hannah’s Little Sister ihre erste Single "20" gewidmet. Stressen lassen sich die vier MusikerInnen aus Liverpool aber davon sicher nicht. Hier trifft bissiger DIY Alt-Rock auf Null-Bock-Einstellung. Sängerin Meg Grooters singt, kreischt und schreit die Lyrics über grenzenlose Langeweile und Selbstsabotage heraus. Ähnlich an der Instrumentalfront: dröhnende Gitarren, die mal aufheulen und danach trotzig wieder zurück in die Reihe gehen. "20" ist organsiertes Chaos in vier Minuten gepresst. Hannah’s Little Sister haben genau die Ecken und Kanten, die einen neuen Act aus der Masse herausstechen lassen und wirken dabei gleichzeitig so, als wäre ihnen scheißegal, ob man sie bemerkt oder nicht.
Jace feat. OG Keemo – Treppen
Jace macht seinem Ruf als Enfant terrible des deutschen Traps mit seinem neuen Track "Treppen" wieder alle Ehre: fast jede Line ist ein Diss und platzt vor Überheblichkeit. Dabei wird auch im Video das Proll-Image gewahrt, wenn der Hamburger auf dem Tennisplatz flext wie die reiche Countryclub-Elite und sich dabei ein gutes Glas Weißwein einschenken lässt. Den zweiten Part des Tracks übernimmt OG Keemo, der mit seiner tiefen, in sich ruhenden Stimme der perfekte Gegenpart zum hyperaktiven Jace ist. Der Mannheimer ist der Typ Straßenrapper, dem man lieber nicht in der Cypher gegenüberstehen möchte. Jace und OG Keemo sind alleine optisch schon eine geniale Kombination: Man kann sich gut vorstellen wie Jace angesoffen vorm Club Stress anfängt – und dann OG Keemo nur mit seiner Anwesenheit den Konflikt löst. Der bouncende Beat von "Treppen" ist übrigens von DJ Farhot, dem Kerl hinter "Chabos wissen wer der Babo ist".
Whethan feat. HONNE – Radar
Vor zwei Jahren hat Ethan Snoreck aus Chicago noch nichts ahnend ein paar Remixe auf seinem Soundcloud-Account hochgeladen. Plötzlich bekommt einer seiner Tracks 10 Millionen Plays und zack – wird der mittlerweile 19-Jährige quasi über Nacht zum gefeierten Produzenten und DJ, spielt wenig später beim SXSW Festival und produziert Tracks mit Charli XCX und Oh Wonder. So schnell kann‘s gehen. Jetzt hat Whethan seine neue Single "Radar" veröffentlicht, ein Feature mit dem englischen Duo HONNE. Und das Ding funktioniert mehr als gut: Ein tanzbarer, basslastiger Popsong, der einen funky Vintage-Vibe verbreitet. Die wohltuenden Vocals von HONNE bilden einen gelungenen Kontrast zur tief gepitchten Hook. Und klar, wo HONNE am Start sind, dürfen cooler Synthie und ein paar schicke Percussions nicht fehlen. "Radar" ist der erste Vorgeschmack auf Whethans angekündigtes Projekt namens "Life of a Wallflower Volume 1".
Sendung: Freundeskreis, 01.10.2018 - ab 10.00 Uhr